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Test: Husqvarna 801 Svartpilen

Die Offensive von Husqvarna in Richtung Asphalt geht weiter: Mit der neue Zielgruppen erschliessenden und technisch auf der KTM 790 Duke aufbauenden Husqvarna 801 Svartpilen. Erster Boden-Boden-Flug auf dem schwarzen Pfeil.

 

Sie sieht schon richtig stark aus, die neue und ab Mitte Mai ab 9990 Franken erhältliche 801 Svartpilen. Düster kommt sie daher. Elegant und gleichwohl unrasiert. Und wer mit der avantgardistisch-technoiden Interpretation eines Scramblers optisch nichts anfangen kann, wird doch zugeben müssen, dass die Neue aus dem Hause Husqvarna auf jeden Fall eigenständig bzw. originell ist und durchaus über sehr schön gestaltete Details verfügt. Zu nennen wäre hier etwa das Heck aus zwei Alu-Druckgusshälften. Tatsächlich berührt, wer die Hand über das Heck streifen lässt, mit Ausnahme der beiden Sitzkissen, echtes Aluminium.

 

Husqvarna 801 Svartpilen

Seit der Übernahme der Marke durch Pierer Mobility im Jahr 2013 wurden 420’000 Huskys abgesetzt. Davon tragen 18 Prozent ein Pilen-Logo.

 

Der schwarze Rohrlenker mit Crossbar als Reminiszenz an die Offroad-Wurzeln der Marke ist auch nicht von schlechten Eltern. Genauso wie das minimalistische Schutzblech vorne und der steil aufragende Edelstahl-Auspuffdämpfer. Wir sagen es geradeaus: Kein Motorrad aus der Pierer-Mobility-Welt mit LC8c-Antrieb hat eine so schöne Abgasanlage!

 

801 Svartpilen: Organspenderin in Orange

Apropos LC8c: Der Reihenzweizylinder mit 799 ccm Hubraum, 105 PS, 87 Nm Drehmoment und serienmässigem Quickshifter (bidirektional) stammt wie der Rest der technischen Basis von der KTM 790 Duke. Dazu zählen der Stahlgitterrohrrahmen, der den Twin mit 75 Grad Hubzapfenversatz und einem Service-Intervall von 15’000 Kilometern als mittragendes Element aufnimmt, das besagte Rahmenheck, das auch hier die Airbox beherbergt, jedoch komplett neu designt wurde sowie die direkt im Motor gelagerte Aluschwinge. Ist es verwerflich, das Herz und weitere vitale Organe von der 790er-Duke zu übernehmen? Wir meinen: Nein. Denn die 801 ist – wie wir später beim dynamischen Fahrtest sehen werden – ein durch und durch eigenständiges und charakterstarkes Motorrad.

 

Husqvarna 801 Svartpilen

LC8c: 799 ccm, 105 PS, 87 Nm Drehmoment. Bei einem Verbrauch von durchschnittlich 4,5 l resultiert beim 14-l-Tankvolumen eine theoretische Reichweite von rund 240 km. Drei Lambdasonden sorgen für die Einhaltung von Euro5+ sowie eine sanfte Ansprache.

 

Hierfür spricht auch die Tatsache, dass die Entwickler einen Grossteil der Komponenten für den Einsatz in der 801 adaptiert haben. So kommt etwa bei den Fahrwerkskomponenten die APEX-USD-Gabel mit 43 mm Durchmesser der brandneuen 990 Duke zum Einsatz. Ebenfalls mit bequem via Drehellipsen fünfstufig einstellbarer Druck- und Zugstufendämpfung, jedoch mit dedizierter Federrate und Abstimmung. Das direkt an der Schwinge angelenkte Federbein ist in Basis und Zugstufe (ebenfalls 5 Klicks) regulierbar. Wobei die 140 bzw. 150 mm Federweg doch einen gewissen Komfort versprechen.

 

Husqvarna 801 Svartpilen

Süffiger Mix aus Handling und Stabilität.

 

Doch viel Eigenständigkeit bei der 801 Svartpilen

Weiter geht’s bei der Eigenständigkeit mit dem Bodywork-Design, das mit jenem des orangen Skalpells nun wirklich nichts am Hut hat. Oder mit dem LED-Scheinwerfer mit dem für Husky inzwischen typischen rundem Positionslicht, dem Kennzeichenausleger, der im Vergleich zur einzylindrigen 701er nicht mehr an der Schwinge angeflanscht ist oder dem 5-Zoll-TFT-Display mit Connectivity. Hier markieren sowohl Erscheinungsbild und Menüführung wie auch die Software Eigenentwicklungen.

