Home / Moto News  / Ducati Diavel V4 S vs. Triumph Rocket 3 R

Ducati Diavel V4 S vs. Triumph Rocket 3 R

Ducati Diavel V4 S vs. Triumph Rocket 3 R.

Die nagelneue Ducati Diavel V4 und die Triumph Rocket 3 R sind zwar nicht ganz leichtgewichtig. Aber sie strotzen vor ausgeprägter ­Sinnlichkeit und vor Kraft, die für sanft bis heftig reicht.

Weder auf der neuen Ducati Diavel V4 (ab Fr. 28 690.–) noch auf der Triumph Rocket 3 R (ab Fr. 26 695.–) ruhen die Füsse weit vorne, sondern mittig. In die Sparte Cruiser fallen sie aber nicht nur deswegen nicht. Obwohl die Rocket wohl auch als ­Power-Cruiser durchgehen könnte. Aber einigen wir uns doch ganz einfach für beide Kandidatinnen auf die Bezeichnung Muscle Bike. Töff also, denen es an Kraft niemals mangelt und die im besten Fall damit sogar richtig gut umgehen können. Und dies gleich vorweg: Die Diavel V4 und die Rocket 3 R können das!

Der optische Auftritt

Muscle Bikes wollen aber noch mehr als fahrerisch performen. Sie wollen bereits optisch Eindruck schinden und sich durch ihren Auftritt gebührenden Respekt verschaffen. Dass sie, wenn es hart auf hart käme, in gewissen Disziplinen – beispielsweise auf der Rennstrecke oder auf dem Handlingparcours in Form der ultrakurvigen Nebenstrecke – andere davonziehen lassen müssen, nehmen Muscle Bikes bzw. ihre Fahrer gerne in Kauf. Sie stehen selbstsicher ­darüber. Denn schliesslich enden die Kurven immer irgendwo und die nächste Respekt einflössende Begegnung – sei es an der Tankstelle, am Töfftreff oder sonst irgendwo – folgt bestimmt.

 

Ducati Diavel V4 S vs. Triumph Rocket 3 R.

Diavel V4 S: Schlanker

Und wenn ein solcher Moment kommt, dann sorgen sowohl die Diavel V4 als auch die Rocket 3 R auf ihre Art dafür, dass alles rundherum aufsieht. Die Diavel wirkt zwar deutlich schlanker in ihrer Erscheinung als noch die Ur-Diavel von 2011 und noch etwas sportlicher als die bereits dynamisierte Diavel 1260 von 2019. Die jetzt spitz zulaufenden Kühlerverkleidungen, die erstmals nicht mehr die Blinker aufnehmen, sowie der luftiger ausfallende und weiter nach unten gezogene Bugspoiler tragen wesentlich dazu bei. Die beiden Lufteinlässe links und rechts des LED-Scheinwerfers sind dagegen prominent und gross wie nie zuvor. Sie wirken wie zwei Riesenschlünde, die beim Öffnen der Drosselklappen alles verschlingen, was ihnen in die Quere kommt – wie etwa die Lufthutzen auf den Motorhauben amerikanischer Muscle Cars. Die fette 50-mm-USD-Gabel, der besser denn je sichtbare Motor und die vier Auspuffendrohre im Raketenwerfer-Layout sorgen neben der edlen Hinterradfelge ebenfalls für reichlich Aufmerksamkeit.

Einschüchterer

Der noch grössere «Einschüchterer» ist aber ganz klar die Rocket 3. Wie ihre von 2004 bis 2014 in verschiedenen Ausführungen angebotenen Vorfahrinnen dominiert ein grosser LED-Doppelscheinwerfer ihre Front. Und egal, ob mit manuell gewähltem Tagfahr- oder Abblendlicht: Wenn er im Rückspiegel auftaucht, läuten unweigerlich die Alarmglocken. Entweder verspüren Vorausfahrende plötzlich den Drang, sich ganz rechts zu halten, oder sie aktivieren ihren persönlichen «Power-Modus», schärfen die Sinne, schalten gleich mal einen oder zwei Gänge runter und bereiten sich so auf ein sehr wahrscheinliches Duell vor. An Mächtigkeit hat es der Rocket nie gefehlt, doch seit ihrem kompletten Remake auf die Saison 2020 kommt alles an ihr nicht mehr cruisig, sondern dynamisch daher. Abgesehen vom ballonigen Vorderpneu vielleicht. Doch angesichts der übrigen Masse wirkt sogar dieser nicht unstimmig.

 

Ducati Diavel V4 S vs. Triumph Rocket 3 R.

Rocket 3 R: 2,5 statt 2,3 Liter

Selbst der neue Reihendreizylinder, der nun über 2,5 statt 2,3 Liter Hubraum verfügt, bringt Sportlichkeit zum Ausdruck. Der gesamte Block ist nun nicht mehr grau, sondern schwarz, akzentuiert mit überschliffenen Kühlrippenelementen, und statt Chrom findet sich an Krümmern, Auspuffrohren und Kühlerverkleidung nun gebürstetes Aluminium. Wesentlich ist ferner die insgesamt viel kompaktere und flachere Erscheinung, die in unserem Fall doch nicht ganz auf Chrom verzichtet: Es handelt sich nämlich um die spezielle Chrome Edition (in der es auch noch andere Triumph-Modelle gibt), die den Grossteil des Tanks im spiegelnden Hochglanz erstrahlen lässt. Der Aufpreis zur Standard-R beträgt Fr. 1295.–.

Fahrspass!

