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Indian Scout: Test der neuen 2024er-Modelle

Indian Sport Scout

Seit 10 Jahren ist die Scout-Familie der unbestrittene Absatztreiber von Indian Motorcycle; der im Jahr 2011 durch Polaris Industries wiederbelebten und ältesten US-amerikanischen Motorradmarke. Exakt 104 Jahre nach Erscheinen der ersten Indian Scout folgt nun die neuste Auflage der Legende – und zwar in fünf Kapiteln.

Die Neuauflage einer Ikone ist ein heikles und riskantes Unterfangen. Vieles kann schief gehen, und nicht nur die eingeschworene Fangemeinschaft, sondern die komplette Szene blickt mit Argusaugen auf das Resultat. Entwickelt der Hersteller die vermeintliche Neo-Legende in die falsche Richtung oder schiesst er über das Ziel hinaus, dämpft das nicht nur den Absatz und damit das Konzernergebnis, auch das Image der zu erneuernden Galionsfigur wird empfindlich angekratzt, und die Verantwortlichen gelten zu Recht als Buhmänner bzw. -frauen.

 

Und auf genau dieses dünne und rutschige Eis begab sich während der letzten vier Jahre Indian Motorcycle. Denn es galt, die vor 10 Jahren unter der damals neuen Regentschaft von Polaris Industries neuentwickelte Scout erstmals einem umfassenden Relaunch zu unterziehen. Wir sprechen hier vom Nachkömmling jener legendären Scout, die im Jahr 1920 vom genialen irischen Ingenieur und Rennfahrer Charles Franklin entwickelt wurde und Indian wieder aus der Krise brachte. Sie bot eine grundsolide technische Basis, mit der kein Konkurrenzprodukt aus der damaligen Zeit wirklich mithalten konnte.

 

Das Potenzial der Scout demonstrierte etwa Ed Kretz, als er 1937 mit ihr das erste je durchgeführte Daytona-200-Rennen gewann. Oder der Neuseeländer Burt Munro, der seine 1920er-Scout so lange weiterentwickelte, bis er 1967 auf dem Salz von Bonneville mit 331 km/h gemessen wurde.

 

Indian Scout von 1924

Indian Scout von 1920

 

So viel zur illustren Historie der Scout. Aber auch in der Neuzeit ist sie für Indian Motorcycle systemrelevant: Mit über 100’000 in den letzten 10 Jahren abgesetzten Einheiten generiert sie über 50 Prozent des Gesamtvolumens der Indianer. Bei den Kundenbefragungen erzielt die Scout innerhalb des Indian-Portfolios klar die besten Resultate, am wichtigsten ist allerdings, dass sie das Einstiegstor zur Marke darstellt. 93 Prozent der Käuferinnen und Käufer kommen über eine Scout zum ersten Mal in Berührung mit Indian, und davon sind knapp 30 Prozent Neueinsteiger.

 

Indian Scout 2024: Evolution statt Revolution

Aaron Jax, Vizepräsident von Indian Motorcycle, formuliert es klar: «Mit den neuen Scout-Modellen, welche die nächsten 10 Jahre abdecken werden, streben wir die Marktführerschaft bei den Mittelklasse-Cruisern an». Und entstanden ist die neue Scout nicht als Revolution, sondern als Evolution. Hierzu Design-Chef Ola Stenegard: «Im Zentrum stand der Erhalt der Zeitlosigkeit. Wir folgen keinen Trends, sondern halten alles simpel und ‹clean›, und das ist in der heutigen von Hightech geprägten Zeit die grosse Kunst. Weniger ist mehr, und das hilft später beim Customizing, das bei der Scout essenziell ist. Das heisst aber nicht, dass nicht an allen Ecken und Enden technisch wie optisch Hand angelegt wurde!»

 

Eine Basis, fünf Modelle

Tatsächlich blieb bei der neuen Scout, die ab Mai in fünf Modellvarianten mit jeweils nahezu identischer technischer Basis am Start stehen wird, kein Stein auf dem anderen. Doch bevor wir uns die technischen Neuerungen zu Gemüte führen, werfen wir einen Blick auf die Charakteristika der fünf Familienmitglieder:

 

Indian Scout Bobber

Indian Scout Bobber

 

Die Scout Bobber (ab 17’390 Franken) ist die Schnörkellose, die Puristische im Line-up. Sie dürfte der Scout-Bestseller bleiben, ist rundum in Schwarz gehalten und rollt mit gebobbten Fendern, einer frechen Lampenmaske, 16-Zoll-Rädern, «tiefergelegtem» Fahrwerk mit hinten lediglich 50 mm Federweg, Lenkerendspiegeln und einem Solositz an. Alle anderen Scouts verfügen hinten übrigens über 76 mm Federweg und bieten so etwas mehr Komfort.

