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Husqvarna Norden 901 im Test – die fast perfekte Abenteuer-Reise-Enduro

Husqvarna Norden 901 Test

Mit der Norden 901 lanciert Husqvarna die erste «echte» Reise-Enduro in der doch schon langen Firmengeschichte. Wir konnten das Abenteuer-Bike mit österreichischen Wurzeln auf den Azoren bereits testen und sind fast durchweg begeistert.

Spricht man das Norden im Modellnamen nicht auf Englisch, sondern auf Deutsch aus, hat man auch gleich die Übersetzung aus dem Schwedischen gemeistert. Das 901 bezieht sich dann noch auf die Motorgrösse. Obwohl der Twin keine 900, sondern deren 889 ccm Hubraum liefert und ein alter Bekannter ist. Das macht den Flüssigkeitsgekühlten Reihenzweizylinder aber nicht minder hervorragend. Denn auch beim Test der Husqvarna Norden 901 konnte das Aggregat, das wir bereits von der Schwestermarke KTM kennen, absolut überzeugen.

 

Die Grandiosität dieses Motors liegt dabei aus meiner Sicht in der Kombination aus sattem Drehmoment auch schon bei relativ niedrigen Drehzahlen und gleichzeitig enormer Drehfreude. Zieht man am Gas dreht dieser Twin absolut leichtfüssig hoch und gibt mir so schlussendlich das Gefühl, mehr Power als die angegebenen 105 PS bei 8000/min und 100 Nm Drehmoment bei 7000/min zu generieren.

 

Husqvarna Norden 901 Test

Mit 105 PS und 100 Nm Drehmoment bietet die Huski auf der Strasse immer genug Leistung.

 

Mit diesen Leistungswerten bei einem fahrfertigen Gewicht von um die 220 kg – Husqvarna gibt nur das Nassgewicht ohne Benzin mit 204 kg an – haben die Austria-Schweden für meinen Geschmack denn auch den Bereich getroffen, den ich für den (legalen) Einsatz auf öffentlichen Strassen mittlerweile als ideal erachte. So habe ich auch beim Überholen bergauf nie das Gefühl, zu wenig Leistung zu haben, muss aber auch nicht den Preis – finanziell und in Sachen Gewicht – für ein 160-PS-Aggregat bezahlen.

Komfort ist König

Motorenseitig hat Husqvarna – sofern man dies nach einem ersten Test mit zwei Fahrtagen beurteilen kann – also alles richtig gemacht, doch wie sieht’s beim Fahrwerk aus? Gefedert wird die Husqvarna Norden 901 von einer in der Ein- und Auswärtsdämpfung einstellbaren WP-USD-Gabel mit 220 mm Federweg. Am Heck gibt die Abenteuer-Enduro 215 mm Federweg frei, wobei das Federbein per Handrad in der Vorspannung sowie in der Auswärtsdämpfung eingestellt werden kann.

 

Im Basis-Setup ist die Norden dabei auf Komfort und Grip, also ziemlich weich, ausgelegt. Sie gibt sich dabei deutlich komfortabler als ihre orange Schwester, was übrigens auch der einzige Quervergleich ist, den ich quasi aus der Ferne ziehen kann und möchte.

 

Ob eine komfortablere Fahrwerksauslegung mit niedrigeren Federraten nun etwas Gutes oder Schlechtes ist, liegt natürlich im Auge des Betrachters. Aus meiner Sicht war es für die Norden 901 aber die absolut richtige Entscheidung. Denn die Huski ist so auch auf schlechten Strassen sehr komfortabel. Zudem taucht sie bei der zügigen Strassenfahrt weder auf der Bremse noch am Gas zu stark ein. Und wer doch etwas weniger Bewegung im Fahrwerk möchte, dreht die Dämpfung etwas zu.

Zugänglicher Offroader

Auch im Offroad passt die softere Fahrwerksabstimmung aus meiner Sicht gut. Auf Schotterstrassen bietet die Husqvarna viel Grip und Vertrauen, so dass sich auch weniger Offroad-Erfahrene problemlos abseits gepflasterter Pfade wagen können.

 

Husqvarna Norden 901 Test

Nicht nur Profis kommen mit der Norden 901 im Gelände zurecht.

 

Bei höheren Tempi und grösseren Einschlägen – bei unserem Test vor allem aufgrund von tiefen Auswaschungen durch starken Regen an den Vortagen – schlägt die Gabel dann schonmal durch. Aber das wird für die meisten Kunden der Norden kaum ein Problem sein, richtet sie sich doch eher an Piloten, die zwar gerne auch abseits befestigter Strassen neue Gegenden Erkunden, denen es aber nicht darum geht, mit Mach-10 durch die Wüste zu schiessen.

 

Und für den Einsatzzweck macht die Norden 901 aus meiner Sicht sehr vieles sehr richtig. Durch ihre relativ niedrige Sitzhöhe – die kann übrigens eingestellt werden –, das im Verhältnis relativ niedrige Gewicht, die gute Ergonomie im Stehen, die vorhersehbare Gasannahme und nicht zuletzt auch die ausgeklügelte Elektronik ist die Norden 901 auch Offroad ein sehr zugängliches Motorrad. Und wer es fliegen lassen will, kann auch das – natürlich in einem gewissen Rahmen.

