Erster Test der neuen Yamaha Tracer 9 GT+

Yamaha lud nach Slowenien zur ersten Testfahrt der 2025er Tracer 9 GT+. Sie ist das erste Motorrad mit Matrix-LED-Scheinwerfern, hat das neue Y-AMT-Getriebe, einen Abstandstempomaten, E-Fahrwerk, und vieles mehr!
Die brandneue Yamaha Tracer 9 GT+ des Modelljahrs 2025 steht ab sofort ab Fr. 18’990.– bei den Schweizer Händlern. Auf einer über 300 km langen Tour konnten wir sie kürzlich ein erstes Mal fahren. Hier sind unsere ersten Eindrücke zu Yamahas aufgerüstetem Sport-Tourer.
Gleich vorweg: Die neuen LED-Matrix-Scheinwerfer, die man bis dato nur von hochpreisigen Autos kennt und die Tracer 9 GT+ nun als erstes Motorrad überhaupt serienmässig bekommt, konnten wir nicht testen. Denn trotz der ausgedehnten Tour waren wir noch vor der Abenddämmerung wieder zurück in unserem Hotel im slowenischen Bled. Aber wir werden die Scheinwerfer, die mehr Licht ins Dunkel bringen sollen als jeder bisherige Motorradscheinwerfer, weil sie nicht nur in Kurven hineinleuchten, sondern auch an Vorausfahrenden und am Gegenverkehr vorbei, beim ersten Test der Maschine auf heimischen Strassen auf die Probe stellen. Hier gibt es schon einmal die Video-Animation von Yamaha (klicken).
E-Fahrwerk, Kombi-Bremse und Y-AMT
Weitere technische Raffinessen der wie schon bisher über eine 6-Achsen-IMU verfügenden GT+ stellen das schräglagensensible E-Fahrwerk von KYB, das Kombibremssystem inklusive Kurven-ABS und Bremsassistent sowie das Y-AMT dar. Y-AMT steht für Yamaha Automated Manual Transmission (Yamahas automatisiertes manuelles Getriebe). Dieses neue Getriebe, das entweder manuell (per Wippschalter am linken Lenkergriff) geschaltet werden oder auf Vollautomatik gestellt werden kann, hat uns bereits in der MT-09, wo es Premiere feierte, sowie in der MT-07 überzeugen können. Zur Tracer 9 GT+ passt es nun ebenso gut, wenn nicht sogar noch besser.
Insbesondere, da die beiden Automatikmodi sich hervorragend fürs entspannte wie auch fürs sportliche Touring eignen. Der „D“-Modus schaltet dabei möglichst früh hoch, der „D+“-Modus hält die Drehzahlen höher und hält die Tracer auf der Landstrasse stets einen Gang tiefer. Die neue Tracer wird vom bekannten, jetzt die Abgasnorm Euro5+ erfüllenden CP3-Reihendreizylinder (889 ccm) befeuert. 119 PS und 93 Nm sorgen auch bei einem fahrfertigen Gewicht von 232 kg noch für ausreichend satten Vortrieb. Der Motor reagiert in den verschiedenen Modi (Sport, Street, Rain, sowie 2 individuell einstellbare Modi) stets fein auf Gasbefehle. Ebenso dezent gibt sich die schräglagensensible Traktionskontrolle.
Ein aus meiner Sicht kleiner Schönheitsfehler ist, dass jweils beim Umschalten von einem der Automatik-Modi in den manuellen Getriebemodus stets der Fahrmodus „Street“ vorgewählt ist. Und zwar auch dann, wenn man zuvor vom „Sport“-Modus in den Automatikmodus wechselte. Hier würde ich mir für die nahe Zukunft ein Update wünschen, da man sich so stets durch die nachfolgenden Modi durchzappen muss. Und dazu muss jeweils der Gasgriff geschlossen sein.
Geschmeidiger und schneller als ein Quickshifter
Wie auf den anderen Modellen sorgt das Y-AMT für Schaltmanöver, die mit 1/10 Sekunde schneller erfolgen als mit einem konventionellen Quickshifter. Die Gangwechsel erfolgen dabei immer genau gleich und geschmeidig. Da beim Y-AMT, vereinfacht gesagt, nur zwei Elektromotoren ergänzt werden – einer für die Kupplungsbetätigung, einer fürs Getriebe – bewirkt es lediglich ein Mehrgewicht von 2,8 kg. An der Baubreite des Motors ändert sich nichts. Apropos Kupplung: Auch das Anfahren erfolgt stets absolut geschmeidig-gefühlvoll, was etwa bei Wendemanövern bzw. dem Rangieren essenziell ist. Hier ist ein weiterer Vorteil, dass der Lenkeinschlag mit 35 statt 32 Grad grösser wurde.
