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Vergleich Honda CMX 500 Rebel und Yamaha SCR 950

Die eine sieht zwar aus wie ein cooler Cruiser, ist aber real ein hemds­ärmeliges Alltagsgerät für Einsteiger. Die andere sieht aus wie ein flottes Flat-Track-­Eisen, ist aber in Tat und Wahrheit ein braver Wandertöff. Anders ­gefragt: Wie viel Cruiser steckt noch in der Honda CMX 500 Rebel und der ­Yamaha SCR 950?

Nein, Ein echter Rebell ist die Honda CMX 500 nicht. War sie auch nie. Schon 1986 als CMX 250 Rebel und später 1995 als CA 125 ­Rebel waren sie Rebellen im Softie-­Gewand und vorwiegend für Neueinsteiger, Frauen und Fahrschulen gedacht. Dennoch verkauften sich die eher brustschwachen Bonsai-Cruiser in europäischen Gefilden ansprechend und blieben fast zwei Jahrzehnte im Modellprogramm. Erst 2001 wurde ­die Rebel-Produktion eingestellt.

 

Honda CMX 500 Rebel

 

Neue Rebellin

2016 wurde die CMX 500 Rebel erstmals vom Stapel gelassen. Der flüssigkeitsgekühlte 471-ccm-Twin ist eine im Hinblick auf besseren Durchzug leicht leistungsgedrosselte Variante des Allrounders CB500F. Die von uns gefahrene 2020er-Version im grau-schwarzen «Special Edition»-Out­fit erhielt einige Verbesserungen im Vergleich zur Vorgängerin, darunter eine Antihopping-Kupplung, einen neuen Sattel, überarbeitete Aufhängungselemente, ein LCD-Cockpit mit Ganganzeige sowie LED-Lichtquellen in der Front. Optisch wirkt ­alles wie aus einem Guss, das Finish ist Honda-­typisch tadellos.

 

Honda: moderner, wassergekühlter Twin mit 471 ccm, 44,6 Nm und 45 PS

Honda: Sackmesser-Position

Nur das rechts etwas seltsam nach ­aussen ragende Auspuff-Ofenrohr sorgt beim Betrachter für ein leichtes Zucken der Augenbrauen, welches sich beim Aufsitzen bei 180 und mehr Zenti­meter grossen Menschen in ein nervöses Vibrieren steigert. Denn die CMX 500 ist ein ausgesprochen kleines Motorrädchen mit 690 mm Sitztiefe, weit vorn angebrachten Rasten und relativ nahe und hoch positioniertem Lenker. Hinzu kommen zwar fett besohlte, aber nur 16 Zoll Durchmesser aufweisende Gussräder, für grosse Hände nicht einstellbare Handhebel und ein zwar bequemer, aber wenig Spielraum bietender Sattel. Kurz: Gross­gewachsene fühlen sich in der CMX 500 ziemlich eingepfercht und lästern über die unbequeme Sackmesser-Haltung, während kleinere Zeit­genossen und Frauen vom sicheren Stand und endlich einmal angemessenen Dimensionen schwärmen.

 

Yamaha: Gebaut für Riesen

Der Wechsel auf die Yamaha SCR 950 entführt in die entgegengesetzte Welt: 1575 mm Radstand (Honda 1488 mm), 830 mm Sitzhöhe (Honda 690 mm), 252 kg vollgetankt (Honda 191 kg) und vergleichsweise enorme Distanzen zwischen Rasten und Sattel bzw. Sattel und Lenker bieten auch überdurchschnittlich Grossgewachsenen sehr viel Platz, für meine 180 cm ist es schon beinahe zu viel. Auch der Kniewinkel ist sehr gross, die Haltung ­insgesamt aufrecht und bequem. Aber auch bei der Yamaha sind die Hand­hebel nicht einstellbar, und das winzige LCD-Cockpit ist weder mit Gang- noch Benzin­standsanzeige ­ausgestattet, also noch spartanischer als das­jenige der Honda.

 

Yamaha SCR 950

Geschlechtsumwandlung

Die Scrambler-Optik mit breitem Lenker mit Querstrebe, 19-Zoll-Vorderrad, Speichenrädern, Startnummerntafel und Offroad-Bereifung kaschiert die Cruiser-Vergangenheit der SCR. Denn die 950er war einst, vor ihrer ­Geschlechtsumwandlung, ein wasch­echter, chromblitzender Cruiser namens XV 950 R. Mit neuem Rahmenheck wurde die Sitzhöhe um 140 mm nach oben geschraubt und ihre Fussrasten sind nun 15 cm weiter hinten und 3 cm weiter oben fixiert. Schade, dass Yamaha den riesigen Cruiser- Luftfilter nicht umpositioniert hat, denn dort, wo er jetzt ist, sollte ­eigentlich das rechte Fahrerknie ruhen.

 

Yamaha: betagter, luftgekühlter 60 °-V2 mit 942 ccm, 80 Nm und 54 PS.

