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Suzuki V-Strom 800 im Test – flink und easy

Suzuki V-Strom 800 Test

Mit der Suzuki V-Strom 800 im heutigen Test bringen die Japaner eine strassenorientierte Schwester der im Frühling erfolgreich angelaufenen V-Strom 800DE. Wir haben die günstige Reiseenduro mit 19-Zoll-Vorderrad und 150 mm Federweg in Frankreich getestet. Ob sich die Aufgabe der Offroadfähigkeiten gelohnt hat?

Ja, das V in Suzuki V-Strom 800 im heutigen Test wirkt angesichts des Reihenzweizylindermotors etwas fehl am Platz, und mit nur 150 mm Federweg und 19-Zoll-Vorderrad schreit die neue Suzuki auch nicht gerade nach Abenteuer. Aber während Ersteres höchstens eher mühsam mit Hubzapfenversatz und entsprechender Zündfolge zu erklären wäre, so ist Letzteres absolut gewollt. Denn die V-Strom 800 wurde entwickelt für die Strasse.

 

So wurde bei der Suzuki V-Strom 800 ohne DE die Offroadperformance für mehr Sportlichkeit auf der Strasse, einfachere Zugänglichkeit und einen um rund 1000 Franken respektive Euro tieferen Preis – in der Schweiz liegt er bei 10’895 Franken – geopfert.

Weniger soll mehr sein

So gibt’s neu ein 19-Zoll-Vorderrad anstelle des 21er Pendants, nur noch 150 mm Federweg vorne und hinten – bei der DE sind’s 220 mm –, 7 Kilo weniger Gewicht, eine vorderradorientiertere Sitzposition und radiale Vierkolbenzangen anstelle der Doppelkolben-Schwimmsättel. All dies sollte der V-Strom zu deutlich mehr sportlichem Potenzial auf der Strasse verhelfen.

 

Suzuki V-Strom 800 Test

Neu gibt’s Vierkolbenzangen statt Doppelkolben-Schwimmsättel.

 

Weil die V-Strom ohne DE aber auch günstiger werden sollte, ist ihre Gabel nur in der Vorspannung und das Federbein in Vorspannung und Zugstufe einstellbar, was zusammen mit dem Ziel auch die Zugänglichkeit und den Komfort zu erhöhen, natürlich zu gewissen Kompromissen führte, aber dazu später mehr.

Agil und Zugänglich auch beim Motor

Angetrieben wird übrigens auch die V-Strom 800 vom Reihenzweizylinder mit 270° Hubzapfenversatz, der nun eben diese Zündfolge eines V2 imitiert, und somit – neben der Historie – den Namen V-Strom zumindest teilweise erklärt. Der leistet aus seinen 776 ccm Hubraum 84 PS, drückt 78 Nm Drehmoment ab, und gehört zu den Stärken der neuen V-Strom.

 

Am auffälligsten ist dabei wohl seine Drehfreude, die den Twin innert kürzester Zeit in höhere Drehzahlen katapultiert. Nicht, dass dies besonders nötig wäre, denn auch in tiefen und vor allem mittleren Drehzahlen überzeugt der 800er mit anständig Druck. Die Maximalleistung von „nur“ 84 PS ist dabei auch ein Ausdruck für einen Kompromiss, den Suzuki beim Motor eingegangen ist. Top-End-Power gegen Druck in der Mitte. Gerade bei einer Reiseenduro eine sehr angenehme Charaktereigenschaft.

 

Suzuki V-Strom 800 Test

Der Sound aus dem schlichten aber recht voluminösen Auspuff ist schön bärig, aber nicht allzu laut.

