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Arai Tour-X5 im Test – Benchmark im Adventure-Segment

Arai Tour-X5 Test

Der neue Arai Tour-X5 im heutigen Test wurde im Vergleich zum Vorgänger Tour-X4 beinahe komplett neu entwickelt. Das soll Vorteile bei der Sicherheit und beim Komfort bringen. Von letzteren konnten wir uns auch bereits in der Praxis überzeugen lassen.

Nein, Test bedeutet in diesem Fall nicht, dass wir den brandneuen Arai Tour-X5 ins Labor geschickt und dort zerstört haben. Und nein, wir haben uns mit Arais neuem Touring-Helm auch nicht absichtlich hingelegt. Aber wir haben auf mehreren hundert Kilometern Testfahrt Komfort und Features unter die Lupe genommen und uns mit den Arai-Verantwortlichen über die Sicherheitsaspekte unterhalten.

 

Arai Tour-X5 Test

Der Test des neuen Arai Tour-X5 fand im kurvigen Hinterland Almerias (E) statt.

Indizienprozess

Letztere stehen bei Arai seit jeher an erster Stelle. Klar, als Helmhersteller müssen die Japaner das fast so sagen. Und doch gibt es diverse Indizien, die darauf schliessen lassen, dass dies bei Arai tatsächlich der Fall ist. So sind Arai-Helme beispielsweise ziemlich teuer – alle.

 

Es gibt vom japanischen Traditionshersteller keine Budget-Optionen – das würde der Firmenphilosophie widersprechen. Denn qualitativ hochwertige und sichere Helme seien nicht günstig herzustellen. Das trifft auch auf den Tour-X5 zu 999 Franken werden für die einfarbigen Versionen fällig, wer ein (handgeklebtes) Dekor möchte, muss gar 1079 Franken hinlegen.

 

Arai Tour-X5 Test

Auch die Dekors werden bei Arai in Japan von Hand angebracht und anschliessend überlackiert.

 

Auch sind Arai-Helme nie die leichtesten. Vielmehr gehören sie in ihren jeweiligen Kategorien unter den Premiumprodukten oft zu den schwersten Vertretern. Auch wenn der Tour-X5 mit 1650 Gramm in Grösse L jetzt auch nicht wirklich schwer ist, gehört er dennoch nicht zu den Leichtgewichten. Warum? Weil höchste Sicherheit und absoluter Leichtbau nicht zu vereinbaren seien.

 

Eelco van Beek von Arai-Europa erklärt dies so: «Bei Innenfutter, Aero-Elementen und EPS-Schaum ist praktisch kein Gewicht zu sparen. Will man wirklich Gewicht sparen, geht das am leichtesten bei der Helmschale. Dann wird diese aber dünner und somit weniger stabil, wodurch dann ein dichterer EPS-Schaum verwendet werden muss, was negative Einflüsse auf die Schlagabsorbation hat. Wir bei Arai setzen seit jeher auf sehr «weiche» EPS-Schäume in unterschiedlichen Dichten je nach Position am Kopf. Das bringt massiv mehr Sicherheit, erfordert aber auch eine sehr stabile Aussenschale.»

 

Helmschale

Die stabile Fiberglas-Aussenschale bildet das Rückgrat des Arai Tour-X5.

Rund ist sicher

Weiter sind Arai-Helme – auch wenn Optik natürlich Geschmackssache ist – nicht die optisch ansprechendsten am Markt. Zu rund ist dafür für viele die Grundform der japanischen Helme. Warum? Weil ein runder Helm sicherer sei als einer mit vielen Ecken und Kanten. Dies weil bei einem Sturz wichtig ist, dass der Fahrer möglichst ungehindert über den Boden schlittern kann, ohne anzuhängen. Und das kann eine Kugel deutlich besser als ein Würfel. Darum sind auch beim neuen Tour-X5 alle Aero- und Belüftungselemente so befestigt, dass sie bei einem Sturz einfach abgerissen werden.

 

Helm Aero-Elemente

Sämtliche Aero-Elemente sind so befestigt, dass sie bei einem Sturz leicht abgerissen werden können.

 

Doppel-D-Verschlüsse auch bei Touring-Helmen, das Fehlen integrierter Sonnenblenden sowie verhältnismässig wenige Belüftungsöffnungen sind weitere Indizien dafür, dass Arai bei seinen Designentscheidungen wirklich die Sicherheit als höchstes Gut bewertet und Komfort und Features hintenanstellt.

Mehr Luft

Einige Features gibt’s beim neuen Arai Tour-X5 im heutigen Test aber trotzdem. So gibt’s neu mehr Belüftung an der Stirn. Die Lufteinlässe sind dabei clever unter dem Logo platziert und somit praktisch unsichtbar. Ermöglicht hat diese Lufteinlässe der Einsatz einer zusätzlichen Schicht «Superfibre», einer hochwertigeren Art von Fiberglas, die im Stirnbereich zum Einsatz kam, und eine für Arai angemessene Steifigkeit der Aussenschale in diesem Bereich trotz der Löcher ermöglichte.