 

Indian Sport Scout

Indian Sport Scout

 

Die Sport Scout (ab 17’690 Franken) ersetzt die 1130er-Rogue. Zu ihren Spezialitäten zählen die rassige Club-Kopfschale, das 19-Zoll-Vorderrad, die 150 mm langen, von der Gabelbrücke getrennten Riser, gefräste Gabelbrücken, Lenkerendspiegel und einen mehr Support bietenden Sitz.

 

Indian Scout Classic

Indian Scout Classic

 

Die Dritte im Bunde – wenn wir weiter preislich aufsteigen wollen – ist die Scout Classic (ab 17’990 Franken). Zu erkennen ist sie an den klassisch-geschwungenen Fendern, den vielen Chrom-Elementen, den 16-Zoll-Drahtspeichenrädern, der Mehrfarblackierung am 13-Liter-Tank sowie an der entspannt-aufrechten Ergonomie.

 

Indian Super Scout

Indian Super Scout

 

Bleiben die beiden Spitzenmodelle. Preislich mit 18’990 Franken identisch positioniert, unterscheiden sie sich sonst aber ganz wesentlich: Während die 101 Scout die sportliche Speerspitze der Familie darstellt, handelt es sich bei der Super Scout um einen leichten Tourer auf Bobber-Basis. Auf den ersten Blick zu erkennen etwa am Windschild mit «quick release» sowie an den Seitenkoffern mit knapp 40 Litern Volumen (nicht abschliessbar). Weitere Spezialitäten der Super Scout sind der Soziussitz, die Drahtspeichenräder, das Komfort-Fahrwerk und die hübsche Retro-Lackierung.

 

Indian 101 Scout

Indian 101 Scout

 

Und jetzt zum Aushängeschild der Scout-Familie, zur 101. Sie ist klar als Hommage an die von 1928 bis 1931 gebaute 101 Scout zu verstehen, die von manchen als beste je gebaute Indian taxiert wird. Als einzige rollt die Neo-101 mit einer 43-mm-USD-Gabel an, die – wie die Piggyback-Federbeine – voll einstellbar ist sowie mit einer 320er-Doppelscheibenanlage mit Vierkolbenzangen von Brembo. Frech erscheinen auch die Tanklackierung mit Indianerkopf, der Sportsitz mit mehr Support, die hohen Riser, die Aluräder mit Fräsverzierungen – vorn im 19-Zoll-Format – und die knappe Kopfschale. Die 101 ist zudem das einzige Scout-Modell, bei dem ab Werk mittels spezieller Kalibrierung des V2 111 PS vom Zaum gelassen werden. Auch das Pathfinder-Lichtelement ist eine USP der 101.

 

Alle Indian Scout für die Schweiz mit Vollausstattung

Indian hat für die neuen Scout-Modelle diverse, auf einander aufbauende Ausstattungspakete im Sortiment. Dies ist für die Schweiz insofern irrelevant, als alle fünf Scouts ausschliesslich mit dem Spitzen-Ausstattungspaket namens «Limited +Tech» nach Helvetien importiert werden. Konkret heisst das, dass alle Scouts neben ABS eine neue LED-Beleuchtung, eine leistungsstärkere Batterie und neu gezeichnete Lenkerarmaturen erhalten haben. Weiter zieren die Scouts für Helvetien Premium-Logo-Batches, Cruise Control, die Riding Modes «Rain», «Standard» und «Sport», eine Traktionskontrolle und eine USB-Ladebuchse.

 

4-Zoll-TFT-Display

4-Zoll-TFT-Display mit Touch-Funktion: in der Schweiz serienmässig dabei.

 

Doch damit nicht genug: Ein 4-Zoll-TFT-Display ist genauso dabei wie Keyless-Ride und Connectivity. Und wichtig für alle Einsteger: Als A2-Versionen – ebenfalls ausschliesslich mit voller Ausstattungs-Ladung – werden die Scout Bobber, die Scout Classic und die Sport Scout verfügbar sein.

 

SpeedPlus: mehr Power und Druck

Dann wenden wir uns jetzt der technischen Basis der neuen Scout-Familie zu und beginnen beim Herzen, dem grundlegend überarbeiteten und um 120 ccm vergrösserten 1250er-60-Grad-V2 mit Vierventiltechnik und Wasserkühlung. Der «SpeedPlus» genannte Antrieb gibt sich optisch aufgeräumter und – mit neuen, schneller demontierbaren zumal seitlich ausfahrbaren Ventildeckeln – auch wartungsfreundlicher. Am meisten dürften jedoch die neuen Leistungswerte interessieren: Mit einer Spitzenleistung von bis zu 111 PS bei der 101 Scout überflügelt der SpeedPlus den bisherigen Scout-Twin um satte 17 Prozent (105 PS bei allen anderen Scouts). Beim Drehmoment sind es bis zu 14 Prozent mehr. Konkret, bis zu 109 Nm bei der 101, wobei sowohl die Leistungs- wie die noch flacher gezeichnete Drehmomentkurve ihre Pendants aus der 1130er-Scout durchs Band überflügeln sollen (108 Nm bei allen anderen Scouts).

