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BMW F 900 XR gegen Ducati Multistrada 950 S und Yamaha Tracer 900 GT

BMW F 900 XR Ducati Multistrada 950 S Yamaha Tracer 900 GT

BMW schickt die XR für 2020 in die Mittelklasse. Mit der neuen BMW F 900 XR wollen die Bayern ihr aus der S 1000 XR bewährtes Konzept einer breiteren Käuferschaft zugänglich machen. Doch wo positioniert sich die „kleine“ XR im Vergleich mit der Konkurrenz? Wir haben sie mit der Ducati Multistrada 950 S und der Yamaha Tracer 900 GT verglichen.

Doch wer ist denn überhaupt die direkte Konkurrenz der neuen BMW F 900 XR? Eine Konkurrentin ist dabei schnell ausgemacht, die Yamaha Tracer 900. Auch sie hat knapp 900 Kubik Hubraum und ist ausschliesslich für den Stras­sen­einsatz konzipiert, kommt darum – gleich wie auch die BMW – auf 17-Zoll-­Rädern daher. Motorisch setzt sie bekannterweise zwar nicht auf einen Zwei-, sondern einen Dreizylinder und liefert mit 115 PS bei 10 000/min etwas mehr Leistung. Aber in Sachen Einsatzspektrum ist sie sicher die direkteste Konkurrentin der F 900 XR – beide sind fürs sportliche Reisen auf der Strasse konzipiert.

 

Die Dritte im Bunde war ­indes etwas schwieriger zu finden. Kawasaki Versys 1000? Würde von den Raddimensionen passen, ist aber motorisch als auch in Sachen Gewicht und Ausstattung «zu gross». Suzuki V-Strom oder Honda Africa Twin? Ebenfalls «zu gross» und zudem «zu offroadig».

 

Die Suche war in der Tat nicht ganz einfach, doch schlussendlich entschieden wir uns für die Ducati Multistrada 950. Zwar ist auch sie der Kategorie der Reise­enduros zuzuordnen, doch hat sie klar einen geringeren Offroad-Anspruch als beispielsweise eine KTM 790 Adventure und kommt mit 113 PS bei 9000/min und 96 Nm bei 7750/min aus 937 ccm motorisch sehr nahe an die beiden Mitstreiterinnen heran. Zudem sieht wohl auch ihr Ein­satzgebiet bei den allermeisten Kunden vor allem asphaltierte Strassen in sportlichem Tempo vor.

 

BMW F 900 XR Ducati Multistrada 950 S Yamaha Tracer 900 GT

Die drei Bikes mit rund 900 ccm Hubraum für die sportliche Reise sehen auch durchaus ansprechend aus.

Yamaha-Triple

«Die Yamaha hat mehr als 900 Kubik, so 950, oder?», fragt unser Gast­tester Roger, als wir die Motoren der Drei thematisieren. Nein, hat sie nicht. Doch ­Rogers Frage ist durchaus berechtigt, denn der Tracer-­Triple drückt – obwohl nur 847 ccm gross – ab, als hätte er locker einige ccm mehr als die Aggregate seiner Konkurrentinnen. Grundsätzlich ist der Dreizylinder die grosse Stärke der Yamaha.

 

Bewegt man sich in den beiden gemässigteren Motormodi «Standard» oder «B» – «A» ist nach wie vor sehr direkt –, nimmt die Japanerin ab Standgas unglaublich sanft Gas an, tuckert locker im sechsten Gang durchs Dorf und dreht mit einer Luftigkeit hoch, die einfach nur Freude macht. Während der Triple in tiefen Drehzahlen dabei sehr manierlich und auch nachbarkonform leise ist, tritt er im oberen Drehzahlbereich – unterstützt von einem Röhren, das den Hirsch in der Brunft erröten liesse – an, als gäbe es kein morgen.

 

Yamaha Tracer 900 GT

Die Yamaha Tracer 900 GT gibt’s ab 13’590 Franken.

