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Tadschikistan und Kirgistan

Berge beinahe doppelt so hoch wie unsere Alpen, Seen auf über 4000 Metern und Pässe, die höher sind als die Dufourspitze – der Pamir ist durchweg atemberaubend.

Ich durfte in meinem Leben bereits sehr viel von der Welt sehen, aber mit der Enduro über das Pamir-Hochgebirge brettern, war auch für mich eine ganz neue Kategorie und – vorne weg – eine tolle Erfahrung. Ich war bis vor dieser Reise noch kaum mehr als ein bis zwei Stunden am Stück auf Schotter gefahren und schon gar nicht auf über 4000 Metern über Meer zwischen Afghanistan und China.

 

MuzToo, unser Reiseveranstalter, gewährte uns zu Beginn unseres Abenteuers in Osh einen Aufenthalt im komfortablen und zentral gelegenen Hotel Classic, vor welchem wir uns am Mittag des ersten Tages in entsprechender Montur zum Motorradfassen wiederfanden. Unser Schweizer Guide Patrik, der mit seiner Familie bereits mehrere Jahre in Kirgistan lebt, reichte mir einen Schlüssel und wies mich an, ihm mit dem zweiten Fahrzeug und einer Ladung Mitstreiter zu seinem Stützpunkt zu folgen. Dort angekommen, waren die Motorräder dann schnell verteilt. Bis auf wenige Ausnahmen meist Yamaha XT 600. Bereits auf der Jungfernfahrt zurück zum Hotel machten wir dann Bekanntschaft mit einer gröberen Schotterpiste und Strassen, die seit der Sowjetzeit unangetastet darniederlagen, wodurch sich die Löcher darin prächtig verbreitern, vertiefen und vermehren konnten.

Achtung vor dem Hunde

Der zweite Tag zählte noch zur Eingewöhnungsphase und wir fuhren morgens in Richtung Papansee, wo wir unsere ersten Erfahrungen mit dem Terrain und allen möglichen grösseren und kleineren Tieren machten, die Kirgistans Strassen unverhofft kreuzen. Eines muss dabei gesagt sein: Die Pferde, Esel und Ziegen Kirgistans sind ein Klacks im Vergleich zu Tadschikistans Hunden.

 

Rechtzeitig zum Nationalfeiertag in der fernen Heimat gings dann definitiv los. Wir verliessen die Komfortzone und machten uns auf ins Abenteuer. Der Weg führte uns Richtung Khujand, der zweitgrössten Stadt Tadschikistans. Diese erste und mit knapp 350 km auch längste Etappe, die zudem einen Grenzübertritt in Kyzyl-Bel beinhaltete, hielt in ihrem Verlauf die eine oder andere Überraschung für uns bereit. So zum Beispiel einen sturen Zollbeamten, der unsere Weiterfahrt doch erheblich verzögerte. Den ganzen Tag über brannte die Sonne erbarmungslos auf die neue Asphaltstrasse, die sich kilometerweit durch die Landschaft zieht. Lediglich für eine Kaffeepause verliessen wir den Teerbelag und machten einen kurzen Ausritt ins Gelände. Es stellte sich heraus, dass unser Mechaniker und Geländewagenfahrer Andrey, ein russischstämmiger Kirgise, es hervorragend verstand, uns mit köstlichem Kaffee und leckerem Imbiss zu versorgen, egal wo und egal wann. Überhaupt konnte diesen Mann nichts aus der Ruhe bringen und so wechselte er während der Tour rund zehn geplatzte Reifen und behob so manchen Materialfehler mit viel Improvisationsgeschick.

 

Tag zwei hielt eine 250 Kilometer lange Etappe nach Pandschakent und damit über einen beinahe 3000 m hohen Pass für uns bereit. Die Strassen waren mit Ausnahme der üblichen Schlaglöcher insgesamt erstaunlich gut und wir fuhren durch grösstenteils menschenleeres Gebiet. Einer Schlucht folgend, in deren Tiefe sich ein tosender Bach seinen Weg bahnte, steuerten wir in Richtung Pandschakent und somit zum westlichsten Punkt unserer Reise. Die Stadt liegt unmittelbar an der usbekischen Grenze und nur rund 30 Kilometer vom berühmten Samarkand entfernt. Im Herzen des 35’000-Einwohner-Orts genossen wir in einem der kleinen Restaurants die exzellente lokale Küche, um anschliessend dem bunten Treiben auf dem Dorfplatz beizuwohnen.

Erste Offroad-Etappe

Der darauffolgende Morgen wartete mit dem Start der ersten richtigen Offroad-Etappe auf. Los gings mit einem Abstecher zu den opalblauen Seven Lakes – einer Anreihung von sieben übereinanderliegenden Seen. Der Weg dahin führt durch etliche kleine Dörfer, wo die Motorräder für lautstarke Aufregung, vor allem unter den kleinen Dorfbewohnern, sorgen. Eine Erscheinung, die sich durch das ganze Pamir-Gebiet fortwährend wiederholen sollte. Eine Gruppe von zehn vorbeibrausenden Motorrädern ist für die Menschen in diesen Tälern alles andere als üblich und so wurde unsere Ankunft stets zum Highlight im Dorfalltag. Mit grossen Augen betrachtet, wurden wir jeweils beinahe schon euphorisch begrüsst.