 

Was uns zur Elektronik bringt. Serienmässig dabei sind die schräglagenaffine Traktionskontrolle und das Kurven-ABS (hinten deaktivierbar). Je nach vorgewähltem Riding-Mode (Rain, Street oder Sport) variiert die Austarierung dieser Assistenzsysteme. Wer aufs Ganze gehen will, erwirbt den optionalen Modus «Dynamic». Mit ihm lässt sich die Traktionskontrolle in neun Stufen einstellen und es gibt eine fünfstufige Wheelie-Kontrolle. Ebenfalls als Option gibt’s den Tempomaten, der sich mit der mitgelieferten Schaltwippe am linken Lenkergriff regulieren lässt. Bei deaktivierter Cruise Control kann mit der Wippe die Sensitivität der Traktionskontrolle justiert werden (Option «Dynamic»).

 

Husqvarna 801 Svartpilen

Das 5-Zoll-TFT-Display kennen wir von den 401-Pilens. Es hat hier aber mehr Funktionen.

 

Mit einem Preis von unter 10’000 Stutz ist die 801 Svartpilen sicher auch attraktiv für Einsteiger. Und so wird Husqvarna – wohl noch im Laufe dieses Jahres – eine A2-Version nachreichen. Dass ein günstiger Preis nicht im Wiederspruch mit einem Premium-Anspruch stehen muss, davon zeugen an der 801 u.a. der serienmässige Lenkungsdämpfer sowie die einstellbaren Hebel für Bremse und Kupplung.

 

Locker von den Händen

Auf dem Programm stehen heute 240 Kurvenkilometer im sonnigen, aber kühlen Hinterland von Marseille. Ich richte mich ein und stelle fest: trotz moderaten 820 mm Sitzhöhe kann ich nicht beidseits mit den kompletten Sohlen abstehen, was dem zum 14-Liter-Tank hin eher bauchigen Sitzpolster geschuldet ist. Letzteres ist sportlich gehalten und bieten dennoch einen anständigen Komfort. Der Torso ist ganz leicht nach vorn geneigt, die Hände haben am breiten und angenehm gekröpften Lenker nur wenig Gewicht abzustützen. Wobei ergonomisch unter dem Strich ein appetitlicher Mix aus Relax und Sportlichkeit vorliegt. Wer es noch aufrechter wünscht, dreht die Riser um 180 Grad, sodass der Lenker etwas näher an den Fahrer ran rückt.

 

Husqvarna 801 Svartpilen

Breiter Rohrlenker mit Crossbar. Die Riser können umgedreht werden. Unten, an den Gabelstopfen sichtbar, sind die Einstellschrauben für die Dämpfung.

 

Die neuen Lenkerarmaturen – wir kennen sie von den neuen Dukes und den neuen 401ern – lassen sich prima bedienen, einzig beim Blinkerschalter wünschten wir uns beim Bedienen ein etwas klareres «Klick»-Feedback und allenfalls ein etwas stärkerer Widerstand. Gleiches gilt für den ausgesprochen leichtgängigen Gaszug. Der passt so weit, in anspruchsvollen Situationen – etwa beim Durchfahren von Haarnadeln mit kleinen Drosselklappenöffnungen – können Wellen am Asphalt zu einem ungewollten Gasimpuls führen. Man muss sich halt dran gewöhnen, die Lenkergriffe sanft zu umklammern, was im Töfffahrer-Ausbildungshandbuch ohnehin als wichtige Grundregel aufgeführt ist.

 

Husqvarna 801 Svartpilen

Die neuen Lenkerarmaturen sind von den Dukes bekannt und lassen sich auch mit Handschuhen sehr gut bedienen.

 

Husqvarna 801 Svartpilen: Bombastischer Zweizylinder

Der LC8c ist – wie wir es aus der 790 Duke kennen – eine Wucht! Die Ansprache des Twins ist unabhängig vom aktivierten Modus immerzu ausgesprochen geschmeidig, er dreht ab 2000/min rund, hat schon ganz unten richtig viel Punch, schiesst mit Elan durch die Mitte und dreht ab 5000/min bis in den Begrenzer richtig aufpeitschend hoch. Dies, bei wuchtiger, nach V2 klingender, aber nicht aufdringlich-lauter Klangkulisse (91 dB (A)). Man ist eigentlich nie im falschen Gang und kann ausgesprochen schaltfaul fahren.

 

Husqvarna 801 Svartpilen

 

Auch der bidirektionale Quickshifter ist ein Gedicht. Knackig, präzis, und er arbeitet auch im Teillastbereich tadellos. Und wenn einmal die Kupplung bemüht werden muss, dann reichen dafür zwei Finger. Ab 6000/min treten an Tank und Fussrasten hochfrequente Vibrationen auf, was insofern zweitrangig ist, als man sich jeweils nur kurz in diesen Drehzahlgefilden aufhält (sonst wird’s richtig teuer). Am häufigsten bewegt man den LC8c im «Sweet Spot» zwischen 3000 und 7000/min.