Ducati-V2

Im Gegensatz zur Yamaha setzen BMW und Ducati auf nur zwei Zylinder – die Ducati im V-Format, die BMW in Reihe, aber mit gekröpfter Kurbelwelle, welche die Zündfolge und somit in gewisser Weise auch den Sound an einen V2-Motor angleicht. Der echte V2 in der Multistrada 950 ist dabei der grösste Motor im Vergleich, hat als einziger über 900 Kubik. Mit seinen 113 PS und 96 Nm schiebt er ordentlich an, überfordert aber keinesfalls.

 

In Sachen Sound verhält es sich ähnlich wie bei der Yamaha: untenrum leise, obenraus laut. Das ist in der heutigen Zeit durchaus angenehm, kann man doch so, ohne die Nachbarn zu stören, früh am Morgen los und hört, wenn man dann abseits der Zivilisation etwas aufreisst, trotzdem sein schönes V2-Ballern.

 

Am meisten beeindruckt an diesem Aggregat allerdings seine Fahrbarkeit. Auch in sehr tiefen Drehzahlen hackt er nicht an die Kette – das war bei Ducati-V2s auch schon anders. Einzig bei rund 5000/min machen sich über den Sattel lästige Vibrationen bemerkbar.

 

Ducati Multistrada 950 S

Die Ducati Multistrada 950 S ist mit 17’590 Franken das teuerste Bike im Vergleich, bietet aber auch die hochwertigste Ausstattung.

BMW-Twin

Vibrationen gibt’s bei der BMW kaum, dafür ist die Bayerin die lauteste im Vergleich. Beim Hinterherfahren erinnert der Sound ­dabei wirklich an einen V2 und dröhnt satt aus dem schicken Endschalldämpfer. Fahre ich die BMW selbst, ist der Sound leider nicht mehr ganz so gut, wirkt eher etwas mechanisch und ist für mein ­Empfinden – ich bin in Ortschaften gerne inkognito unterwegs – in tiefen Drehzahlen etwas zu laut.

 

In Sachen Leistungs- und Motor-Charakteristik wirkt der BMW-Twin am sportlichsten. Er braucht etwas Drehzahl, damit’s wirklich vorwärts geht, dreht dafür aber sehr schön hoch und drückt ab rund 5000/min souverän ab. Ein Blick auf die Leistungskurven lässt indes vermuten, dass vor allem eine längere Übersetzung für das gefühlte Drehmomentmanko im tiefen Drehzahlbereich verantwortlich sein dürfte. So oder so ist das kaum tragisch, mit der BMW ist man dann halt einfach einen Gang tiefer unterwegs als mit den beiden anderen, woran man sich aber problemlos gewöhnt.

 

Genügend Power, um mehr oder weniger innerhalb der Schweizer Gesetzgebung durch die Kurven zu ziehen, haben unsere drei Kontrahentinnen trotz Unterschieden bezüglich ihres Charakters natürlich alle. Und in den Radien spielen so oder so andere Qualitäten eine wichtigere Rolle. Qualitäten wie Agilität, eine satte Strassenlage, Brems­power ohne Aufstellmoment und so weiter.

 

BMW F 900 XR

Die BMW F 900 XR gibt’s in der Basis-Version bereits ab 12’300 Franken.

Sportliche F 900 XR

In Sachen Agilität drängt sich dabei die Bayerin rasch in den Vordergrund. Extrem leicht lässt sich die BMW F 900 XR in Schräglage bringen, und auch der schnelle Wechsel von einer Schräglage in die nächste geht ­äusserst kraftsparend von der Hand. Die XR fühlt sich dabei gar nicht an wie ein Reisemotorrad – eher wie ein sportliches Naked Bike. Auch hier fühlt sich die BMW dabei am kompaktesten an, was für die sportliche Fahrweise aber sicherlich nicht nachteilig ist.