 

Zu den Sieben Seen führte uns eine Schotterstrasse einem Wildbach entlang in die Höhe. Ab dem dritten See zieht sich die Schotterpiste in engen Serpentinen zum jeweils nächstoberen. Bei See Nummer vier legten wir eine Pause ein, um auf rund 2100 Metern über Meer ein Bad im sehr kühlen Nass zu nehmen und den müden Körper durch Nahrungszufuhr zu stärken. Nach dem erfrischenden Bad gings dann vorerst den gleichen Weg wieder zurück Richtung Pandschakent bis runter zur Hauptstrasse, wo wir bis Sangistan mit der Schnellstrasse vorliebnahmen. Weiter führte uns der Weg auf einer anspruchsvolleren Schotterstrasse bis hoch zum See Iskanderkul, wo wir auf speziell angelegten Terrassen über dem See assen und übernachteten. Die Schönheit der Landschaft ist schlichtweg atemberaubend und macht die Strapazen jedes noch so anstrengenden Tages schnell wieder vergessen.

Tunnel des Grauens

Die nächste Tagesetappe sollte uns in die rund 250 Kilometer entfernte Hauptstadt Tadschikistans, Duschanbe, geleiten. Die Route dahin führt durch den berüchtigten, fünf Kilometer langen Ansob-Tunnel. Dieser wurde in früheren Tagen aus gutem Grunde gemieden: Er galt als einer der gefährlichsten Tunnel der Welt. Zu unserem Glück wurde der Tunnel aber 2015 fertiggestellt und verfügt nun durchgehend über einen Belag. Ansonsten bleibt die Situation allerdings gelinde ausgedrückt grenzwertig: Die Rauschschwaden der Lastwagen ersticken sämtliche Lichtquellen im Keim, sodass man, wie bei extrem dichtem Nebel, kaum die Hand vor Augen sieht. Die Weiterfahrt nach dem Tunnel runter in Richtung Duschanbe gestaltet sich schliesslich nicht minder spektakulär als die Fahrt durch die Dunkelheit. Die Passstrasse windet sich hier über unzählige Kilometer gewaltigen Felsabsprüngen entlang durch die Täler – mulmiges Gefühl inklusive.

Zehn Stunden Schotter

Auf der Etappe nach Tavildara steht pures Endurofahren auf dem Plan. Zehn Stunden lang auf Schotterstrassen und Sandpisten durch Dutzende kleinere und grössere Flüsse, vorbei an zerstörten Brücken und tiefen Felsabbrüchen – alles unter der erbarmungslos brennenden Sonne Tadschikistans. Schlussendlich kamen wir alle heil am Ziel an und jedem war der Spass ins Gesicht geschrieben, den er trotz der Strapazen auf dieser Strecke hatte.

Der Pamir-Highway

Auf gehts in Richtung des rund 320 Kilometer entfernten Chorugh. Nach etwas über 80 Kilometern trafen wir in Kalaikhum ein, das bereits zur autonomen Region Berg-Badachschan gehört. Dort bogen wir schliesslich ein auf die legendäre M41 – den eigentlichen Pamir-Highway! Mindestens ebenso spannend war die Tatsache, dass wir ab da entlang des Pandsch Flusses fuhren, welcher die Grenze zwischen Tadschikistan und Afghanistan bildet. Was für eine Etappe!

 

Kalaikhum liegt auf rund 1200 Metern über Meer und so stiegen wir – stetig dem Fluss folgend – hoch bis nach Chorugh, auf rund 2100 m. Afghanistan liegt dabei stets in greifbarer Nähe, direkt am anderen Ufer des Pandsch. So ergaben sich einige Situationen, in denen wir mit Zeichen und Rufen Kontakt zur afghanischen Bevölkerung aufnahmen.Die Weiterfahrt tags darauf war nicht minder spektakulär. Wir verliessen die relativ gut ausgebaute M41 für einen Abstecher Richtung Wakhan-Korridor, vorbei an Ishkashim, wo die letzte Brücke über den Pandsch nach Afghanistan steht. Von hier aus führt die Strasse durch den Wakhan-Korridor, der seinerzeit als Pufferzone zwischen den damaligen Grossmächten Russland und dem britischen Imperium errichtet wurde.

 

Immer weiter gehts Richtung Osten mit dem Ziel Bibi Fatima. Hier erwartet die Besucher eine heisse Quelle und eine Übernachtungsmöglichkeit auf über 3200 Metern Höhe. Die Schotterstrasse da hinauf ist geprägt von einigen Serpentinen, aber vor allem von einer atemberaubenden Aussicht auf das Wakhan-Tal mit Afghanistans 6000ern im Hintergrund. Der gerade gegenüberliegende Lunkho e Dosare ragt majestätische 6901 Meter aus dem Hindukuschmassiv. Man kommt sich ziemlich klein vor in dieser Ecke der Welt, wo unsere Alpen gleich dutzendfach untergebracht werden könnten.

