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BMW F 900 GS im Test – Spezialist statt Allrounder?

BMW F 900 GS Test Offroad

Heute im Test: die neue BMW F 900 GS, die ihre Vorgängerin im Gelände um Welten überflügeln und dabei auf der Strasse nichts verloren haben soll. Ob dieser Spagat gelingen kann?

Die BMW F 900 GS im Test wurde für 2024 leichter, stärker und deutlich offroadtauglicher als ihre Vorgängerin. Rund 80% der Teile sind dabei gegenüber der F 850 GS neu und auch optisch unterscheidet sie sich klar von ihrer Vorgängerin. Leichter, sportlicher und «offroadiger» kommt die Bayerin daher. Und weil die gesteigerten Offroad-Fähigkeiten das grosse Ziel der BMW F 900 GS sind, beginnen wir unseren Test auch direkt im Gelände.

 

BMW F 900 GS Test Enduro Pro

Die optionale Trophy-Lackierung ist unabhängig von den anderen Paketen wählbar.

 

Unterwegs sind wir dabei mit einer F 900 GS mit Enduro-Pro-Paket. Darin enthalten ist das Sportfahrwerk – bestehend aus einer voll einstellbaren Showa-Gabel und einem ebenso voll einstellbaren ZF-Federbein, das sogar individuell in High- und Low-Speed-Druckstufe eingestellt werden kann. Zudem gibt’s auch Riser für den Lenker, welche die Position im Stehen verbessern sowie die Wartungsfreie M-Endurance-Kette. Bereift sind die Maschinen mit Metzeler Karoo 4 Gummis, welche ab Werk geordert werden können.

 

 

Natürlich sind wir auch bei diesem Test der BMW F 900 GS nicht im Hard-Enduro-Gelände unterwegs, sondern bewegen uns primär auf Schotterpisten. Daneben gibt’s einige Abstecher auf sandige und teils relativ steile Singletrails sowie in diverse ausgetrocknete Bachbette. Gerade letztere gehören mit ihrem tiefen, sandig-kiesigen Untergrund normalerweise ja gar nicht zu den Stärken schwerer Reiseenduros.

BMW F 900 GS im Test – abgespeckt

Punkto schwer: Das Gewicht – respektive das verlorene Gewicht – ist einer der wichtigen Punkte an der neuen F 900 GS. 14 Kilo konnte sie im Vergleich mit der Vorgängerin abspecken, davon satte 4,5 Kilo am Tank, also hoch oben. Insgesamt bringt die 900er nach DIN-Norm mit 90% befülltem Kraftstofftank nun 219 Kilo auf die Waage. Zum Vergleich: Die grosse Schwester R 1300 GS bringt minimal 237 Kilo auf die Wage.

 

Damit ist sie zwar klar schwerer als die kleineren Yamaha Ténéré und Aprilia Tuareg, bewegt sich aber auf einem Niveau mit den wohl direktesten Konkurrentinnen aus Österreich und Italien. Auch preislich kann sie mit denen gut mithalten, inklusive Dynamik- und Enduro-Pro-Paket kostet sie in der Schweiz 17’700 Franken und bewegt sich damit im Rahmen von DesertX und 890 Adventure R. Der Basispreis ab 14’400 liegt dabei deutlich unter jenen der anderen 900er.

 

BMW F 900 GS Test Stehen

Inklusive Dynamik- und Enduro-Pro-Paket gibt’s die BMW F 900 GS im Test ab 17’700 Franken.

Gutmütig und potent

Nun aber zurück ins Gelände. Und die neue 900er GS macht sich hier ganz schön gut, überzeugt vor allem durch ihre einfache Fahrbarkeit bei gleichzeitig hohem sportlichem Potential.

 

Dass die F 900 GS im Gelände einfach zu fahren ist, liegt auch am Motor. Der Reihenzweizylinder mit 270 Grad Zündfolge, maximal 105 PS und 93 Nm Drehmoment lässt sich sehr sanft ans Gas nehmen und legt absolut vorhersehbar Leistung zu. Dadurch fällt es ungemein leicht, in Kurven übers Hinterrad zu steuern, und dieses kontrolliert ausbrechen zu lassen.