 

Wir fahren die Standard-Version, ohne semi­aktives Fahrwerk (Dynamic ESA: CHF 450.–), mit nicht einstellbarer Gabel und in Vorspannung (per Handrad) und Zugstufe einstellbarem Federbein. Im Standard-­Setup funktioniert dieses Fahrwerk vor allem für die sportliche Kurvenhatz hervorragend. Im Gegenzug dazu muss man allerdings beim Komfort Abstriche in Kauf nehmen – Unebenheiten und harte Schläge werden vor allem von der Gabel sehr direkt an den Fahrer weitergegeben. Für alle, die mit der XR also auch längere Reisen planen, dürfte sich der Griff zu Dynamic ESA – auch angesichts des sehr niedrigen Aufpreises – durchaus aufdrängen; schon nur wegen der deutlich ­umfassenderen Einstell-­Möglichkeiten.

 

An der Bremse gibt’s indes gar nichts zu meckern. Die beiden Vierkolbenzangen, die sich in zwei 320-mm-­Scheiben verbeissen, sorgen für massig Verzögerung. Die BMW bietet dabei im Vergleich den aggressivsten Ini­tialbiss, was zu ihrem stärker auf sportliches Fahren ausgerichteten Charakter passt, für Anfänger aber etwas störend sein könnte. Doch dank Kurven-­ABS – im kostenlosen Aktiv-Paket zusammen mit der schräg­lagenabhängigen Traktionskontrolle, den Fahrmodi Pro und der Griffheizung enthalten – wird auch ein zu beherztes Eingreifen nicht direkt zum Sturz führen.

Multistrada 950 S – teuer aber gut

Die Ducati ist zwar mit Abstand die Teuerste im Vergleich, kommt aber auch mit der umfangreichsten Ausstattung, allem voran dem semiaktiven Fahrwerk. Skyhook-Suspension nennt Ducati dieses – aus meiner Sicht – zu den besten semiaktiven Fahrwerken im Strassenbereich gehörende Setup. Für jeden Fahrmodus kann bei Ducati auch ein eigenes Fahrwerks-Setup hinterlegt werden. Vorspannung, Zug- und Druckstufe können individuell in zig Stufen eingestellt werden. So kann beispielsweise im Sport-Modus ein straffes Setup für gute Strassen hinterlegt werden und im Touring-Modus eines mit mehr Komfort für schlechtere Strassenverhältnisse.

 

Zudem wird die Dämpfung während der Fahrt – die Vorspannung ändert sich nur auf Befehl – stets automatisch auf die aktuellen Strassengegebenheiten angepasst. Das alles führt dazu, dass die Ducati einerseits immer unglaublich satt auf der Strasse liegt und extrem viel Vertrauen schenkt, sich andererseits aber trotz ihrer Grösse auch ohne grossen Krafteinsatz spielerisch durch die ­Radien dirigieren lässt.

 

Es lässt sich also durchaus sagen, dass die Ducati objektiv betrachtet das beste Fahrwerk mit in diesen Vergleich gebracht hat, was angesichts der Tatsache, dass es das einzige semiaktive Fahrwerk ist, und dass die Ducati auch darum bedeutend teurer ist als ihre ­Konkurrentinnen, nicht weiter erstaunt.

 

Auch die Brembo-Vierkolbenzangen in Kombination mit den beiden 320er- Scheiben machen einen hervor­ragenden Job. Sie greifen zwar zu Beginn ­etwas sanfter zu als jene der BMW, sind aber äus­serst fein dosierbar und bieten einen wunderbar klaren Druckpunkt. Wieder mal haben die beiden Italiener – Ducati und Brembo – ein Brems-Setup kreiert, das aus irgendwelchen Gründen besser funktioniert, als dies die ­gleiche Hardware bei der Konkurrenz tut.