Mit vollgetankt 317 kg ist die Rocket 3 R gegenüber der Diavel V4 (236 kg) nur noch 81 kg schwerer. Angesichts des Drehmoment-Hochplateaus, das die Rocket 3, die mit dem grössten Serienmotorradmotor bestückt ist, bietet – zwischen ca. 3500/min und 5000/min liegen immer über 220 Nm (!) an –, ist ihr Mehrgewicht, zumindest hinsichtlich Beschleunigung, kaum der Rede wert. Auch weil nur etwas nach der 5000er-Marke zudem über 160 PS – bis knapp 7000/min – die Rocket beflügeln.

V4 statt V2

Für diese Leistung braucht die Diavel rund 9000/min und ihr Drehmoment-Spitzenbereich mit stets über 120 Nm liegt bei ca. 6000 bis 10 000/min. Da muss der Diavel-Pilot schon parat sein … Die neue Diavel befeuert ab sofort kein V2 mehr, sondern der V4 Granturismo, also der ursprünglich aus der Panigale V4 stammende und via Streetfighter V4 für die Multistrada V4 u.a. mit angepassten Nockenwellenprofilen sowie modifizierter Ventilüberschneidung überarbeitete 90-Grad-V-Vierzylinder. Trotz seiner «Zähmung», durch die er etwas mehr auf Alltag getrimmt wurde, bleibt er ein Sportmotor, der Drehzahlen liebt. Ab ca. 3500/min verbreitet er gute Laune. Kurz gesagt: Auf der Rocket muss man die Gashand stets im Griff haben, weil jedes Aufdrehen – egal, in welchem Gang – in massivem Vortrieb resultiert! Verrückt dabei ist, dass sich alles so geschmeidig und vibrationsfrei anfühlt, dass man kaum merkt, wenn man plötzlich 20 oder 30 km/h mehr drauf hat … Auf der Diavel dagegen fällt die Intensität des Vortriebs je nach Gang bzw. Drehzahl sehr unterschiedlich aus. Und ihr V4 ist ist immer zu spüren, wenn auch nie auf unangenehme Weise. ­

Fahrmodi

Selbstverständlich verfügen beide Maschinen über Fahrmodi von Sport und Strasse/Touring über Regen bis hin zu einem individuell anpassbaren. Sie beeinflussen die Direktheit der Gasannahme bzw. die Leistungsabgabe sowie das Eingreifen der Trak­tionskontrolle. Letztere scheint auf der Triumph sehr wertvoll zu sein. Denn beim Beschleunigen gegen Kurvenende interveniert sie (auf kaltem Asphalt) selbst im Sportmodus und bei nicht übertrieben provozierendem Dreh am Gasgriff regelmässig.

 

Ducati Diavel V4 S vs. Triumph Rocket 3 R.

Kein Understatement

Hörbar sind die beiden Triebwerke natürlich auch! Mit Standgeräuschen von 100 dB (Ducati) und 99 dB (Triumph) sind sie praktisch gleich laut für Messgeräte. Dennoch ist ihr Klang fürs menschliche Ohr absolut verschieden. Der Reihendreizylinder wummert bei allen Drehzahlen sonor-mächtig, aber unaufgeregt, während der V4 schnell zum angriffslustigen Röhren übergeht. Insbesondere wenn sich die unter 4000/min deaktivierte hintere Zylinderbank dazuschaltet (wovon man rein fahrerisch aber keine Notiz nimmt).

Beide Muskelprotze besitzen leichtgängige und beim Anfahren gut dosierbare Assist- und Rutschkupplungen mit harmonisch abgestuften Sechsganggetrieben, die sich präzise schalten lassen. Die Duc macht zudem mit ihrem serienmässigen Blipper Laune. Diesen gibt es für die Triumph als Originalzubehör gegen Aufpreis.

Seit jehehr überraschend

Seit jeher hat die Diavel mit ihrer Fahrdynamik überrascht und begeistert. Daran hat sich nichts geändert. Obwohl sie z.B. knapp 30 Kilo schwerer ist als die Streetfighter V4, lässt sie sich genauso spielerisch bewegen. Das Hin- und Herlegen in Wechselkurven geht im Vergleich zur Rocket von alleine, mit der Folge allerdings, dass sie in Kurven aktiv auf der anvisierten Linie geführt werden muss. Die Rocket, deren Radstand 84 mm länger ist und die über einen flacheren – wenn auch gleich breiten – Hinterreifen verfügt, ist dagegen auf der stabilen Seite. Sie lässt sich zwar auch ohne Anstrengung in Schräglage bringen, doch für schnelle Wechsel braucht sie deutlich Nachdruck. Zudem erfordert sie für dieselben Radien mehr Schräglage. Als Fahrer ist man in beiden Bikes top integriert. Beide Sättel halten einen zuverlässig in Position und auch Lenker und Hebel passen.

Brembo Stylema

Und schliesslich verfügen beide an der Front über Doppelscheibenbremsen mit den Top-Bremssätteln von Brembo namens Stylema. Sie bieten einen klaren Druckpunkt, lassen sich gut dosieren und beissen bei Bedarf kräftig zu. Dass, besonders beim heftigen Verzögern, die 80 Extra-Kilo der Triumph am deutlichsten auffallen, ist klar. Als Sicherheitsreserve gibt es hier wie da ein ABS, das erwartungsgemäss (wie die Traktionskontrolle) schräglagensensibel reagiert.

Fazit

Beide Muscle Bikes haben sich zeitgemäss weiterentwickelt — sind aber ihren Wurzeln treu geblieben. Echte Konkurrentinnen waren sie ohnehin nie — viel zu verschieden sind sie dafür. Aber sie sind zwei gelungene Vertreterinnen einer exotischen und erhaltenswürdigen Motorradspezies.

 

 

Triumph Rocket 3 R Black / GT Triple Black

 

Review overview