 

Motor

Der Zweizylinder ist einfach dosierbar, entwickelt in höheren Drehzahlen aber einen durchaus spritzigen Charakter.

 

Die Traktionskontrolle schalte ich dabei im Gelände komplett aus – das ist für mich vorhersehbarer als mit eingeschalteter Offroad-TC, auch wenn diese gar nicht schlecht funktioniert. Ausgeschaltet ist im Enduro-Pro-Modus mit der richtigen Voreinstellung auch das ABS am Hinterrad, während jenes am Vorderrad auf sehr niedriger Eingriffsstufe aktiv bleibt. Für mich die perfekte Kombination für die Offroad-Reise-Maschinen.

Fahrwerk mit Reserven

Während in langsameren Passagen primär die Zugänglichkeit zu überzeugen vermag, so kann auf schnelleren, teils ausgewaschenen Schotterpisten das Sportfahrwerk glänzen. Auch grössere Schlaglöcher werden ohne hartes Durchschlagen weggefedert. Mit dem Enduro-Pro-Paket ist die F 900 GS definitiv nicht nur fürs gemütliche Enduro-Wandern, sondern auch für schnelle Pisten-Abenteuer und härteres Gelände gewappnet.

 

Die Position im Stehen ist dabei durchaus angenehm, der Lenker ist mit den Risern schön hoch positioniert und die Taille angenehm schmal. Bei meiner Körpergrösse von 170 cm sind jedoch die Knie genau auf der Höhe der Sattelkannte, was auf Dauer etwas schmerzhaft werden kann.

 

Sprung Offroad

Wir wurden beim Test leider nur im zahmen Gelände fotografiert, weshalb hier Guide Christoph Zimmermann die Flugfähigkeiten der GS unter Beweis stellt.

 

Insgesamt hält die F 900 GS im Gelände aber was sie verspricht: deutlich mehr sportliches Potential als die Vorgängerin. Damit ist sie eine extrem spannende Alternative zur gestandenen Konkurrenz – wir freuen uns schon auf den Vergleichstest.

 

Und auch im Detail hat BMW Kompetenz bewiesen, und zwar mit zwei eigentlich sehr simplen Knöpfen. Mit dem Mode-Knopf wird dabei einfach zwischen den verschiedenen Fahrmodi gewählt, während die Traktionskontrolle über einen separaten Knopf mit einem Klick ein- und ausgeschaltet werden kann. Das ist vor allem sehr angenehm, wenn immer wieder von der Strasse ins Gelände und zurück gewechselt wird.

 

Strassentauglich im Offroad-Trimm

Bevor wir uns nun der Strassenorientierten Version der F 900 GS im heutigen Test widmen, noch kurz zur Strassenperformance mit dem Enduro-Pro-Paket. Denn die ist angesichts der Reifen sehr ordentlich. Natürlich liegen mit diesen Gummis nicht die gleichen Schräglagen drin, wie mit Strassenpneus, aber flott geht’s trotzdem durch die Kurven.

 

Im Basissetup des Enduro-Pro-Fahrwerks fühlt sich für mich die Front – sicher auch aufgrund der hohen Lenkerposition – auf der Strasse aber doch etwas gar leicht an, ein Problem, das ich mit etwas mehr Vorspannung am Federbein und einer aktiven Fahrweise mit aktiviertem Rumpf jedoch schnell zu lösen vermag.

 

BMW F 900 GS Test

Der Akrapovic-Endtopf gehört zur Serienausstattung. Der Sound ist in tiefen Drehzahlen zurückhaltend, wird der Motor ausgedreht, wird’s hörbar lauter.

Die Basis-Version auf der Strasse

Nun aber endgültig ab auf die Strasse. Hier kommt das Standard-Fahrwerk zum Einsatz. Auch hier ist die Gabel voll einstellbar, das Federbein kann in Vorspannung und Zugstufe eingestellt werden. Punkto Standard: Der Akrapovic-Endtopf gehört übrigens bei allen F 900 GS zur Grundausstattung – echt stark.

 

BMW F 900 GS Test Strasse

Ohne Zubehör gibt’s die mittlere GS ab 14’400 Franken, aber auch unser Strassen-Test-Bike war nicht ganz serienmässig.