Bequeme Tracer 900 GT

Ein semiaktives Fahrwerk kann die Yamaha Tracer 900 GT nicht bieten – auch nicht im Zubehör-Sortiment. Das ist aber nicht weiter tragisch, vor allem, weil das Fahrwerk der Tracer manuell voll einstellbar ist. Die Vorspannung des Federbeins kann dabei, wie bei der BMW, bequem per Handrad eingestellt werden. Im Grund-Setup ist die Yamaha klar am softesten respektive am meisten auf Komfort abgestimmt – natürlich je nachdem, welcher Modus bei der Ducati gewählt wird.

 

Soft soll allerdings nicht unsportlich heissen, denn auch mit der Tracer 900 lässt es sich äusserst flott durchs Kurvengewirr wedeln. Jedoch braucht sie eine etwas stärkere Hand in der Führung. Für wirklich schnelle Ausfahrten würde ich zudem das Federbein etwas zudrehen, da es sonst doch etwas ins «Pumpen» geraten kann. Unebenheiten werden von der Yamaha hingegen äus­serst sanft weggebügelt, wodurch auch schlechte Stras­senabschnitte zum ­Genuss werden.

 

Die Bremsen der Tracer 900 geben sich am anfängertauglichsten im Vergleich. Das heisst, dass der Anfangsbiss relativ sanft ist und mit mehr Weg und Druck dann auch mehr Bremsleistung generiert wird. Der Druckpunkt ist dabei nicht so klar wie bei den beiden Konkurrentinnen, die Bremsleistung bei entsprechendem Kraft­einsatz allerdings tadellos.

 

BMW F 900 XR Ducati Multistrada 950 S Yamaha Tracer 900 GT dreier

Die BMW F 900 XR gibt sich näher am Naked Bike als die mehr auf längere Touren ausgerichteten Ducati Multistrada 950 S und Yamaha Tracer 900 GT.

Eigene Klasse

Und welche ist nun die Beste? Respektive wie macht sich die BMW im Vergleich mit der Konkurrenz? Schwierig zu sagen. Und eigentlich ganz gut. Diese doch sehr vagen Aussagen muss ich natürlich noch etwas präzisieren. Denn obwohl die drei Bikes in Sachen Einsatzspektrum ein sehr ähnliches Publikum ansprechen, macht die BMW vieles anders als die beiden anderen.

 

Sie setzt bedeutend stärker auf den Aspekt Sport und die Agilität, bleibt bezüglich des Fahrgefühls viel näher bei einem sportlichen Naked Bike, auch wenn die Tracer ja einem solchen entstammt.
Aus unserer Sicht ist sie dadurch zwar ideal für sportliche Tages- oder Wochenend-Touren in den Alpen vorbereitet, hätte bei einer längeren Reise allerdings in Sachen Komfort einen Nachteil gegenüber ihren Konkurrentinnen.

 

Die zwei anderen sind sich indes ähnlicher, können zwar auch (sehr) sportlich bewegt werden, setzen aber klar einen stärkeren Schwerpunkt aufs Reisen. Die Yamaha ist dabei klar günstiger, kommt aber auch mit bedeutend weniger Technik als die Ducati, die vor allem in der S-Version mit aller Technik vollgestopft wird, die auch in den ganz grossen Reiseenduros zu finden ist.

Qual der Wahl

So würde ich denn die ­Yamaha dem preisbewussten Strassenfahrer, der gerne auch mal länger als nur ein paar Tage unterwegs ist, empfehlen. Die Ducati ist etwas für Technik- und/oder V2-Begeisterte, die vielleicht auch mal den ­einen oder anderen Schotterweg mitnehmen möchten.

 

Und die BMW? Sie würde ich all jenen empfehlen, die normalerweise sportliche Tagestouren unternehmen, ab und zu aber auch ein paar Tage mit dem Motorrad verreisen möchten und sich darum etwas ein wenig Bequemeres als ein klassisches sportliches Naked Bike zulegen möchten.

 

BMW F 900 XR Ducati Multistrada 950 S Yamaha Tracer 900 GT dreier

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