 

In Bezug auf die elektronischen Assistenzsysteme ist nichts Negatives aufgefallen. Im Gegenteil: Die Traktionskontrolle interveniert jeweils sehr sanft und nimmt in kritischen Situationen einfach etwas Zunder raus. Auch das Kurven-ABS hat uns überzeugt. Auf unserer Testrunde sahen wir uns mehrmals mit fiesen, plötzlich «zumachenden» Kurven konfrontiert. Dies, der kalte Asphalt, aber auch die Pirelli MT60RS und das Dämpfungsvermögen der Gabel (siehe weiter unten) führten mehrmals dazu, dass das ABS in Schräglage intervenieren musste. Die Eingriffe waren spürbar, jedoch vorbildlich-sanft. Und so überwiegt die Gewissheit, dass stehts ein sehr effizientes digitales Auffangnetz mitfährt. Und das schafft viel Vertrauen.

 

Auf leichtem Fuss

Im Kurvengewühl wird schnell klar: Die 801 bewegt sich eher auf der handlichen denn auf der stabilen Seite des Spektrums. Zusammen mit dem bereits angesprochenen leichten Gaszug ist bei langsam und mit viel Schräglage gefahrenen Ecken entsprechend ein leichtes Plus an Konzentration gefragt. Unter dem Strich resultiert aber in puncto Fahrwerksabstimmung, Geometrie und Performance der Komponenten ein faszinierender Mix aus Komfort und Sportlichkeit. Wobei die Gabel beim richtig engagierten Kurvenfeilen speziell auf der Bremse durch ein etwas indifferentes Dämpfungsverhalten auffällt. Das Feedback könnte im Angriffsmodus etwas klarer sein.

 

Husqvarna 801 Svartpilen

Diverse Zubehörkomponenten hält Husqvarna für die 801 Svartpilen bereit. Darunter auch Bekleidung und touristische Komponenten. Im Bild zu sehen sind u.a. der Akrapovic-Dämpfer und die pfiffigen Lenkerendspiegel.

 

Wobei auch die Pirelli MT60RS mit ihrem hohen und daher nicht wirklich Grip-fördernden Negativprofilanteil einer klaren Rückmeldung nicht wirklich zuträglich sind. Nicht falsch verstehen, die Reifen machen prinzipiell einen guten Job und können auch Sport. Aber für ein Motorrad mit diesen breitgefächerten Qualitäten, das von der Zielgruppe eh so gut wie gar nie auf Schotter bewegt werden wird, gibt es einfach passendere Reifen.

 

Dass das ABS prima funktioniert, wissen wir bereits. Doch wie steht es generell um die Bremsen? In der Ansprache gibt sich die 300-mm-Doppelscheibenanlage mit Vierkolbenzangen von J.Juan eher mild. Sprich, der Druckpunkt kann durchaus als einsteigertauglich beschrieben werden. Die Dosierbarkeit lässt keine Wünsche offen, ebenso die Verzögerungskraft. Wobei auch die hintere Anlage mit ihrer 240-mm-Scheibe einen tollen Job macht.

 

 

Was zum Schluss sonst noch aufgefallen ist? Bei mir (Fussballen auf den Rasten; Schuhgrösse 43) kreuze rechts die Stiefelferse regelmässig die Auspuffblende. Und nach 240 aktiv gefahrenen Kilometern war das Hinterteil dann doch froh, als Feierabend war. Im Vergleich zur direkten Vorgängerin, der deutlich kompromissloseren und auch kompakter gebauten Svartpilen 701, herrschen auf der 801 Svartpilen jedoch echte Wellness-Verhältnisse.

 

Husqvarna 801 Svartpilen – das Fazit

Bis auf die milden Stollenreifen, die von Husqvarna primär wegen ihrer Optik gewählt wurden und der Alu-Motorschutzblende hat die 801 Svartpilen eigentlich nichts von einem Scrambler. Wir sehen sie denn auch vielmehr als klassisches Mittelklasse-Naked-Bike im adretten Designer-Gewand.

 

 

Das Einsatzspektrum deckt von City über leichtes Touring bis hin zum Pneu runterraspeln am Pass einen unerwartet breiten Bereich ab. Die 801 ist komfortabel und dennoch ausgesprochen sportlich, piekfein verarbeitet, und mit einem Preis von gerade einmal 9990 Franken wird bei ihr echt verdammt viel Motorrad fürs Geld geboten.

 

Info: husqvarna-motorcycles.com

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