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Ethanol B-King

Die Urknall Theorie und die Geburt eines schwarzen PS-Monsters, das Abfall in Fahrfreude transformiert.

Die CERN-Forscher in Genf haben es getan. Am 10. 9. mit dem Start einer gigantischen Maschine von 27 km Durchmesser. Ein neues Kapitel in der Erforschung des Universums.Auch TÖFF hat am 10. 9. ein spannendes Experiment gestartet: mit dieser Suzuki B-King. Man sieht’s ihr nicht an, aber sie könnte die Motorradwelt verändern. Eine Idee, die in der TÖFF-Redaktion ihren Anfang nahm, wurde Realität. Voilà: der erste 184-PS-Bolide der Schweiz, der mit Abfällen fährt (Kasten S. 25 und 26).Pfäffikon, Rapperswil, Sattelegg und zurück. Die TÖFF-Bio-King, wie wir sie tauften, ist ein Ethanol-Motorrad, das umweltfreundlich ins 21. Jahrhundert beschleunigt. Ein Muskelprotz im Alkoholrausch. 10,3 l Hochprozentigen gönnte sich die Bio-King auf 132 km. Die Polizei hat nichts dagegen. Denn das Alko-Bike setzte über 75% weniger fossiles CO2 frei.

 

Der Stein des Anstosses

Töffvergnügen wird heute von vielen gleichgesetzt mit Krawall und Raserei. Wie facettenreich, unvergleichlich schön, ja sogar bildend das Hobby Motorrad ist, davon haben diese Leute keinen Schimmer. Wenn man das Gespräch in diese Richtung lenkt, zum Beispiel so: «… sind Sie schon einmal durch die Sahara gefahren? (…) Was das damit zu tun hat? Ich vier Mal. Auf einem Töff! Das beweist doch – ein Motorrad bietet die Gelegenheit, an höheren Zielen zu arbeiten, denn es kann durch ein Weichsandfeld nur in Harmonie zwischen Körper und Geist bewegt werden.»Spätestens jetzt wird die Diskussion mit Umwelt-Argumenten weitergeführt …, wider besseres Wissen. Fakt ist: Die meisten Töff konsumieren im Schnitt deutlich weniger Benzin als ein PW der Golf-Klasse. Fakt ist auch: Egal, ob Rennstrecke, Afrika-Reise oder erbauliche Pässetour – Motorradfahrer sind der Natur viel näher als Autofahrer. Viele Persönlichkeiten wissen das zu schätzen. Zum Beispiel Eskil Suter. Eine anerkannte Technik-Koryphäe. Oder Fritz Egli. Seine roten Renner sind längst Legende. Oder der bekannte Stefan Klapproth, 10vor10-Moderator, er erkundete die USA auf einem Trike.Auch Roland Müntener, Chef von Suzuki Schweiz, ist so einer, dem die platte Anti-Töff-Gesinnung langsam stinkt. Und er ist ein Macher. Einer, der mit beiden Beinen fest im Leben steht.

 

Wie alles begann

Er hat sich die seltsamen Ideen des TÖFF-Redaktors geduldig angehört. Das Argument, dass ein Schweizer Bioethanol-Töff bis zu 70 Prozent weniger CO2 ausstossen könnte als ein konventioneller, hat Müntener beeindruckt. Und siehe da, es war gar nicht so abwegig, einen Serien-Töff in Eigenregie auf umweltfreundliches Bioethanol umzurüsten. Das war im März. Nun ist die Bio-King Realität. Ein Beispiel zeigt, was die Schweizer Töff-Branche drauf hat:Entschlossenheit und Innovation!Müntener: «Mit der E85 Bio-King lanciert Suzuki zusammen mit TÖFF einen neuen Weg – eine Initialzündung zu neuem Denken: Spass am Umweltschutz statt lustfeindlichem Öko-Terror. Die Bio-King – ein Kontrapunkt. Das Ziel klar: Den Weg für Motorräder auf dem nationalen Markt zu bereiten, welche wahlweise mit Benzin und E85 betrieben werden können. Die Schweiz ist das einzige europäische Land, das Agraralkohol nicht aus Lebensmitteln gewinnt. E85 wird nur aus pflanzlichen Abfällen hergestellt. Das ist einzigartig und verlangt nach einzigartigen Antworten – auch und gerade von der Motorradszene. Das ist unsere Überzeugung – nicht nur, weil einige uns die Runden auf Rennstrecken und selbst die erbauliche Pässefahrt mies machen. Mir liegt Mutter Erde genauso am Herzen wie jedem anderen Schweizer.»Urknall: Flexi-

 