 

Auch der Lufteinlass am Kinn wurde überarbeitet und soll jetzt bis zu doppelt so effektiv sein wie beim Vorgänger. Und weil nicht nur wichtig ist, wie neue Luft zum Kopf kommt, sondern auch, wie die alte Luft abgesogen wird, wurden auch die Auslasskanäle für mehr Durchfluss überarbeitet. Ein Fortschritt der mir als langjähriger Tour-X4-Fahrer bei der Testfahrt sofort auffiel.

 

Arai Tour-X5 Test

Neu kann Luft durch das Logo an der Stirn geleitet werden.

 

Während der ausziehbare Kinnspoiler schon beim Tour-X4 vorhanden war, so sind die Intercom-Vorbereitungen des Arai Tour-X5 im Test eine absolute Neuerung. So wurde der Ohrenbereich bewusst offengelassen und auch bereits mit einem Klettverschluss versehen, so dass die Lautsprecher nur noch angeklebt werden müssen. Wer kein Intercom verwenden möchte, kann den Freiraum aber nach wie vor mit Schaumstoffelementen schliessen. Auch der Kragen ist für Intercoms mit einem Kabelkanal sowie einer kleinen Tasche für überlange Kabel vorbereitet. Und die Helmseite wurde bewusst eben gehalten, damit auch die Funkeinheit problemlos angeklebt werden kann.

Runder und dicker

Die grösste Neuerung beim Arai Tour-X5 im heutigen Test ist indes bei der komplett neuen Helmschale sowie dem neuen Peak (Dächlein) zu finden. So wurde der gesamte Helm deutlich runder. Was wie eingangs erwähnt primär der Sicherheit dienen soll. Beim Visier hat diese Neuerung aber noch einen weiteren Vorteil. Weil auch das Visier deutlich runder und weniger spitz zulaufend wurde, gibt es nun auch bei teilweise geöffnetem Visier oder in Kombination mit einer Brille keine Optikstörungen mehr. Beim Tour-X4 konnte es ab und an vorkommen, dass das Bild durch die starke Krümmung etwas verzogen wurde, das ist nun Geschichte.

 

Auch der Peak wurde komplett neu konstruiert. Er ist neu dicker und mit einer deutlich grösseren Lücke zum Helmkörper versehen. Das sieht auf den ersten Blick etwas ungewohnt aus, hat aber markant spürbare Vorteile bei der Aerodynamik. Dabei sorgt die höhere Steifigkeit in der Praxis für deutlich geringere Vibrationen, auch wenn die Windabrisskante genau im Stirnbereich liegt als bei vergleichbaren Adventure-Helmen. Zudem sind die Kräfte, die auf Kopf und Nacken wirken, wenn der Helm – bspw. beim Stehendfahren – komplett im Wind ist, deutlich kleiner als bei jedem anderen Adventure-Helm, den ich je gefahren bin.

 

Helm Dächlein

Die grosse Öffnung zwischen Helm und Dächlein sorgt für deutlich verbesserte Aerodynamik.

Anpassungsfähig

Ebenfalls komplett neu ist der Mechanismus, mit welchem Peak und Scheibe fixiert werden. Kamen beim X4 noch Schrauben zum Einsatz, können beim Arai Tour-X5 Peak und Scheibe mit nur einem Knopfdruck (pro Seite) ohne Werkzeug entfernt werden.

 

Wie auch beim Vorgänger ist es auch beim X5 wieder möglich, ihn sowohl ohne Scheibe als auch ohne Peak zu fahren. Will man ohne Dächlein unterwegs sein muss dann jedoch wieder eine Schraube gelöst werden, damit die Abdeckelemente vom Peak getrennt werden können. Aber auch das ist in wenigen Minuten und mit einer Münze gemacht.

 

Arai Tour-X5 Test

Peak und Visier können neu ohne Werkzeug demontiert werden.

Für jeden Kopf

Wie bei Arai üblich kann auch beim Tour-X5 das Innenfutter individuell angepasst werden. Wangenpolster und Kopfbereich können dabei jeweils individuell dicker oder dünner gemacht werden. Dadurch können auch «Zwischengrössen» erreicht werden.

 

Helm Innenfutter

Das Innenfutter kann für die perfekte Passform angepasst werden.

 

Im Grunde gibt’s den Arai Tour-X5 jedoch in den sechs Grössen XS, S, M, L, XL und XXL, wobei sich jeweils XS und S, M und L sowie XL und XXL eine Aussenschale teilen.

Fazit

Wer bis hier gelesen hat, dem wird aufgefallen sein, dass Arai auch beim Tour-X5 wieder mit Dingen glänzt, die nicht vorhanden sind. Keine Sonnenblende, keine neuen Höhenflüge beim Gewicht und kein modern kantiges Design. Dafür soll auch der Tour-X5 deutlich sicherer sein als dies die neue ECE-22.06-Norm fordert, welche deutlich einfacher zu erfüllen sei als die internen Testprozeduren.

 

In der Praxis fallen indes vor allem die Fortschritte bei der Aerodynamik vor allem bezüglich des Peaks und die bessere Belüftung auf. Und auch die einfachere Montage und Demontage von Peak und Visier schafft in der Praxis Vorteile. Sitz und Komfort haben bei meinem Kopf indes bereits beim Vorgänger absolut gepasst und sind entsprechend auch beim Tour-X5 kein Thema. Somit kann der Tour-X5 als rundum (pun intended) gelungenes Update gewertet werden, auch wenn der Preis nach wie vor viele abhalten wird.

 

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