Ans Hinterrad gelangt die Kraft nach wie vor über eine Kette, doch kommt bei der GT+ neu eine Kette von DID zum Einsatz, die über eine DLC-Beschichtung an den Rollen verfügt. DLC steht für Diamond-Like Carbon (diamantähnliche Kohlenstoffschicht). Diese Beschichtung soll hier insbesondere für einen geringeren Widerstand sorgen und so die Haltbarkeit der Kette erhöhen und den Nachstellbedarf verringern. Selbst das Rangieren soll leichter gehen.
Bodenhaftung
Auf unserer Route mit Abstecher nach Österreich und Italien durchfuhren wir mehrere schwungvolle Täler und überquerten mehrere Pässe. Die Asphaltbeschaffenheit wechselte dabei stets, was für das Fahrwerk teilweise eine echte Herausforderung darstellte. Mir taugte die straffste Voreinstellung des adaptiven E-Fahrwerks (A-1) am besten, um wirklich sportlich zu fahren (manueller Getriebemodus und Modus „Sport“). Dabei ist die Dämpfung am direktesten, was etwas weniger Komfort bedeutet, die Tracer 9 GT+ aber klar am ruhigsten in der Spur hält. Auch ist die Rückmeldung von Front und Heck hier am klarsten. Insgesamt bewegte sie sich sehr flink durchs enge Winkelwerk, ohne in weiteren Radien oder auf schnellen Geraden Stabilität vermissen zu lassen.
In den beiden Automatik-Modi des Y-AMT-Getriebes ist jeweils die etwas softere Fahrwerksabstimmung A-2 voreingestellt. Hier geniesst man mehr Komfort, doch kommt bei schnellen Unebenheiten auch klar mehr Unruhe ins Fahrwerk. Im Menü lassen sich jedoch diverse Parameter individuell einstellen.
Die Tracer 9 GT+ bremst mit
Punkten kann die neue Tracer 9 GT+ auch mit ihren Bremsen. Bereits die 2023 lancierte Vorgängerin verfügte über ein radargestütztes Kombibremssystem, doch wurde dieses nochmals spürbar überarbeitet. Auf unserer Testfahrt, bei der neben herrlichen Bergstrecken auch einige Autobahnabschnitte, Ortsdurchfahrten und weite Landstrassen dabei waren, kamen alle möglichen Bremsmanöver vor. Top: Die Bremsen arbeiten tadellos, insbesondere bei Bremswirkung und Dosierung gibt es nichts auszusetzen. Ausserdem war von der elektronischen Unterstützung kaum irgendetwas zu vernehmen, sofern man selbst beide Bremsen betätigte. Denn, auch das leistet das System: Es erhöhnt im Bedarfsfall nicht nur den Bremsdruck, wenn es erkennt, dass eine mögliche Kollision verhindert werden kann, es aktiviert jeweils auch die Hinter- bzw. Vorderbremse, wenn der Fahrer diese noch nicht betätigt hat. Wichtig jedoch: Das System ist nach wie vor kein Notbremssystem, welches das Motorrad selbständig bremsen oder gar zum Stillstand bringen könnte. Es unterstützt lediglich den Fahrer.
Adaptiver Tempomat
Es gibt jedoch eine Situation, in der die Tracer 9 GT+ tatsächlich selbst abbremst: Wenn der (ab 30 km/h arbeitende) adaptive Tempomat aktiviert ist. Die Tracer 9 GT+ war 2023 übrigens das erste Motorrad eines japanischen Herstellers, das mit einem adaptiven Tempomaten ausgerüstet wurde. Das System bietet sich nach meiner Einschätzung besonders für entspannte Fahrten auf der Autobahn oder weiten Landstrassen an, wenn der Genuss im Vordergrund steht. Und gegebenenfalls das Mitschwimmen im Verkehr. Bremst der Vordermann ab, tut dies die Tracer genauso. Im Automatikmodus werden nötigenfalls auch die Gänge runter- und wieder raufgeschaltet.
