Jeremy Seewer redet im Interview Klartext

Jeremy Seewer hat die Saison im MXGP mit Quereinsteiger Ducati gut begonnen und Podestplätze eingefahren. Dennoch fehlt auf gewissen Pisten noch etwas. Im Interview erklärt Seewer die frustrierende Situation.
Die Ducati Desmo450 MX ist eine Neuentwicklung, ein Erstlingswerk der Italiener. Jeremy Seewer hat sich auf das Abenteuer eingelassen, die Ducati erstmals im MXGP auf höchstem Niveau einzusetzen. Dass es bis zum Erreichen von Topresultaten Geduld brauchen würde, war dem Schweizer bewusst. Umso überraschender war sein MXGP-Podestplatz in Frauenfeld TG. In der Schweiz hatte er das Glück des Tüchtigen auf seiner Seite, Rang 3 in Frankreich hatte sich Seewer wohl verdient.
Neuland und Entwicklung
Seither gab es wieder Tiefschläge: Die Plätze 16 und 18 in Lettland – Ducati begründete sie mit technischen Problemen – und zuletzt die Plätze 13 und 9 in Matterley Basin (GB), wo die Starts – bisher immer die Stärke der Ducati – zum Problem wurden. Das wirft Fragen auf, die uns Seewer bei seiner Verschnaufpause in der Schweiz im Interview beantwortete.
moto.ch: In Lettland waren deine Resultate enttäuschend, doch Ducati hat die Schuld dafür auf sich genommen. Was war passiert?
Jeremy Seewer: Es hatte in Lauf 1 geregnet und der nasse Sand verklebte den Kühler, weshalb wir mit der Überhitzung des Motors zu kämpfen hatten. Die Situation war Neuland für Ducati. Rennen 2 war mit Rang 10 ganz okay, ich wollte schon um Position 9 kämpfen, machte dann aber einen kleinen Fehler, der Motor ging aus und liess sich 40 Sekunden nicht mehr starten.
In England bist du nur knapp in die Top-10 gekommen und die Starts haben nicht wie gewohnt geklappt. Was ist passiert?
In England war die Piste in schlechtem Zustand und sehr trocken. Es gab nur eine schnelle Linie, überholen war schwierig: In Rennen 2 gab es in den Top-10 kein einziges Überholmanöver. Mit guten Starts hätte ich mit demselben Speed zweimal Sechster werden können, doch sie gelangen nicht optimal. Der Grund dafür ist, dass wir neue Motorenteile für mehr Leistung bekommen haben. Das hilft uns, auf der Strecke konkurrenzfähiger zu sein. Für den Start ist die Abstimmung aber noch etwas zu aggressiv. Da haben wir noch nicht die optimale Lösung gefunden.

Seewer erklärt im Interview, wieso es in England nicht weiter nach vorn reichte und meint: „Es hätten auch zwei sechste Plätze werden können.“
Was gilt es da noch anzupassen?
Im Starttraining werden wir mit anderen Übersetzungen und an der Kupplung arbeiten. Je dicker die Kupplungsbremsbeläge sind, desto aggressiver greift die Kupplung. Die Federstärke ist auch entscheidend.
Arbeitet ihr mit einer hydraulisch betätigten Kupplung? Und wie sieht es mit der Traktionskontrolle aus?
Seit 2019 fahre ich mit hydraulischer Kupplung und die funktioniert einwandfrei. Wenn sie beim Start gut funktioniert, hat man nur Vorteile, denn die Kupplung stellt sich automatisch nach, sodass sie bei Problemen nicht zu schleifen beginnt. Einige Fahrer verwenden eine Traktionskontrolle, doch ich passe mich lieber selbst an die Gegebenheiten an.
In Frauenfeld hattest du Probleme am Heck bzw. mit der Geometrie angesprochen. Sind die gelöst?
Nein, von Chassis, Rahmen und Heck her passt es noch nicht ganz. Der Töff ist zu hecklastig und so kann ich nicht zu 100 Prozent meinen runden Fahrstil nutzen. Wir arbeiten an diversen Kleinigkeiten, haben aber das Entscheidende nicht gefunden. Ducati gibt sich Zeit, um nicht einen Fehlgriff zu machen. Ich hatte aber erwartet, dass wir auf den Rahmen mehr Einfluss nehmen könnten. Vielleicht ist man da zu stolz, einen Schritt zurückzugehen. Irgendwie habe ich ja Verständnis, doch ich gebe alles, um möglichst gut zu fahren und gute Resultate zu bringen.
In Frankreich bist du aber nochmals aufs Podest gefahren. Dort hat es also gepasst?
Wenn der Boden so tief, technisch und griffig wie in der Schweiz und in Frankreich ist, geht es besser. Ist es aber trocken und rutschig, haben wir Probleme.
Du hast vor Saisonbeginn in unserem Interview eingeräumt, dass es für gute Ergebnisse Geduld brauchen wird. Läuft es noch nach deinen Erwartungen?
Ja und Nein. Ich dachte, wenn es nicht so gut läuft, würde es dennoch für Rang 8 reichen. Aber die Zeiten ändern sich; das Feld ist extrem breit. Die ersten Drei sind etwas stärker, aber vom 4. bis zum 14. Platz ist alles extrem eng beieinander.

Auf Kinderkrankheiten war Jeremy Seewer vorbereitet, erzählt im Interview aber, dass er hoffte, mehr Einfluss auf die Rahmengeometrie nehmen könne.
Ich habe erwartet, dass wir Probleme haben werden. Einen Töff von Null auf zu entwickeln, ist nicht einfach, speziell, wenn man wie Ducati seinen eigenen Weg geht und nicht einfach kopiert. Ich hatte aber erwartet, dass wir im März eine Lösung für Probleme, die ich im November genannt hatte, haben würden. Bis jetzt haben wir da aber keine Lösung. Ich kann das nicht beeinflussen, es ist nicht mein Job, aber es ist frustrierend.
Wie geht es weiter bis zum nächsten MXGP in Finnland Mitte Juli?
Bis Ende Juni bleibe ich noch in der Schweiz und lade meine Batterien. Dann geht es wieder nach Belgien zum Trainieren, damit ich von meiner Seite auf 100 % bin. Ich konzentriere mich auf meinen Job und hoffe, dass das andere dann auch kommt.