Fuel-Motorräder

Das Experimental-Bike TÖFF-Bio-King könnte also zum Urknall einer ganz neuen Motorrad-Generation werden: Den sogenannten Flexi-Fuels. Motoren, die sowohl Benzin als auch Bioethanol in pure Fahrfreude umsetzen. Wenn es sein muss, auch mit 200 PS. Denn Ethanol (110 Oktan) verbrennt langsamer als Benzin und mit höherer Temperatur. Deshalb könnte die Motorleistung eines perfekt auf Bioethanol adaptierten Motors zirka 20 Prozent höher sein als die eines vergleichbaren Benzin-getriebenen. Zukunftsmusik. Denn wie auch bei der TÖFF-Bio-King praktiziert, werden bisher lediglich vorhandene Benzinmotoren an den Alkohol gewöhnt. Auch unsere Experimental-Sugi funktioniert bis jetzt mit E85 ausschliesslich im leistungsreduzierten B-Mapping. Also nicht mit voller Leistung. Und trotz Mehrverbrauch kann sich das Ergebnis sehen lassen. So kostete uns die 132-km-Runde mit der Bio-King trotz 0,8 Liter Mehrverbrauch exakt zwei Franken weniger als mit der konventionellen B-King, die ebenfalls im B-Modus bewegt wurde. Imposant: Die Bio-King setzte beim 132-km-Test statt 14 250 nur 3627,27 Liter fossiles CO2 frei.Was bei TÖFF den Anfang nahm, soll perfektioniert werden. Jetzt steht arbeitsintensives Feintuning an. Stunden auf Leistungsprüfständen, bei Abgasmessungen. TÖFF wird weiter berichten. Schliesslich soll die TÖFF-Bio-King bald mit vollen 184 PS umweltfreundlich auf Messen und Events die Muskeln spielen lassen. Es geht um die Zukunft. Und um Geld. Die Schweizer IG BioEthanol setzt sich dieser Tage mit dem Chef von Suzuki Schweiz zusammen. Weitere Sponsoren sind willkommen.

Bio-King: Die EMPA zur CO2-Bilanz von E85Marcel Gauch, Projektmanager der EMPA (Schweizerische Materialprüfungs- und Forschungsanstalt), im Interview mit TÖFF:

TÖFF: Schonen Biotreibstoffe wie E85 die Umwelt?Gauch: 2007 hat die EMPA an einer Schweizer Studie zur Ökobilanz von Biotreibstoffen mitgearbeitet. Die Ergebnisse zeigen, dass sich Treibhausgas-Reduktionen von mehr als 30% mit einer ganzen Reihe von Biotreibstoffen erzielen lassen. Die zentrale Erkenntnis ist, dass bei Biofuels der Grossteil der Umweltbelastungen durch den landwirtschaftlichen Anbau verursacht wird.

Wie umweltfreundlich ist Schweizer Bioethanol und warum ist die Umweltbilanz dieser Treibstoffe besser?Alle Biotreibstoffe aus Holzabfällen haben eine ziemlich gute CO2-Bilanz. Die Bioenergie aus Abfällen und organisch belasteten Abwässern sind wie «der Fünfer und das Weggli»: Die müssten sowieso behandelt werden. Sinnvoll genutzt, können die anorganischen Nährstoffe wie auch die humusbildenden organischen Verbindungen wieder in den natürlichen Kreislauf zurück. Während gleichzeitig die Sonnenenergie, welche in den abbaubaren Verbindungen gespeichert ist, nutzbar gemacht werden kann. Auf diese Weise gewinnen wir nicht nur erneuerbare Energie, sondern sparen auch Energie und Umweltbelastung ein, die zur Herstellung von Mineraldünger gebraucht würden.

Die Bio-King konsumierte etwa 0,8 l mehr. Warum?Die Verwendung von Ethanol steigert eigentlich den Wirkungsgrad des Motors und sollte folglich zu geringerem Verbrauch führen. CO2-Reduktionen von 80% sind denkbar, 50% realistisch, da alleOttomotoren, die derzeit auf dem Markt sind, für die Verbrennung von Benzin konzipiert wurden.

Wie hoch ist die CO2-Reduktion der E85 Bio-King?Die Bio-King verbrauchte 10,34 l E85 auf 132,5 km. Es wurden 7 kg fossiles CO2 freigesetzt. Die B-King konsumierte 9,29 l Bleifrei 95 auf der selben Strecke. Emittiert wurden dabei 27,5 kg fossiles CO2. Eine CO2-Ersparnis von fast 75%.Ein extrem gutes Ergebnis für die TÖFF-Bio-King, das sich nur so erklären lässt, dass die PS-starken Motoren extrem wenig gefordert wurden. Im Volllastbereich würde der Mehrverbrauch der E85 Bio-King eklatanter ausfallen und die CO2-Ersparnis sich auf 50 bis 70% einpendeln.

 

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