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Ducati XDiavel V4 – noch ein echter Cruiser?

Ducati präsentierte in Südfrankreich die neue XDiavel V4, womit sich nun auch die Cruiser-Variante der sportlicheren Diavel V4 vom V2 verabschiedet. Ist sie mit dem V4 noch ein echter Cruiser?

Die neue Ducati XDiavel V4 ist ab sofort erhältlich, in Rot (Burning Red) ab Fr. 30’990.—und in einer ganz dunklen, nicht ganz schwarzen Lackierung (Black Lava) ab Fr. 31’290.—. Nicht nur ihr Motor ist neu, sondern auch alles andere und dennoch ist sie auf den ersten Blick als echte XDiavel erkennbar. Selbst beim Aufsitzen kommt einem vieles gleich vertraut vor.

 

 

Aber ist sie mit dem neuen V4 tatsächlich noch ein echter Cruiser? Das haben wir an der Côte d’Azûr bzw. im hügeligen Hinterland von Cannes auf einer ersten Testfahrt herausgefunden.

Die 2. Generation

Werfen wir zur Einordnung einen kurzen Blick zurück: 2011 lancierte Ducati die allererste Diavel – ein hochemotionales Bike, bei dem niemand so recht wusste, wie es einzuordnen war. Ducati gab lediglich einen Tipp mit auf den Weg, und zwar in Form des Webeslogans: «Don’t call me a cruiser» (bezeichnet mich nicht als Cruiser).

 

 

2016 folgte dann die Schwester XDiavel, die dann mit vorverlegten Fussrasten ausdrücklich der Cruiser sein wollte, den viele bereits in der Ur-Diavel sahen. Die XDiavel wurde mit dem 1260-V2-Motor eingeführt, dessen rechte Seitendeckel mit überfrästen Elementen massgeblich zum Erscheinungsbild beitrugen. …

Stärker und leichter

Gegenüber ihrer Vorgängerin ist die nach der neuesten Abgasnorm Euro5+ homologierte XDiavel V4 um 8 PS stärker und 6 Kilo leichter geworden (verglichen mit der XDiavel S). Mit leerem Tank wiegt die neue V4 noch 229 Kilo, was sich im Cruiser-Segment echt sehen lassen kann. Das maximale Drehmoment ist mit neu 126 im Vergleich zu vorher 127 Nm praktisch gleichgeblieben. Neu ist ferner, dass als Endantrieb kein Zahnriemen mehr, sondern eine Kette zum Einsatz kommt.

 

Mit dem V4 durch die Stadt

Auf die erste Testfahrt begeben wir uns im hügeligen Hinterland von Cannes. Zunächst geht’s durch urbanes Gebiet mit vielen Kreisverkehren, Stopps und Abzweigungen, bevor es auf die Landstrassen geht. Von Beginn weg überzeugt der vom Supersportler Panigale V4 abgeleitete V4 Granturismo auch in der neuen XDiavel V4. Er geht selbst bei langsamem Tempo und bei Stop-and-Go stets sanft ans Gas. Auch Kolonnengezuckel mit Tempo 30 ist für den Motor keine Tortur. Löblich ist, dass der serienmässige Tempomat bereits ab 30 km/h funktioniert.

Zweizylinder

Eine besondere Eigenschaft des V4 ist, dass die Kurbelwellenzapfen um 70 Grad versetzt sind. Zusammen mit der 90-Grad-V-Anordnung des Motors führt das dazu, dass der V4 die Zündfolge eines V2 reproduziert. Dies, indem die beiden linken Zylinder eng nacheinander zünden und ebenso die beiden rechten Zylinder. Auf dem Zünddiagramm liegen die beiden Zündzeitpunkte bei 0, 90, 290 und 380 Grad.

 

 

Ausserdem verfügt der V4 Granturismo über die erweiterte Zylinderabschaltung. Damit werden die beiden hinteren Zylinder nicht nur bei Ampelstopps deaktiviert, sondern bleiben auch in Fahrt bei tiefen Drehzahlen und geringer Drosselklappenöffnung inaktiv. Erst etwas über 4000/min oder wenn das Gas stark geöffnet wird, schalten sich die beiden hinteren Zylinder dazu.

Kann das Racing-Aggregat Cruising?

Die Zylinderabschaltung bewirkt neben der Einsparung von Hitze und Verringerung des Verbrauchs zudem einen tieferen, bassigeren Klang. Und sie sorgt für stärkere Vibes, besonders beim Gasgeben. Es sind niederfrequente Vibes, die der XDiavel V4 beim lässigen Dahingleiten das gewisse Etwas geben. Womit wir schon bei einer entscheidenden Frage angelangt sind: Kann dieses sportliche, vom Racing abgeleitete Aggregat überhaupt Cruising?

 

Die Antwort: Auf jeden Fall! Womöglich sogar noch besser als der 1260er-V2. Der V4 kombiniert sozusagen das Beste aus den beiden Motorenwelten. Der V4 ist immer fein am Gas, egal ob bei langesamen Tempi bzw. niedrigen Drehzahlen oder bei flotterer Gangart und höheren Drehzahlen. Cruising geht definitiv, mit sattem Sound, Vibes und der immerwährenden Bereitschaft, sofort einen Zacken bzw. zwei weitere Zylinder zuzulegen.

