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Test Metzeler Sportec M9 RR: Nasskleber

Im Strassensport-Segment gehört der Metzeler Sportec M7 RR nicht nur in der Schweiz zu den absoluten Topsellern. Was kann die brandneue Weiterentwicklung Sportec M9 RR? Test auf Strasse und Rennstrecke.

 

Hand anlegen an einem Bestseller ist immer eine heikle Sache. Genauso auch im Fall des etablierten Strassensport-Gummis Sportec M7 RR, mit dem der deutsch-italienische Hersteller Metzeler in den vergangenen sechs Jahren erfolgreich abertausende Fahrer von sportlichen Nakeds und Supersportlern bedient hat.

 

2020 ist die Zeit nun reif für ein Update… oder besser: eine Weiterentwicklung, denn der „Siebner-Sportec“ bleibt unverändert im Sortiment. Wobei Metzeler verspricht, mit dem M9 RR – das RR steht übrigens vielsagend für «Road Racing» – sämtliche relevanten Performance-Faktoren verbessert zu haben. Die da wären: Trockengrip, Beständigkeit auf der Rennstrecke, Handling bei harter Fahrweise und in der Folge schnellere Rundenzeiten. Auf der Alltagsseite wurden Laufleistung, Grip und Handling bei Nässe sowie die Agilität bis zur Minimal-Profiltiefe optimiert.

 

 

Technischer Rundumschlag

Um die besagten, hochgesteckten Ziele erreichen zu können, führte kein Weg an einer Generalüberholung der zentralen Baugruppen vorbei – also Reifenstruktur, Gummimischungen und Profil. Letzteres wurde dahingehend angepasst, dass der äusserste Bereich der Reifenschultern neu als Slick ausgeführt ist, bei zunehmender Schräglage die Kontaktfläche Gummi-Asphalt zwecks besserem Grip also grösser ausfällt. Sicher ist dies auch ein Verdienst der verkürzten Seitenwände. Gleichzeitig wurde via neuem Profil-Design freilich auch die Wasserverdrängung optimiert.

 

Bezüglich Compound setzt Metzeler beim M9 RR sowohl vorn wie hinten praktisch ausschliesslich auf den primär den Nassgrip aber auch die Aufwärmphase optimierenden Füllstoff Silica, wobei jeweils Zweizonen-Mischungen implementiert wurden. Härterer Gummi in der Laufflächenmitte, weicher Gummi an den Flanken. Wobei hinten der harte Compound im Interesse einer besseren Steifigkeit der Gesamtkonstruktion unter den weichen Flankenmischungen bis nach aussen zu den Schulten verläuft. Metzeler nennt diese Technologie «Cap & Base Dual Compound». Ein Prinzip, das auch der Überhitzung der Lauffläche vorbeugt.

 

Das Stichwort Steifigkeit bringt uns zum Karkassenaufbau. Während vom Nullgrad-Stahlgürtel nichts Neues zu vermelden ist, hat Metzeler darunter eine neue Karkasse entwickelt. Die Rayon-Cords sind steifer ausgelegt, anderseits aber weniger eng gewoben, sodass mehr Gummi zwischen die Cords einvulkanisiert werden konnte. Das Prinzip soll in der Praxis ähnlich funktionieren wie ein Federelement mit High- und Lowspeed-Dämpfung. Wird hart und sportlich gefahren, kommt die erhöhte Steifigkeit der Cords zum Tragen und bietet Stabilität sowie ein knackiges Feedback. Bei gemächlichen Alltagsfahrten soll die luftige Webestruktur der Karkasse Eigendämpfung und Komfort bieten.

 

Ab auf die Strasse

Es ist frisch frühmorgens, und es soll auf prämierten Kurvenbändern mit teilweise gezeichnetem Asphalt rund um Ronda in Andalusien bis auf knapp 1200 Meter gehen. Die rund 130 Kilometer sind also ein gutes Abbild dessen, was Alltagsfahrern begegnen dürfte.

 

 

Bereits nach wenigen Kilometern erfreut das hohe Mass an Vertrauen, das der Sportec M9 RR in Kombination mit der Kawasaki Z900 und später mit der Suzuki Katana vermittelt, was ein Indiz dafür ist, dass der Metzeler in puncto Betriebstemperatur rasch sauber funktioniert. Generell haben wir es hier eher mit einem sportlich-knackigen Reifen zu tun. Selbst auf der soft abgestimmten Kawasaki fühlt sich alles sehr direkt an, wobei dem M9 RR eine hervorragende Rückmeldung zugesprochen werden kann. Das Handling auf der Strasse bei sportlich-vernünftigem Tempo ist sehr ausgewogen – bei beiden Testbikes ein gelungener Mix aus Handling und Stabilität. Und interessant: Weder die Z900 noch die Katana stellen sich beim Bremsen in Schräglage nennenswert auf.

 

Track: Es geht ans Eingemachte

Drei trockene und eine Session mit bewässertem Asphalt stehen am Nachmittag auf dem Programm. Die Sonne scheint, es ist mild – los geht‘s! Ich schnappe mir eine S 1000 RR und wedle die Boxengasse des exklusiven «Ascari Race Resort» runter.

 

Vorweg: In der Modellbezeichnung steht «Sportec», nicht «Racetec». Der M9 RR ist also nur für gelegentliche Abstecher auf die Rennstrecke ohne grosse Pokal-Ambitionen konzipiert. Nur logisch also, dass die 207 PS der BMW bei schneller und harter Fahrweise irgendwann die Grip-Reserven des M9 RR ausschöpfen. Wenn dieser mit einem breiten Grenzbereich gesegnete Sportec aber einmal weggeht, dann tut er dies berechen- und gut kontrollierbar. Schon erstaunlich, was mit einem handelsüblichen Strassensportreifen heute alles möglich ist. Feedback? Sehr gut! Präzision? Nichts zu maulen. Mix aus Handling und Stabilität? Auch auf der Rennstrecke, wo wir übrigens vorne wie hinten 2,5 bar fahren, schön ausgewogen.

 

Wenn es regnen sollte…

Bleibt die Nass-Performance. Im Sattel der mit einem Lebendgewicht von rund 220 Kilo doch eher schweren Triumph Speed Triple RS schwinge ich mich auf den benässten Handling-Kurs und beginne langsam, Tempo und Schräglage zu steigern. Unglaublich, wieviel Grip der M9 RR bei Nässe aufzubauen imstande ist! Selbst beim bewusst-harten Ankern über Pfützen in der Bremszone lässt er sich vorn kaum in den ABS-Regelbereich bringen. Und wenn der M9 den auch hier breiten Grenzbereich erreicht, dann beginnt er leicht aufzuschwimmen – zu tänzeln, wobei der Pilot gut korrigierend eingreifen kann. Das Mass an Vertrauen, das diese Reifenpaarung bei Nässe vermittelt ist echt überraschend und damit auf höchstem Niveau.

 

 

Fazit

Mit Sicherheit wird der Sportec M9 RR die Erfolgsgeschichte des M7 RR weiterschreiben, übertrumpft er ihn doch in allen Belangen merklich. Egal, ob (nasse!) Strasse im Alltag, am Alpenpass oder am gelegentlichen Trackday – der Sportec M9 RR ist ein sicherer Wert.

 

Info: https://www.metzeler.com/de-de/home

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