Der grosse Aufstieg

Nach einem Ruhetag zur Regeneration machten wir uns mit Start in Langar auf, richtig Höhe zu gewinnen. Tagesziel war das auf 3700 Metern liegende Bulunkul. Die Strecke steigt bei wechselndem Untergrund stetig an, wobei der höchste Punkt dieser Etappe wenige Meter nach dem Kuli Khargush See auf etwas über 4300 Metern liegt. Der Kontrast dieses von weissen Rändern umgebenen tiefblauen Sees zur Landschaft ist einfach unbeschreiblich. Der zweite See heisst Ozero Chukur-Kul und ist nicht minder tiefblau, jedoch umgeben von grünen Wiesen, auf denen Esel grasen – auf knapp 4000 Metern über Meer. Ein Bild für ein Kirchengewölbe.

 

Vor uns lag jetzt nur noch eine Tagesetappe bis zum Anstieg auf den Ak-Baital, den höchsten Punkt unserer Reise. Als Basislager für die Passüberquerung am nächsten Tag diente uns Murgab. Ein – böse ausgedrückt – tristes Loch, bei dem man sich fragen muss, wie deprimierend es dort wohl im Winter aussehen möge, wobei es auf dieser Höhe durchaus auch im Sommer schneien kann. Hier empfiehlt es sich also, auf trockenes Wetter zu hoffen. Nicht nur, weil sich Schnee und Motorradfahren nicht wirklich gut verstehen, sondern auch weil die fünf Kilometer lange Lehmpiste hinter dem Ak-Baital den Abstieg bei Nässe unfreiwillig beschleunigen könnte.

 

Am 8. August machten wir uns dann auf, den höchsten Punkt des Pamir Highways zu überwinden: den auf 4655 Metern über Meer liegenden Ak-Baital-Pass. Und wie könnte es auch anders sein: Ausgerechnet an diesem Tag regnete es, wohlgemerkt zum ersten Mal seit unserer Abreise aus Osh. Also schnell die Regenkombis übergezogen und die Lehmpiste aus den Gedanken verdrängt.

Geografischer Höhepunkt

Mit mulmigem Gefühl fuhren wir also den dunklen Wolken entgegen. Zu unserem Glück liess der Regen aber bald nach und so erreichten wir rund 60 Kilometer später unversehrt den geografischen Höhepunkt unserer Reise. Voller Stolz posierten wir noch kurz für ein Gruppenfoto vor der Tafel mit der Aufschrift „Ak-Baital 4655 M“, bevor uns die Strasse weiter in Richtung des auf 3920 Metern liegenden Karakulsees führte. Die Lehmpiste war glücklicherweise trocken geblieben und so war die Fahrt ein absoluter Hochgenuss. Der Karakulsee ist umgeben von Bergen, deren weisse Gipfel nach den Wolken greifen, dort angekommen wird man von seiner Grösse und Schönheit beinahe erschlagen.

Andere Welt

Viel Zeit zum Staunen blieb uns aber nicht. Bis zum nächsten Etappenziel – Sarytash – lag noch ein ganzes Stück Strecke vor uns, inklusive Überquerung des Kyzyl-Art-Passes (4250 m) und einem Grenzübertritt zurück nach Kirgistan. Es war, als würden wir in eine andere Welt eintauchen. Wir verliessen die braun-karge Berglandschaft Tadschikistans, um uns in einer Umgebung voller grüner Wiesen, Pferden und Jurten wiederzufinden. Doch beinahe noch eindrücklicher ist das Panorama, das sich einem von Sarytash (3170 m) erschliesst.

 

Hier hat man das Pamir- Gebirge in seiner ganzen Ausdehnung mitsamt seinen 7000ern im Blick. Zur rechten Flanke hin thront der Peak Lenin – mit seinen 7134 Metern der höchste Berg der Transalai-Kette. Überragt wird er vom Peak Ismoil Somoni, der 7495 Meter in die Höhe ragt und als der zweithöchste Gipfel des Pamirs gilt.Noch spektakulärer erstreckt sich das Panorama in Richtung Osten, wo sich das Pamir-Hochgebirge in Richtung China und zum Dach der Welt in Tibet ausdehnt. Dort ruht der mächtige Kongur, mit seinen 7719 Metern Höhe blickt er auf seinen kleinen Bruder, den Muztagata (7509 m), herab. Nach einer Nacht in Sarytash folgte am nächsten Tag die letzte Teilstrecke zurück bis nach Osh, wo unsere unvergessliche Reise nach 16 Tagen und ziemlich genau 3000 Kilometern ihr Ende nahm. Text: Alain Hospental

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