 

Perfektion ist aber – gerade bei diesem Preis – kaum zu erreichen, und so haben wir auch einen kleinen Kritikpunkt: Beim Wechsel vom Schiebe- in den Lastbetrieb überrascht die V-Strom 800 ab und an mit relativ deutlich spürbaren Lastwechselreaktionen. Im Grunde ist die Gasannahme aber vor allem im mittleren Modus B sehr gelungen. Modus A liefert ein direkteres, sportlicheres aber auch spitzeres Ansprechverhalten, während Modus C für die Fahrt im Regen mit sanfter Gasannahme konzipiert wurde.

 

Sehr Unauffällig gab sich indes das Getriebe. Und auch der serienmässige (!) bidirektionale Quickshifter machte bis auf eine einzige Ausnahme einen hervorragenden Job. Nur einmal wollte er beim harten Beschleunigen bei der Fotoproduktion nicht gleich den nächsten Gang einlegen, ein Problem, das in der Folge jedoch auch mit mehreren Versuchen nicht reproduzierbar war, und darum als „Aussetzer“ zu betrachten ist.

Fast mehr Naked als Enduro

Widmen wir uns nun der Fahrdynamik, ist sicher vorweg zu erwähnen, dass sich die Suzuki V-Strom 800 im Test fahrdynamisch deutlich von ihrer DE-Schwester unterscheidet. So fühlt sich die V-Strom ohne DE deutlich flinker an als ihre Schwester. Dabei erinnert sie ab und an mehr an ein Naked Bike als an eine Reiseenduro. Das wird vor allem sportliche, aktive Fahrer freuen.

 

Suzuki V-Strom 800 Test

Im engen Geläuf macht die V-Strom 800 einen grossartigen Job.

 

Kommen wir nun zum angesprochenen Kompromiss bezüglich Fahrwerk. Dieses wurde mit dem Ziel ein alltags- und reisetaugliches Bike für jedermann zu bauen, eher auf Komfort als auf Sport ausgelegt. Und weil es dazu auch noch nicht allzu teuer werden durfte, ist es nicht in einem Umfang einstellbar, der eine grundlegende Veränderung des Charakters zulassen würde.

Anpassungen

Vorne führt dies dazu, dass die Gabel auf der Bremse relativ stark eintaucht. Das trägt unter anderem zur Agilität bei – Stichwort steilerer Lenkkopfwinkel -, schmälert allerdings auch etwas das Vertrauen in der Bremszone. Insgesamt ist diese Eigenschaft aber nur beim sehr sportlichen Fahren wirklich aufgefallen, und der Schreibende gewöhnte sich im Laufe des Tests der neuen Suzuki V-Strom 800 zunehmend daran.

 

Auch das Federbein ist eher komfortabel abgestimmt. Das sorgt für bequeme Fahrt auch auf schlechten Strassen und kilometerweise Fahrspass ohne Schmerzen in Hintern oder Rücken. Dafür wippt das Heck nach Unebenheiten teils relativ ausgeprägt nach. Mit etwas zugedrehter Zugstufe wird das besser, aber das Bike ist dann auch nicht mehr ganz so flink, und es geht etwas Gefühl fürs Vorderrad verloren.

 

Vorspannung Handrad Motorrad

Die Vorspannung kann hinten bequem per Handrad eingestellt werden.

 

Trotzdem empfand der Schreibende eine um eine Vierteldrehung zugedrehte Zugstufe (vom Basissetup) als besser geeignet für die ambitionierte Kurvenjagd. Zudem war bei den Testbikes die Vorspannung, die sich bequem per Handrad einstellen lässt, schon etwas zugedreht. So funktionierte die V-Strom dann auch bei sportlicher Gangart auf kurvenreichen Strassen sehr gut.

Gutmütig, aber nicht messerscharf

Beim Verzögern zeigt sich ein ähnliches Bild: Die Nissin-Vierkolbenzangen liefern locker genügend Power und sind dennoch gutmütig in der Handhabung. Heisst es gibt weder einen besonders aggressiven Initialbiss noch einen absolut knackigen Druckpunkt. So erinnern denn auch sie eher an Enduro-Bremsen, wie wir sie von Reiseenduros gewohnt sind, die zwar nicht messerscharf, dafür aber umso gutmütiger und darum auch sehr einsteigertauglich sind.

