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50-ccm-Jungs

Zehn Teenager heizen mit ihren Töff gemeinsam über die Landstrassen und beim Einbruch der Dunkelheit lassen sie es auf einem verkehrsfreien Gelände noch etwas krachen. Ein ganz normaler Freitagabend…

Der 16-jährige Dani lässt den 50-Kubik-Zweitakter seiner Beta 50 RR hochdrehen. Seine Freunde haben sich mit ihren Fünfzigern aufgereiht, um mit ihren Scheinwerfern in der schummrigen Abenddämmerung eine simple, aber wirkungsvolle Show-Atmosphäre zu schaffen. Eine würzige Ge­mischnote in der Luft umrahmt die Szene, wie sie in dieser Leichtigkeit nur Teenager zustande bringen. Dann startet Dani, das Vorderrad steigt ein bisschen, aber nicht genug. Der erste Versuch, mit einem Wheelie an den neun anderen Bikes vorbeizuziehen, scheitert. Doch halb so wild, das steigert die Spannung umso mehr!

Geordnetes Durcheinander

Während Dani wieder zu seinem Ausgangspunkt zurückkehrt, „gäseln“ die anderen schon mal im Rhythmus und heizen die Stimmung weiter auf.Der zweite Versuch: Die schwarz-weiss-rote Beta schnalzt in die Wheelielage und Dani rauscht wie ein Profi auf dem Hinterrad an seinem Publikum vorbei. Seine Freunde jubeln und bringen ihre Begeisterung über diese Motorradbeherrschung zum Ausdruck, indem sie mit einem lautstarken „Wing-wing-wing-wiiiiing“ die Reihe wieder in ein geordnetes Durcheinander verwandeln. Jetzt versuchen sich auch andere im Wheelie-Machen, doch um an Dani ranzukommen, brauchen die meisten noch etwas mehr Übung… An anderer Stelle lösen sich Teile von Hinterreifen in weissen Rauch auf, denn auch Burn­outs gehören in dieser Töff-Clique ganz klar zum gelebten und zelebrierten Zweiradvergnügen!

Jeder Franken in den Töff

„Ich stecke jeden Franken in meinen Töff“, sagt Dani, „denn für mich ist meine Beta mein Schatz!“ Und Bryan, ebenso 16 Jahre alt, meint augenzwinkernd: „Auch ich gebe zu viel Geld für mein Hobby aus.“ Bryan besitzt eine Fantic TX 180 Caballero sowie ein Sachs-503-Mofa von 1961, das er liebevoll restauriert und modifiziert hat. Ebenfalls zur Clique gehören der 16-jährige Marco und der ein Jahr ältere Tony. Marco hat sich für den Start seiner Motorradfahrerkarriere eine nagelneue Valenti Racing N01 50 Camouflage Nero zugelegt. „Mein Töff und das Töfffahren sind mir sehr wichtig – ich möchte später gerne mal eine grosse Maschine fahren.“ Marcos Traummotorrad Nummer 1 ist die Kawasaki Ninja H2R, seine Nummer 2 die Yamaha R1. Letztere ist auch Tonys Bike der Träume. „Die neueste Generation“, präzisiert er. „Ich wollte schon immer Töff fahren und so früh wie möglich damit anfangen“, sagt Tony, der aktuell mit einer Yamaha DT 50 seine ersten Erfahrungen sammelt. Auch er will mit 18 Jahren auf eine grosse Maschine umsatteln. Die KTM 690 SMC R kommt hierbei in die engere Auswahl…

Mädchen in der Unterzahl

Mädchen sind in der Töff-Clique klar in der Unterzahl. Tony meint: „Ein paar Mädchen fahren schon, aber 50ccm ist nicht typisch für sie.“ Beim Oberstufenschulhaus, wo die Teenager zum gemütlichen Ausklang des Abends hindüsen, treffen sie auf andere Jugendliche. Darunter Laura, die ihre Töffkarriere auch gerade begonnen hat – mit einer Aprilia RS4 50. Der Mini-Supersportler, welcher der grossen Schwester RSV4 wie aus dem Gesicht geschnitten ist, ist Lauras ganzer Stolz und so steht er denn im nächtlichen Schein der Natriumdampflampe auch blitzsauber glänzend da! Die optische Makellosigkeit der Bikes ist hier letztlich aber zweitrangig. Einige der Jungs sind denn auch mit Occasionen unterwegs, die schon ihre Gebrauchs­spuren aufweisen… Egal! Den Töff-Novizen aus dem Zürcher Unterland geht es in erster Linie ums gemeinsame Angasen und ums Fachsimpeln bei Benzin- bzw. Zweitaktgesprächen. Tony verdeutlicht: „Wir können über mehrere Stunden über Bikes sprechen.

Unabhängigkeit

„Das „Mechen“ am eigenen Töff oder dem der Kollegen gehört für einige der Clique ebenso dazu. Dani beispielsweise, der eine Lehre als Fachmann Betriebsunterhalt absolviert, ist schon sehr versiert darin. Auch diesen Winter nutzt er wieder, um an der Beta zu arbeiten. Sie soll eine neue Lackierung bekommen. Um trotzdem nicht auf den öffentlichen Verkehr angewiesen zu sein, hat er sich extra einen Roller zugelegt. Unabhängigkeit ist auch bei seinen Freunden ein weiterer Faktor, warum sie sich für motorisierte Zweiräder begeistern. Hinzufahren, wohin und wann sie wollen, bedeutet ihnen viel. Tony betont: „Ich fahre überhaupt nicht gern ÖV. Für das Geld, das ich für ein Ticket brauche, tanke ich lieber und ich komme damit erst noch weiter!

Kein elterlicher Widerstand

„Widerstand von elterlicher Seite ist bei den Teenagern kein grosses Thema, im Gegenteil. Einige wie etwa Bryan, Dani oder Tony wurden sogar von ihren Eltern, die Motorrad fahren oder einst gefahren sind, inspiriert. Nur von Anwohnern gebe es ab und an Reklamationen, gestehen sie. Tja, nicht jeder kann sich grinsend an seine eigenen (jugendlichen) Töffabenteuer zurückerinnern, wenn die Töff-Clique mal wieder in einer sommerlichen Freitagnacht über die umliegenden Hügel saust und dabei mit ihrem weithin zu hörenden „wiiiiiing-wiiiiiiiiiing-­wiiiiiiiiiing“ klarmacht: „Der Töff-Nachwuchs ist da!“

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