 

 

Feuern alle 4 Zylinder, wird der Klang des V4 etwas heller und zugleich heiserer. Der Motor signalisiert dann akustisch wie durch seinen spürbar feineren Lauf: dreh mich, dreh mich, wir gehen auf Angriff. Ruck, zuck lässt sich dann über den Quickshifter 2.0 runter bzw. wieder raufschalten.

Mehr Komfort

Die XDiavel V4 verfügt ausserdem über ein neues Chassis mit neuem Rahmen (Aluminium-Monocoque), bei dem der Motor ein tragendes Element ist. Die Federelemente sind vorn (50mm-USD-Gabel) wie hinten (Einarmschwinge, Zentralfederbein) voll einstellbar, der hintere Federweg wurde für mehr Komfort um 35 mm vergrössert. Unverändert blieben die Reifendimensionen von vorn 120/70-17 und hinten mächtig Eindruck schindenden 245/45-17.

 

Die Federelemente sorgen dafür, dass die XDiavel V4 stets satt liegt, auch in schnell genommenen Kurven und bei Unebenheiten. Es wurde ein guter Mix aus Sport und Komfort erreicht. Harte Schläge allerdings – etwa bei Schachtdeckeln – sind aber auch mit dem Plus an Federweg ziemlich deutlich spürbar.

 

 

Das Fahrverhalten ist für einen Cruiser dieser Grösse gut. Die X kann durchaus auch sportlich durch Kurven hindurchbewegt werden. Mit ihren leer 229 kg ist sie denn auch kein Schwergewicht. Allerdings will sie in Schräglagen aktiv auf Kurs gehalten werden. Die Schräglagenfreiheit von 39 Grad beidseits hat sich als praxistauglich erwiesen. Bei geschmeidiger Fahrweise gleitet die XDiavel V4 auch mit höheren Tempi flott durch engeres wie weiteres Geläuf.

 

Die Bremsen – vorne beissen sich radial montierte Stylema-Bremssättel von Brembo in 330-mm-Scheiben – machen einen guten Job. Sie sind über die radiale Bremspumpe am Lenker feinfühlig dosierbar und erfordern nicht zu viel Handkraft.

Elektronik

Die XDiavel V4 verfügt über die neueste Generation der 6-Achsen-IMU, womit alle Assistenzsysteme schräglagenabhängig funktionieren, so etwa das ABS oder die Traktionskontrolle. Alle Systeme lassen sich im übersichtlichen Menü leicht individuell einstellen. So auch die vier Motor- bzw. Riding Modi: Sport, Touring, Urban und Wet. Die Modi sind gut abgestimmt. Nur der Wippschalter, mit dem die Modi bestätigt werden müssen, lässt – zumindest mit Regenhandschuhen – etwas an Rückmeldung vermissen.

 

 

Und wenn wir schon bei der Kritik sind: Mein Testbike erkannte zwischendurch immer mal wieder den Funkschlüssel nicht. Möglicherweise lag das daran, dass so viele Motorräder des gleichen Typs in unmittelbarer Nähe waren? Und: Über den rechten Motorseitendeckeln fiel uns eine exponierte Steckerverbindung auf – etwas, was sich an einem Bike wie diesem eleganter lösen liesse. Das werde bei den Maschinen, die in den Handel kommen, nicht mehr der Fall sein, hiess es.

Sport-Cruiser-Position

Trotz ihrer mächtigen Erscheinung gibt sich auch die XDiavel aus Fahrersicht relativ kompakt. Super ist, dass sich die Fussrasten serienmässig in drei Stufen einstellen lassen. In meinem Fall (173 cm) passte die Standardposition ganz gut, doch würde ich mir sie auf Dauer wohl in die hinterste Position setzen lassen. Insbesondere, um mich zwischen Fussrasten und Sattel besser «einspannen» zu können. Letzterer bietet bei angenehmer Polsterung einen guten Halt auch bei sportlicher Fahrt. Wer möchte, kann die gummierten Rasten per Zubehörkit auch mittig anordnen.

 

 

Der Lenker liegt gut zur Hand und er hat eine angenehme, praxisorientierte Breite. Als Vorteil hat sich erwiesen, dass er etwas weiter nach hinten und unten gerückt ist. So sind Wendemanöver etwas einfacher und bequemer umzusetzen.

Zeigen, was man hat

Selbstverständlich ist auch die XDiavel V4 ein Bike, bei dem es nicht nur um die inneren, sondern durchaus auch um den optischen Auftritt geht. So sitzt denn der massive Hinterpneu nach wie vor auf einer besonders auffälligen schwarzlackierten Felge mit gefrästen und überlackierten Elementen. Und dank der Einarmschwinge kommt diese Felge sehr gut zur Geltung. Der Auspuff verfügt neu über vier Endrohre und verrät damit gleich die Zylinderzahl (wie schon der Vorgänger mit 2 Endrohren). Doch auch der ellenlange Tank, der an beiden Seiten weit nach vorn gezogen ist und dabei die Gabel umarmt sowie der überm Hinterrad schwebende Sattel tragen wesentlich zur bulligen Gesamterscheinung dieses Sport-Cruisers bei.

 

 

Die sportlichere Schwester: Ducati Diavel V4

 

www.ducati.com/ch/de/home

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