 

Das zweistufig einstellbare ABS verhindert dabei zuverlässig blockierende Räder, ist aber nach wie vor auch im aggressiveren Modus 1 eher auf Sicherheit als auf Speed ausgelegt und greift so – aus der Sicht eines Sportfahrers – je nach Situation etwas konservativ ein.

 

Dem Schreibenden ist indes sehr wohl bewusst, dass die Suzuki V-Strom 800 in diesem Test kein Sportmotorrad sein soll. Da sie aber trotz allem auch sehr sportlich gefahren werden kann, scheint es sinnvoll, auch ihre Limits aufzuzeigen, wobei aber eben auch ihr erstaunliches sportliches Potenzial für diese Kategorie und vor allem diesen Preis hervorzuheben ist.

Preisbewusst

Eine Komponente, deren Wahl mit relativ grosser Sicherheit auf das Preisziel zurückzuführen ist, sind die Reifen. Die Dunlop-Gummis des Typs D614 funktionieren bei trockenen, sauberen Strassen gut und lassen auch sehr ambitionierte Schräglagen zu, können aber bei feuchten Bedingungen oder mangelhaftem Strassengrip nicht mit hochwertigeren Alternativen mithalten.

 

Suzuki Reifen Dunlop

Solange die Fahrbahn trocken ist, funktionieren die Reifen gut.

 

Kleine Anekdote am Rande dazu: Die Dunlopreifen mit Nummer – also eben bspw. D614 – haben mit jenen mit Namen – bspw. Roadsmart IV – nichts zu tun und können auch nicht einzeln gekauft werden, sondern werden nur als Erstbereifung verkauft. Wer mit der V-Strom 800 primär pendeln oder gemütlich reisen möchte, ist mit den Basisreifen sicher gut bedient, wer aber Wert auf Dynamik und Grip in allen Lebenslagen legt, wird mit einem modernen Sporttouringpneu jedoch sicher glücklicher.

Komfort satt

Kommen wir zum Schluss noch zum Thema Komfort. Hier konnte die Suzuki V-Strom 800 im Test praktisch auf ganzer Linie überzeugen. Die aufrechte Sitzposition mit angenehm breitem Lenker sorgt ebenso für Komfort wie der breite, gut gepolsterte Sattel. So waren auch am Ende des langen Tages keine schmerzenden Körperteile auszumachen – top.

 

Suzuki Scheibe

Die Scheibe bietet grundsätzlich guten Windschutz, kann aber nur mit Werkzeug in der Höhe eingestellt werden.

 

In Sachen Windschutz macht die Scheibe der V-Strom bis rund 110 km/h in der Standardposition einen super Job. Ist man schneller unterwegs gibt’s teils nervige Windverwirbelungen am Helm. Dem kann Abhilfe geschaffen werden, indem die Scheibe in der tiefsten der drei möglichen Positionen montiert wird. Dafür müssen aber mit dem im Bordwerkzeug enthaltenen Sechskantschlüssel vier Schrauben gelöst und neu montiert werden.

Fazit

Und hat sich die Aufgabe der Offroadtauglichkeit nun gelohnt? Für alle, die sowieso nicht im Gelände, und wenn schon, dann höchstens auf zahmen Schotterstrassen unterwegs sind, ja. Denn die V-Strom 800 ohne DE ist unter anderem durch ihre tiefere Sitzhöhe klar zugänglicher und alltagstauglicher als ihre Schwester. Zudem sorgt sie auf der Strasse für ein spielerisch leichtes Handling mit erstaunlich grossem sportlichen Potenzial bei dennoch hohem Komfort und viel Alltagstauglichkeit. Gerade auf engeren, kurvigeren Strassen ist sie zudem auch grösseren und deutlich teureren Reiseenduros mindestens ebenbürtig.

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