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Test: Vespa Elettrica 70 km/h

Das Aufsehen war gross, als Piaggio 2019 nach 70 Jahren die erste elektrisch angetriebene Vespa brachte. In der City war die «Elettrica» top, über Land eher flop. Was kann die neue 70-km/h-Version?

 

Wenn Piaggio nach 70 Jahren erstmals eine E-Version seines Kult-Rollers bringt, dann ist das schon eine grosse Sache. So geschehen im letzten Jahr. Entsprechend waren auch wir sehr gespannt auf die «Elettrica» und haben sie unmittelbar nach Markteinführung im Juni 2019 einem Härtetest unterzogen.

 

 

Handlungsbedarf

Dabei stellte sich heraus, dass die Italienerin in der City bei anständiger Reichweite zwar gut funktioniert, über Land jedoch nicht zu empfehlen ist. Wir hielten diesen Sachverhalt folgendermassen fest: «Bei einem Fahrzeuggewicht von 130 Kilo (fahrfertig) liegen mit dem 3,5-kW-Elektromotor (4,8 PS) geradeaus nach hübschem TFT-Tacho im Power-Modus 52 km/h drin. Bergab – mit Heimweh und Rückenwind – haben wir 59 km/h aus der Elettrica herausgeholt. Und wenn es zünftig bergauf geht, fällt der Speed auch gerne mal unter die 40er-Marke.

 

Alles in allem liegt bei der Stromer-Vespa also in etwa die Performance eines «Cinquantino», also einer 50er-Vespa mit Verbrennungsmotor, vor. Wobei sich im Fahrbetrieb ein für Töfffahrer eigentümliches Phänomen einpendelt: Denn während wir uns auf dem Töff ab dem Ortsschild langweilen und ungeduldig der ‹50-aufgehoben-Tafel› entgegendürsten, verhält es sich auf der komfortablen und geräumigen Sitzbank der Elettrica (790 mm) genau umgekehrt. Ausserorts steht man peinlich berührt und ganz rechts fahrend den anderen Verkehrsteilnehmern im Weg rum, während man ab der Ortstafel wieder voll dabei ist und besten Gewissens quasi mit Vollgas durchziehen kann.»

 

 

Piaggio hat reagiert

Natürlich waren wir nicht die einzigen, die diesen Sachverhalt – wie auch das fehlende ABS und das aufgrund des Akkus zu klein geratene Helmfach – kritisiert hatten. Und so hat sich Piaggio ins Zeug gelegt und die Elettrica überarbeitet. Der E-Flitzer heisst zwar nach wie vor «Elettrica» und bleibt im Grossen und Ganzen unverändert, er verfügt jetzt aber über mehr Saft.

 

Konkret leistet der Motor neu 3,6 statt 3,5 kW (4,9 PS), der Li-Ion-Akku mit einer Kapazität von unverändert 86,4 Ah ist optimiert und verfügt über eine höhere Dauerleistung, wozu auch Eingriffe in die Software der Motorsteuerung erforderlich waren. Und schliesslich wurde die Endübersetzung verlängert. Piaggio verspricht so höhere Speeds bei gleicher Beschleunigung und vergleichbarer Akku-Ladelaufzeit von ca. vier Stunden.

 

 

Schneller und entspannter

Zur Erinnerung: 74 km Reichweite hatten wir beim Vorgängermodell aus einer Akkuladung herausgeholt (im Power-Modus bei regelmässigen Bergauffahrten und markantem Vollgasanteil). Das ist mehr als anständig. Im Eco-Modus sollen heute wie gestern gar 100 km drin liegen, freilich bei reduziertem Speed.

 

Auch die 70-km/h-Version haben wir in keiner Weise geschont: Power-Modus, hoher Vollgasanteil, viele Bergaufpassagen in der City und über Land. Zu den Speeds: In der Stadt schwimmt man locker mit und muss neu den Tacho im Auge behalten, wenn es nicht blitzen soll. Ausserorts ist das Leben auf der Elettrica ebenfalls deutlich komfortabler – solange es geradeaus oder bergab geht, wo 75 km/h drin liegen.

 

 

Am Berg können bei heftigen Steigungen 30 km/h allerdings schon auch mal das höchste der Gefühle sein, und man muss an den Strassenrand ausweichen. Hier spürt man die längere Übersetzung, wobei die Vorgängerin auch beim Ampelstart etwas druckvoller zur Sache ging.

 

Ab rund 10 Prozent Restladung wird die Leistung stark gedrosselt, und die Elettrica erreicht noch rund 40 km/h. Aber 68,2 km Reichweite können sich durchaus sehen lassen. Und als null Prozent Ladung angezeigt wurden, steckten immerhin noch rund 500 Meter im Akku.

 

Fazit

Die Vespa Elettrica ist mit der 70-km/h-Variante deutlich erwachsener geworden. Sie ist jetzt nicht mehr nur in der City gewinn- und spassbringend einsetzbar, sondern auch jenseits der Stadtgrenze, etwa für gelegentliche Besorgungen oder kurze Spazierfahrten. Der Preis von 7195 Franken bleibt stattlich; man bekommt dafür aber auch eine echte Vespa mit entsprechendem Flair.

 

 

Die Versionen

Die Elettrica wird in zwei Varianten angeboten. Einer mit 45 km/h Spitze, die mit gelbem Schild als Kleinmotorrad eingelöst wird (Fr. 6895.–), sowie das hier getestete 70-km/h-Modell. Es gilt als Töff der Kat. A1, darf ab 16 gefahren werden und muss einen Geschwindigkeitsaufkleber (70 km/h) tragen.

 

Info: www.vespa.com

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