 

Im Vergleich zum Sportfahrwerk ist das Standard-Pendant spürbar komfortabler abgestimmt und macht so auch auf schlechten Strassen einen guten Job, bietet aber nicht ganz so viel Gegenhalt und Feedback. Auch bei der Strassenversion fühlt sich die Front im Basissetup bei meinem Gewicht von knapp über 80 kg dabei etwas leicht an. Und auch die softere Grundabstimmung kostet bei sportlicher Gangart vertrauen.

 

Meine Lösung, mehr Vorspannung am Federbein für mehr Druck auf dem Vorderrad, und die dazugekommene Nervosität der Hinterhand durch einen Klick mehr Zugstufendämpfung am Federbein korrigieren. Zudem einen Klick mehr Druckstufendämpfung an der Gabel für mehr Support auf der Bremse und einen Klick mehr Zugstufendämpfung für das Ausgleichen der dynamischen Gewichtsverteilung.

 

 

So eingestellt gibt mir die F 900 GS im Strassentrimm deutlich mehr Vertrauen und lässt sehr flottes Kurvenwetzen zu. Damit ist dies einmal mehr ein Beweis dafür, wie sehr ein Motorrad von einstellbaren Federelementen profitieren kann.

Spritziger Zweizylinder

Auch die Neuerungen am Motor, vor allem das gesteigerte Drehmoment in tieferen Drehzahlen sowie die kürzere Übersetzung, tuen sich auf der Strasse positiv hervor. Die F 900 GS gibt sich hier überraschend spritzig und lädt mit dem frei hochdrehenden Zweizylinder geradezu zu flotten Zwischensprints ein.

 

Der Motor ist dabei gerade obenraus – wenn man in die Nähe der Maximalleistung gelangt – auch echt emotional. Dreht man ihn aus, ist das Vorurteil der Charakterlosigkeit schnell entkräftet.

 

BMW F 900 GS Test

Die Lampenmaske gehört zu den optischen Neuerungen der F 900 GS.

Kompromisse

Und doch kann das Loblied auf der Strasse nicht ganz an jenes im Gelände anknüpfen. Schuld daran sind primär die Bremsen. Die verzögern zwar ordentlich, sind in Punkto Druckpunkt und Feedback aber schon als Enduro-Bremsen zu erkennen, was bei einem Motorrad dieser Klasse aber auch nicht weiter schlimm ist. Schon störender ist da der wandernde Druckpunkt bei kontinuierlicher Belastung im Kurvenrevier.

 

Klar ist die axial montierte Doppelkolbenzange keine Sportbremse und funktioniert in Beachtung dessen auch sehr ordentlich, aber damit wird auch der Fokus der neuen F 900 GS unterstrichen.

 

Ähnlich sieht’s beim Komfort aus, denn sowohl Windschutz als auch Sitzkomfort sprechen eher für Geländesport als Fernreise. So gibt’s auch mit der höheren Zubehörscheibe bei Autobahntempi klare Verwirbelungen am Helm. Und auch der Sattel ist eher sportlich gepolstert.

 

Scheibe

Bei meiner Körpergrösse von 170 cm liegt die Windabrisskante mit der höheren Scheibe genau auf Kopfhöhe.

 

Beides Kompromisse, die BMW gemäss eigener Aussage zum Wohle des sportlichen Potenzials im Gelände gerne in Kauf nimmt. Für Reisewillige gäbe es da ja extra die F 900 GS Adventure, die mehr Windschutz, Komfort und Reichweite bietet. Und für wen primär die Strasse im Fokus steht, gibt’s ja auch noch die F 800 GS. Fair enough.

Fazit

Im Vergleich zu ihrer Vorgängerin F 850 GS, die auf der Strasse eigentlich immer gut ankam, im Gelände aber klare Schwächen hatte, hat sich die F 900 GS durchaus stark verändert. Abseits der Strasse gehört sie nun zu den Top-Performern in der Klasse und macht Unmengen an Spass. Auch beim sportlichen Kurvenwetzen auf der Strasse macht sie insgesamt eine sehr gute Figur. Dafür hat der Komfort und die Langstreckentauglichkeit gelitten – die mittlere GS ist jetzt klar mehr Sportlerin als Allrounder.

 

BMW F 900 GS Test

Auch für sportliche Strassenabenteuer ist die 900er gut gerüstet.

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