Totwinkel-Assistent und Berganfahrhilfe
Ein cooles neues Sicherheitsfeature ist der Totwinkel-Assistent. Dank Implementierung eines weiteren Radars am Heck erkennt das System ein Fahrzeug, das sich seitlich von hinten nähert. Ist das der Fall, wird das auf der entsprechenden Seite im Rückspiegel durch ein Symbol in Orange angezeigt. Bei Stopps erleichtert einem die Hill Hold Control das Leben. Sie aktiviert sich je nach Einstellung automatisch, wenn man am Berg anhält oder per Betätigung des Bremshebels. Sie bleibt jeweils für praxistaugliche fünf Minuten in Betrieb. Optimierungsbedarf gibt es noch beim selbstrückstellenden Blinker, der, besonders nach Abzweigungen zu lange weiterblinkt.
Ergonomie und Windschutz
Die Tracer 9 GT+ hat sich auch hinsichtlich Ergonomie und Windschutz zu einer ausgewachsenen Touringmaschine gemausert. Die Sitzhöhe wuchs zwar leicht (von 820 auf 845 mm), doch wurde der Bereich im Übergang von Sattel zu Tank schmaler, so dass sich das Schrittbogenmass verringerte. Damit ist die gleich gute Bodenerreichbarkeit gewährleistet und stellte in meinem Fall mit 173 cm kein Problem dar. Die Polsterung des vergrösserten Sattels wurde zudem überarbeitet. Sie bietet nach meinem Empfinden einen guten Mix aus Komfort und Straffheit. Der Sattel lässt sich ohne Werkzeug zudem um 15 mm höher positionieren.
Als gut hat sich im Test auch die überarbeitete und im Windkanal getestete Verkleidung samt Windschutzscheibe erwiesen. Per Knopfdruck kann die Scheibe etwa für hohe Autobahntempi um satte 10 cm verstellt werden. Die Scheibe nimmt zuverlässig den Druck von der Brust. Den Helm erreichte der Wind in meinem Fall nur ganz oben und dies, ohne lästige Verwirbelungen. Die Hände sind durch die Handprotektoren gut geschützt. Die Griffheizung sorgt für zusätzlichen Komfort. Einzigartig: Die Griffheizung verfügt über alltagstaugliche 3 Einzelstufen, doch umfasst die Gesamtspanne der Heizleistung 10 Stufen. Eine Sitzheizung findet sich im umfangreichen Zubehörsortiment.
Beleuchtete Koffer mit Zentralverriegelung
Zum Sport-Touring gehören selbstverständlich auch Seitenkoffer – sie sind bereits bei der GT-Variante ohne das Plus („+“) serienmässig dabei. Auf unserer Testfahrt haben sie sich die je 30 Liter als geräumig und leicht zu nutzen erwiesen. Eine helle LED pro Koffer sorgt dafür, dass man auch nachts oder in düsteren Tiefgaragen ohne (Handy-)Taschenlampen-Fummelei leicht findet, was man sucht. Dasselbe gilt übrigens für die hinterleuchteten Schalter und Knöpfe am Lenker. Der Schliessmechanismus der Koffer ist ausserdem – genauso wie der klappbare Tankdeckel – mit dem Keyless-System der Tracer 9 GT+ gekoppelt. Den Funkschlüssel muss man damit nur noch beim Klamotten-Wechsel oder zum Tausch der Batterie in die Hand nehmen.
Wichtig: Wird im Display (oder durch Blinklicht am Schlüssel) angezeigt, dass die Batterie sich ihrem Lebensende nährt, sollte man sie tauschen. Denn der Funkschlüssel ist die einzige Möglichkeit, die mit Keyless-System ausgestattete Tracer 9 GT+ in Betrieb zu nehmen. Der noch zu findende Schlüsselbart dient einzig der Notöffnung der Koffer und der Entriegelung des Sattels.
7-Zoll-TFT mit Navigation und neues Handy-Fach
Zum modernen Touring gehört wie schon bisher auch eine Navigationslösung. Und die bietet das 7 Zoll grosse TFT-Farbdisplay zusammen mit der auf dem Handy zu installierenden Garmin-Motorize-App. Die App ist jetzt kostenlos bei der GT und GT+ dabei. Nach Wunsch zeigt das Display die Route als grosse Karte an. Und fürs Mobiltelefon gibt es neu ein eigenes Fach samt Ladeanschluss auf der rechten Verkleidungsseite.
Fazit
Insgesamt bietet die neue Yamaha Tracer 9 GT+ viele neue Pluspunkte, gegenüber ihrer Schwester „GT“, aber auch gegenüber der vorangegangenen „GT+“. Der Preis von knapp Fr. 19’000.- ist nicht tief, doch stimmt die Preis-Leistung durchaus. Als Kunde erhält man nicht nur viel Technologie, sie hat sich auf der ersten ausgiebigen Tagestour auch als praxistauglich und ausgereift erwiesen.