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Test Triumph Speed Twin

Triumph Speed Twin

Mit der brandneuen Speed Twin lässt Triumph einen Mythos wiederauferstehen. Die Reinkarnation ist neoklassisch gekleidet, hat fahrdynamisch aber auch echte Naked-Bike Charakterzüge.

 

Neben den Scrambler-1200-Schwestern XE und XC ist die Speed Twin die wichtigste Modellneuheit von Triumph für das noch taufrische Jahr. Denn sie ist als Wiedergeburt der legendären Speed Twin von 1938 – dem ersten kommerziell erfolgreichen Bike mit Parallel-Twin – zu verstehen und soll deren Philosophie, die 2016 mit dem Neoklassik-Bestseller Street Twin in die Neuzeit überführt wurde, in eine höhere Hubraumklasse transportieren und zudem komplettieren. Sprich, die Street-Twin-Attribute prämierte Zugänglichkeit, günstiger Preis und cooles Design mit liebevoll gestalteten Details sollen in der Speed Twin durch den Faktor „sportliche Fahrdynamik eines Naked-Bikes bei Top-Komfort“ ergänzt werden.

 

Genau diese Zauberformel haben BMW (R nineT), Kawasaki (Z900RS), Yamaha (XSR 900) oder Ducati (Scrambler 1100) bereits erfolgreich umgesetzt, wobei die wichtigsten Mitbewerber der ab März 2019 in Schwarz (Fr. 13‘600.-), Rot-Schwarz und Silber-Schwarz (beide Fr. 13‘960.-) erhältlichen Speed Twin genannt wären. Triumph will mit der Neuen aber auch Street-Twin-, T120- und Thruxton-Umsteiger ansprechen. Letztere dürften sich besonders angesprochen fühlen, denn die Speed Twin basiert technisch weitgehend auf der Thruxton.

 

 

In den Details liegt die Kraft

Der Kniewinkel ist angenehm offen, der um 10 mm aufgepolsterte „Bench Seat“ geräumig, jedoch nicht unsportlich. Der breite Lenker ist genau da, wo man ihn haben will; gleiches gilt für die regulierbaren Handhebel und die eleganten Bedienelemente.

 

Schön fürs Auge und gut ablesbar geben sich die analogen Rundinstrumente mit je einem LC-Display, die von einer ansprechenden Alufassung umringt werden. Auch so strahlt die Speed Twin vom kurzen Schutzblech aus gebürstetem Alu über den charakteristisch geformten 14-,5-l-Tank mit handgezogenen Stripes und Monza-Tankdeckelverschluss, die stylische Luftfilterseitendeckel und die mattschwarzen Megaphon-Dämpfer raue Mengen Premium aus. Und diesem Glanz-Paket werden wir heute auf einer 260-km-Runde durch die schönsten Kurvenstrassen Mallorcas die Sporen geben.

 

Druck à discrétion

Allerdings ist es an diesem 16. Januar ziemlich frisch, vielerorts feucht und damit rutschig – eine echte Herausforderung für die in die Riding-Modes „Rain“, „Road“ und „Sport“ integrierte Traktionskontrolle, das hoffentlich transparent kommunizierende Fahrwerk und natürlich den Fahrer.

 

Gegenüber der Thruxton ist die Power mit 97 PS und 112 Nm Drehmoment unverändert. Allerdings wiegt die Street Twin satte 10 kg weniger (214 kg fahrfertig), und sie liefert praktisch durchs gesamte Drehzahlband über 100 Nm. Der Antritt zeigt sich entsprechend majestätisch und sorgt für viel Überholprestige. Ab 1800/min dreht die 2,5 Kilo leichtere Druckfabrik gelassen-rund vor sich hin und manifestiert ihre Lebenslust beim Aufdrehen nicht nur mit der besagten Power, sondern auch mit einer beflügelnden Drehfreude.

 

Grund zur Kritik gibt einzig das Ansprechverhalten bei tiefen Drehzahlen und damit im Stadtverkehr oder in Serpentinen. In den Modi „Road“ und „Sport“ muss man schon ein feines Händchen haben, wenn die Street Twin beim Gasanlegen nicht einen Satz nach vorn machen soll. Apropos Kennfelder: Alle Modi liefern die volle Leistung, unterscheiden sich aber hinsichtlich deren Entfaltung. „Rain“ ist klar entschärft und arbeitet sehr linear. „Sport“ ist da schon deutlich spritziger – speziell bei der Ansprache –, wobei wir uns mit dem polyvalenten „Road“-Modus klar am wohlsten fühlen. Die Traktionskontrolle verrichtet einen soliden Job und ist mit ihren sanften aber effizienten Eingriffen gerade bei prekären Bedingungen eine echte Versicherung.

 

 

Wir ziehen einen heissen Strich

Schon nach den ersten Metern wissen wir: der Speed Twin wurde ein echt bemerkenswertes, luftig-leichtes Handling einverleibt, das jenes der Thruxton klar in den Schatten stellt. Eine Gewichtsreduktion der Baugruppe Vorderrad/Bremsanlage brachte eine Verringerung der Inertialkräfte um satte 28 Prozent. Hinten führten 1,7 Kilo weniger zu einer Reduktion von sage und schreibe 41 Prozent, was das Handling steigert. Auf Seiten des Motors wurde an den Ausgleichswellen und am Kupplungskorb Material abgetragen, was wiederum die Handlichkeit steigerte. Tatsächlich hat Triumph bei der Speed Twin den perfekten Mix aus leichtem Handling – mitunter ein Verdienst des verhältnismässig „schmalen“ 160er-Reifens hinten – und Stabilität getroffen, wenngleich das Bike eher auf der agilen Seite des Spektrums anzusiedeln ist.

 

Als „okay“ werten wir die Fahrwerkskomponenten. Sie sind vorne wie hinten guter Standard und erlauben in puncto Dämpfungsvermögen und Feedback auf jeden Fall sportliches Kurvenwetzen. Für das volle Vertrauen quasi auf der letzten Rille müssten jedoch hochwertigere Federelemente her – etwa die Showa-BP-Gabel und die Öhlins-Piggy-Back-Federbeine der Thruxton R.

 

Die vordere Doppelscheiben-Bremsanlage mit radialem Geberzylinder und Brembo-Vierkolbenzangen ist in der Ansprache nicht zu giftig und entspricht der goldenen Mitte zwischen der Thruxton und der Thruxton R. Wobei die polyvalenten Speed-Twin-Stopper – und das gilt für das komplette Bike – vom Einsteiger bis zum Routinier alle erdenklichen Biker-Couleur ansprechen dürfte.

 

Fazit

Cool von aussen, drin aber richtig heiss. Die Speed Twin ist ein bildschöner und preislich durchaus fair positionierter Neoklassiker mit den fahrdynamischen Charakterzügen eines sportlichen Naked-Bikes. Für den Schweizer Markt hätten wir aber gerne auch eine R-Version mit den hochwertigen Fahrwerkskomponenten der Thruxton R.

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