Yamaha SCR 950: Ich war und bin ein Cruiser

Unverändert geblieben ist – ausser dem Hauptrahmen – auch der 100-prozentige V2-Cruiser-Antrieb mit 60 °-Zylinderwinkel, der aus satten 942 ccm wenig beunruhigende 54 PS freischaufelt. Der nicht nur optisch mächtige, sondern auch real für einen richtigen Scrambler viel zu schwere V2 stampft ab Standgas erfreulich bullig los. Cruiser-typisch lässt sich’s mit ihm gemütlich und schaltfaul durch die Lande bummeln. Die 5 Gänge reichen locker, früh Schalten bietet mehr Vortrieb als herzloses Ausdrehen der einzelnen Gangstufen. Wenn man – bildlich gesprochen – beim Dahinpoltern mit 80 bis 100 km/h die Augen schliesst, könnte man sich auf einer grossen Harley wähnen, so ruhig und erhaben gleitet die SCR über die Strasse. Aber eben: Mit dieser Cruiser-Charakteristik, dem stattlichen Gewicht und ebensolchen Dimensionen verführt sie ­ihren Reiter ganz sicher nicht zu wilden Scrambler-Abenteuern, sondern vielmehr zum genüsslichen Töffwandern, das ab und zu auch einen Abstecher auf eine längere, nicht asphaltierte Zufahrt zum Badestrand zulässt.

 

Honda: Ich war und bin ein Allrounder

Auch die wahren Qualitäten der Honda CMX 500 entsprechen nicht zwingend dem, was die Cruiser-Optik verspricht. Zwar kann man durchaus locker in den oberen Gängen durchs Schweizer Land tuckern, aber das geringe Gewicht, die erfreuliche Agilität und die insgesamt neutrale Fahrwerks­auslegung mit nicht übertrieben soft gedämpften Federelementen lassen durchaus auch eine sportlichere Gang­art zu. Der trotz nur 45 PS ausge­sprochen lebendige Twin liefert bei fleissigem Schaltfuss genügend Vortrieb für eine flotte Feierabendrunde auf der Hausstrecke. Die Bremsen funktionieren anständig und zuverlässig. Die Antihopping-Kupplung unterstützt Anfänger, Grobmotoriker und Spätbremser wirkungsvoll, ein stempelndes Hinterrad gibt’s nicht. Der knurrige, basslastige Sound wirkt nie laut, erst im obersten Drehzahlbereich könnte sich die Umwelt ein wenig belästigt fühlen.

 

Der Look täuscht: Nur der Yamaha-V2 ist zu 100 % ein Cruiser-Motor, der Twin der Honda eher ein braves Alltags-Triebwerk.

CMX 500: Der coole Look hat seinen Preis

Die Grenzen bei der frivolen Kurvenhatz setzt als erstes die Cruiser-Sitzposition, weil man sich mit den Füssen bzw. Beinen nicht abstützen kann und irgendwann nur noch hilflos am Lenker zappelt. Zweitens verwässert der fette Vorderreifen (130/90-16) auf holprigem Untergrund eine saubere Linie, und drittens sind die auf Langlebigkeit ausgelegten Dunlop D404-Reifen eher fürs brave Cruisen gedacht.

 

Aber eben: Die CMX 500 soll fürs ­gemeine Volk als cooler Cruiser rüberkommen. Dass sie wie ihre Schwester CB 500 F durchaus sportive Qualitäten besitzt und technisch über eine bemerkenswerte Alltagstauglicheit verfügt, entdeckt man erst bei der ersten längeren Ausfahrt. Obwohl der auch optisch winzige Tank nur 11,2 Liter Sprit fasst, sind bei einem Verbrauch von weniger als 4 Litern auf 100 km immer Etappen von mehr als 250 km bis zum nächsten Tankstopp drin.

 

Abstriche an der Alltagstauglichkeit gibt es jedoch in der Stadt wegen der Sackmesser-Sitzposition. Lenkimpulse funktionieren nur über die Hände am Lenker, der Rest des Körpers ist zur Untätigkeit verurteilt. Für das Rangieren, Wenden und Kolonnengezirkel gibt es für ungeübte Einsteiger deutlich geeignetere Modelle dieser Hubraum- und Preisklasse. Auch das Gefummel mit dem stilgerecht vorn links unterhalb des Tanks positionierten Zündschloss hätte nicht sein müssen. Dafür leuchtet die neue LED-Front die Fahrbahn sehr
gut aus und verleiht der CMX ein ­Up-to-Date-Flair.

Für Frauen und Wanderer

Mit 8340 Franken Einstandspreis ist die CMX 500 zudem kein Schnäppchen. In diesem Bereich bewegen sich hubraum- und leistungsmässig überlegene Topseller wie die Yamaha MT-07 und die Kawasaki Z650. Doch nur die Rebel als einer der wenigen Fernost­Cruiser der Gegenwart bietet Ein­steigern den coolen Easy Rider-Look, gepaart mit einer extrem niedrigen Sitzposition.

Auch die Yamaha SCR 950 ist einzig­artig. Sie sieht zwar aus wie ein (etwas zu gross geratener) Scrambler, und man sitzt auf ihr auch aufrecht und entspannt wie auf einem Scrambler, aber der extrem drehmomentorientierte Charakter des betagten V2 mit wenig Druck nach oben sowie das hohe Gewicht verführen eher zu tiefen­entspannter Fahrmeditation als zu wilden Strassen- und Offroad-Räubereien. Wer sich von der Srambler-­Optik nicht täuschen lässt und lieber wandert statt rennt, kann mit der 9990 Franken teuren SCR 950 glücklich werden.

 

Text: Markus Lehner

Bilder: Daniele Carrozza

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