Die neue Harley-Davidson Nightster – die Nachfolgerin der klassischen Sportster – rockt. Der 90 PS starke, sportlich drehende V2 mit 975 ccm Hubraum, das Fahrwerk sowie die Ergonomie machen Laune!

Harley-Davidson Nightster heisst die neue, 30 Kilo leichtere, dynamische, handliche und dennoch authentische Nachfolgerin der ursprünglichen Sportster. Der Sportster, die in Europa aufgrund der neu eingeführten Euro5-Abgasbestimmungen seit 2021 nicht mehr angeboten wird. Richtig: 2021 präsentierten die Amis die brandneue Sportster S mit dem Revolution Max 1250T-Motor. Und zwar als Top-of-the-Line-Bike. Nach dem Motto: Mehr Sportster geht in absehbarer Zeit nicht. Und tatsächlich: Mit ihrer Power und ihren Looks beeindruckte sie auf Anhieb.

Was in diesem Moment zu fehlen schien, und tatsächlich auch fehlte, war eine echte Nachfolgerin für die bisherigen Modelle Sportster 1200 und Sportster 883 – die klassischen Einsteiger-Bikes der Motor Company aus Milwaukee. Eine solche ist jetzt zurück, wobei wir auch das gleich wieder relativieren.

Gute Performance, aber nicht günstig

Die neue Harley-Davidson Nightster gibt es in der Schweiz ab Mai ab 15’700 Franken in Schwarz. In den beiden anderen Farben, Rot und Grau, kostet sie 300 Franken mehr, also 16’000. Verglichen mit der früheren Sportster 1200, die zuletzt – je nach Ausführung – um 12’000/13’000 Franken kostete, ist das ein deutlicher Anstieg. Dafür aber erhält man ein Motorrad, das sich wieder ähnlich anfühlt und eine Silhouette bietet wie die frühere Sportster, sich aber bei der Performance in einer völlig neuen Liga befindet. Einmal mehr – wie schon bei der Sportster S – halten die Verantwortlichen von Harley-Davidson Wort, wenn sie sagen: Ziel war es, den Sport zurück in die Sportster-Familie zu bringen.

Halrey-Davidson Nightster: Echtes Sportster-Feeling

Wer auf die neue Nightster sitzt, wird sich auf Anhieb zu Hause fühlen. Der Fahrersattel befindet sich tiefe 700 mm über dem Asphalt, beide Füsse stehen auch bei nicht allzu grossen Zeitgenossen platt am Boden. Um den Lenker zu erreichen, beugt man sich leicht nach vorn. Der Lenker weist übrigens eine angenehm-taugliche Breite und eine konventionelle Form auf. Selbst das Aufrichten vom Seitenständer erfolgt in gewohnter Manier, doch braucht es für den Ruck etwas weniger Kraft. Denn die 30 Kilo weniger (221 kg fahrfertig vs. über 250 kg) sind deutlich spürbar. Ausserdem ist die Gewichtsverteilung eine andere. Der Tank (11,7 Liter) liegt nämlich neu unter dem Sattel. Zum Tanken wird der Sattel hochgeklappt. Das, was nach einem echten Tank aussieht, ist lediglich eine Hülle, wenn auch aus echtem Blech. Darunter befindet sich die Airbox. Die Füsse schliesslich ruhen auf mittig angeordneten Fussrasten, wobei sich diese Mitte verglichen mit Naked-Bikes anderer Marken immer noch weit vorn befindet. Insgesamt eine ganz sportster-typische Ergonomie also.

9500 Umdrehungen und heiserer Sound

Ganz neu dagegen ist die gesamte Performance. Der Revolution Max 975 T ist eine Ableitung des aus der Pan America und der Sportster S bekannten Revolution Max mit 1250 ccm Hubraum. Die wesentlichen Änderungen zum 1250T der Sportster S sind: Bohrung und Hub sind kleiner (97×66 mm vs. 105×72,3 mm), Einzelzündkerze statt zwei Zündkerzen, variable Ventilsteuerung nur beim Einlass statt bei Ein- und Auslass. Der 975er liefert maximal 90 PS bei 7500/min, und damit in einem Bereich, den man früher auf Sportstern nie erreichte. Dabei dreht der Twin so munter und willig hoch, dass es unter sportlich-fahraktiven Gesichtspunkten eine wahre Freude ist! Ausserdem begleitet von einem superheiseren Sound, der beim satten Gasgeben besonders eindrücklich ausfällt. Dabei aber nie zu aufdringlich oder laut. Das homologierte Standgeräusch liegt bei allgemeinverträglichen 90 dB.