Auf der Strasse top, sofern…

Auch auf asphaltierten Strassen mit gutem Belag macht die Norden viel Spass – sofern man einen wichtigen Punkt beachtet: die Hinterradbremse. Denn obwohl sich die Husqvarna äusserst Agil gibt und auch die relativ grobstolligen Pirelli Scorpion Rally Reifen auf der Strasse einen schon fast beängstigend guten Job machen, kämpft die Huski auf der Vorderbremse mit einem relativ ausgeprägten Aufstellmoment.

 

Was man dagegen tun kann? Hinten mitbremsen. Hat man das verinnerlicht, lässt sich’s trotz Mischbereifung und langen, komfortabel abgestimmten Federelementen auch bei höheren Strassen-Tempi einen Riesenspass haben. Dazu trägt übrigens auch der hervorragende serienmässige Blipper zum kupplungsfreien Hoch- und Runterschalten bei. Es macht einfach Spass die Gänge durchzuzappen, wenn ein Blipper so gut funktioniert wie dieser.

 

Husqvarna Norden 901 Test

Trotz grossem 21-Zoll-Vorderrad hat die Husqvarna Norden 901 im Test viel Agilität bewiesen.

Elektronik: Top und Flop

Kommen wir nun noch zur Elektronik. Die Husqvarna Norden 901 kommt standardmässig mit einer IMU und dadurch schräglagenabhängigen Assistenzsystemen wie Traktionskontrolle, Kurven-ABS oder Motorschleppmomentregelung. Die Stufen dieser sind in den drei standardmässigen Fahrmodi Rain, Road und Offroad hinterlegt, wobei beim ABS abgesehen davon zwischen Street und Offroad gewählt werden kann respektive muss.

 

Denn, dass das ABS – im Offroadmodus ist dieses am Hinterrad deaktiviert und agiert auch vorne etwas zurückhaltender, was für die nötige Bremsleistung abseits der Strasse elementar ist – nicht im Fahrmodus hinterlegt ist, ist einer meiner wenigen Kritikpunkte an der ansonsten sehr gelungenen Norden 901. Und zwar weil das bedeutet, dass ich beim Wechsel von Strasse zu Offroad nicht nur eine, sondern gleich zwei Einstellungen anpassen muss, ohne dass ich irgendeinen Vorteil daraus ziehen könnte. Aus meiner Sicht müsste das ABS standardmässig an den Fahrmodus gekoppelt sein, mit der Option, es manuell umzustellen.

 

Reiseenduro Offroad

 

Auch diejenigen, die im Offroad gerne komplett auf die Traktionskontrolle verzichten möchten, werden sich an das Husqvarna-System gewöhnen müssen: Die Traktionskontrolle schaltet sich bei jedem Starten des Motorrads automatisch ein. Also selbst wenn ich bei eingeschalteter Zündung die Traktionskontrolle ausschalte, ist sie nach dem Start wieder aktiv. Klar, das ist ein Sicherheitsfeature, aber eins, das sich für mich eher nach Bevormundung als nach Unterstützung anfühlt. Diesem «Problem» kann indes mit dem optionalen Explorer-Modus Abhilfe geschafft werden. Denn darin kann über die Pfeiltasten an der linken Armatur die Traktionskontrolle in neun Stufen eingestellt werden, wobei die niedrigen Stufen doch schon sehr viel Schlupf zulassen, was ein komplettes Ausschalten der TC dann eigentlich überflüssig macht.

 

Und trotzdem nerven mich diese zwei Designentscheidungen: Denn die Assistenzsysteme machen einen hervorragenden Job, bieten viel Sicherheit und helfen auch weniger versierten Piloten schwierige Abschnitte problemlos zu meistern, da ist es schade, dass sie rein wegen der Einstellungs-Thematik einen negativen Beigeschmack erhalten.

Einfach schön – und gut!

Nach dem letzten Abschnitt könnte man nun auf die Idee kommen, dass ich die Husqvarna Norden 901 nach dem ersten Test nicht mögen könnte. Und man läge damit absolut falsch. Ehrlicherweise würde ich mir diese Maschine sogar sehr gerne in meine Garage stellen. Denn egal, wie sehr mich die ABS-Einstellungs-Thematik nervt, die Husqvarna Norden 901 ist in Bezug darauf, was für mich bei einem Motorrad wirklich zählt – das Fahren – schlicht grandios. Sie bietet ein riesiges Einsatzspektrum und macht in allen Disziplinen eine hervorragende Figur. Und sie ist in meinen Augen schlicht wunderschön, wobei das natürlich absolute Ansichtssache ist.

 

«Na und wie viel kostet das Ding jetzt?» Das wüsste ich auch gerne, doch Husqvarna will sich noch nicht festlegen, die Preise sollen aber in den nächsten Wochen folgen.

 

Wasserdurchfahrt Motorrad

Mit der Norden 901 hat Husqvarna ein hervorragendes Adventure-Bike gebaut.

 

Mehr Infos gibt’s auch unter husqvarna-motorcycles.com.

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