Heizen im Kurvengewühl

Im Hinterland von Girona, wo man Strassen mit 1000 Kurven findet – ergänzt von der ebenso kurvigen Küstenstrasse – haben wir die neue Harley-Davidson Nightster auf Herz und Nieren testen können. Und dabei haben wir festgestellt, dass Kurvenheizen eine absolute neue Lieblingsdisziplin der neuen Sportster-Generation ist. Mit 32 Grad Schräglagenfreiheit je Seite lässt sie sich echt durch flott durch alle möglichen Radien bewegen. Und wer will, kann sich hier regelrecht schwindelig fahren. Zweiter oder dritter Gang spielt gar nicht so eine grosse Rolle. Ab 3000/min ist denn auch stets gehörig Druck im Kessel und der dann kaum mehr zu enden scheinende Schub beginnt (Drehmomentmaximum: 95 Nm bei 5750/min). Denn selbst bei der Peak-Power dreht der Twin noch munter weiter – hoch bis 9500 Umdrehungen. So landet man auch beim Ausdrehen der Gänge bzw. beim Ausreizen der Leistung nie im Begrenzer.

Fahrmodi und Assistenzsysteme

Die Nightster kommt serienmässig mit drei Fahrmodi: Road, Sport und Rain, welche einfluss auf die Gasannahme und die Assistenzsysteme haben. Im Rainmodus wird ausserdem die Leistung etwas reduziert. Der genaue Wert liegt uns aktuell noch nicht vor, doch die deutlich sanftere Beschleunigung ist spürbar. Ein sinnvolles Feature, wie wir finden. Weiter Serie sind ABS, Antriebsschlupfregelung und eine Schleppmomentregelung. Letztere passt das Motordrehmoment im Schiebebetrieb gegebenenfalls an, wenn man abrupt runtergeschaltet oder Gas wegnimmt. Die Schleppmomentregelung hat somit auch die Funktion einer Rutschkupplung.

Apropos: Die Kupplung ist ohne zu viel Handkraft und beim Anfahren oder im Stop & Go zudem präzise und bei einem angenehmen Dosierweg bedienbar. Ferner ist der Kupplungshebel einstellbar.

Bremsen auf den Punkt

Sehr gut funktionieren auch die Bremsen. Verbaut sind vorne eine schwimmend gelagerte Einzelscheibe (320 mm) mit Vierkolbensattel und hinten eine schwimmend gelagerte Einzelscheibe (260 mm) mit Einkolbensattel. Ins esondere der vordere Brembo-Anker erweist sich als Sahnestück, der dem sportlichen Anspruch und Charakter des Motorrads absolut gerecht wird. Bei Bedarf beisst die Bremse mächtig und ohne zu viel Handkraft zu und bleibt dabei präzise dosierbar. Darüberhinaus ist auch der Vorderbremshebel einstellbar.

Komfort trotz Sport

Auch das Fahrwerk passt. Es bietet die erwartbare Straffheit, welche die Nightster setes satt auf dem Asphalt kleben lässt und auch bei Bodenwellen nicht aus der Ruhe bringt. Komfortreserven sind dennoch ausreichend vorhanden, so dass auch auf eher touristischen Passagen oder Ausfahrten der Spass nie vergeht. Nicht nur im Vergleich zur Sportster S, welche auf holprigen Strassen echte Nemerqualitäten vom Fahrer verlangt, sondern auch zur früheren Sportster-Generation gibt sich das Fahrwerk ausgewogener.

Analog-Tacho

Wie schon an der Sportster S treten auch an der Nightster die Schaltereinheiten modernisiert auf, insbesondere mit nur noch einem Blinkerschalter auf der linken Seite. Gewohnt schlicht fällt die Instrumentierung aus. Ein runder Analogtacho informiert über die Geschwindigkeit, die Drehzahl oder weitere Infos wie Kilometer oder Reichweite lassen sich darunter digital anzeigen.

Über 60 Zubehörteile zum Start

Trotz der klassischen Gesamtsilhouette sind grosse Änderungen unverkennbar. So ist etwa der traditionelle Doppelauspuff einem dicken Einzelrohr gewichen und auch Chrom findet man nur noch an der vorderen Telegabel von Showa. Und während zwar der neue 975T-Motor an sich eine Wucht ist und auch optisch insbesondere auf der rechten Seite zu gefallen weiss, schaut es auf der linken Seite nicht ganz so prickelnd aus. Die ist nämlich geprägt von diversen Kühlerschläuchen, Leitungen, Kabeln und offen liegenden Steckern. Das schaut bei der Top-of-the-Line-Sportster S schon edler aus. Und gefühlt war auch bei den Früheren Sporties trotz tieferem Preis Mehr Liebe zum Detail zu spüren.

Doch bei Harley gibt es nichts, was man nicht auf einfache Weise individualisieren könnte. So sagt etwa Jochen Zeitz, Vorsitzender, Präsident und CEO von Harley-Davidson: „Die Nightster ist ein ‚Instrument of Expression‘ – untermauert vongrossartiger Performance. Aufbauend auf der rund 65-jährigen Sportster-Tradition ist die Nightster dabei ideal, um sich kreativ auszuleben und seine eigene Persönlichkeit zum Ausdruck zu bringen. Ob für neue oder langjährige Motorradfahrer ist sie damit die ideale Basis für Customizing-Projekte und pure Ausdruckskraft.“

Bereits zur Lancierung der neuen Nightster gibt es darum schon 67 offizielle Zubehörteile. Und die Zahl dürfte bald grösser werden.

Mehr unter: https://www.harley-davidson.com/ch