 

Indian SpeedPlus 1250

Indian SpeedPlus 1250 mit bis zu 111 PS bei der 101 Scout.

 

Der Zusatzzunder resultiert aus der Erweiterung der Bohrung, einer Steigerung der Verdichtung sowie der Implementierung neuer Zylinderköpfe mit grösseren Ventiltellerdurchmessern. Das beschriebene Leistungsplus hat die Amis nun dazu bewogen, bei der Scout die Traktionskontrolle einzuführen. Weitere motorseitige Neuerungen sind die leichtgängigere Bedienbarkeit der neu eingeführten Rutschkupplung sowie – freilich – die Homologation Euro5+, der es allerdings zu verdanken ist, dass die komplette und bis dato sehr adrette Auspuffanlage etwas grobschlächtiger wurde.

 

Zugänglichkeit im Fokus

Interessant erscheint der Wechsel vom Werkstoff Aluminium zu Stahl beim Rahmen. Letzterer konnte von vorne bis hinten entsprechend kompakter gezeichnet werden, was etwa an der deutlich eleganteren Integration des etwas kompakteren Wasserkühlers klar abzulesen ist. Kommt hinzu, dass Stahl – wenngleich schwerer als Aluminium – beim Customizing mehr Freiheiten bietet. Ob die Scout mit Stahlrohrskelett das eine oder andere Pfund zugelegt hat? Laut Indian habe sie – insbesondere dank dem Motor – sogar 4,5 Kilo abgespeckt. Was wiederum der Zugänglichkeit zuträglich ist. Apropos: milde 649 mm Sitzhöhe sind diesbezüglich eine klare Ansage.

 

Indian 101 Scout

Der «Riemen» oben am Tank bietet Platz für zwei frei belegbare Knöpfe – etwa für die optionale Griffheizung oder die Zusatzscheinwerfer.

 

Oberste Priorität habe beim Entwicklungsprozess laut Product Director Ben Lindaman jedoch ohne Wenn und Aber das Styling gehabt: Rahmen, Tank, Sitz und Fender seien komplett neu gezeichnet worden, und zwar mit Premium-Anspruch: «Jedes einzelne Detail musste besser und schöner werden, da waren wir wie besessen! Oberflächen, Lacke und Finish sind dabei stark an die US-Classic-Cars der Baujahre 1930 bis 1950 angelehnt», ergänzt Oberdesigner Ola Stenegard. Und tatsächlich: Nichts scheint bei den neuen Scouts optisch aus der Reihe zu tanzen.

 

Nach Belieben Nachwürzen

Es versteht sich von selbst, dass für die Scout-Modellfamilie ein ausgewachsenen Zubehörprogramm ins Leben gerufen wurde. Es umfasst über 100 Komponenten, die teils in die selbstredenden Kategorien «Commuter», «Open Roads», «Stealth» und «Overnighter» organisiert wurden. Und das Beste daran: Im Gegensatz zur 1130er-Scout passen bei den 1250ern sämtliche Komponenten an alle Modelle. Wobei auch mittig angebrachte und damit rund 15 cm weiter hinten verschraubte Fussrastenanlagen im Zubehörsortiment zu finden sein werden.

 

Der Bestseller und der Tourer

Indian Motorcycle hat weder Kosten noch Mühe gescheut und uns nach Kalifornien eingeladen, wo wir allen fünf Scouts ausgiebig auf den Zahn fühlen konnten. Am ersten Fahrtag gings im Sattel von Scout Bobber, Super Scout und Scout Classic auf dem legendären Highway 1 von San Francisco in südöstliche Richtung nach Santa Cruz. Und tags darauf im Sattel der Sport Scout und der 101 Scout wieder zurück in die kalifornische Metropole, jedoch nicht wie an Fahrtag eins der Küste entlang, sondern übers kurvige Hinterland.

 

Indian Super Scout: der «leichte» Tourer

Ich beginne mit der Super Scout, dem touringorientierten Bike im Quintett. Ergonomisch dirigiert sie mich in eine entspannte Haltung mit leicht nach vorn geneigtem Torso. Die Lenkerhälften liegen prima in den Händen, sämtliche Knöpfe und Schalter sind – wie bei allen anderen Scouts, zumal identisch – gut und intuitiv zu bedienen. Das TFT-Display lässt sich prima ablesen, wenngleich die im unteren Bereich dargestellten Informationen doch recht klein ausfallen. Die Menüstruktur resultiert als durchdacht und lässt in puncto Strukturierung, Anordnung und Darstellung keinerlei Wünsche offen. Einzig die Touchscreen-Funktion ist nicht über alle Zweifel erhaben. Gut, dass sich sämtliche Einstellarbeiten auch via Lenkerarmaturen tätigen lassen.

 

Indian Super Scout

Indian Super Scout. Im Hintergrund, San Francisco und die Oakland Bay Bridge.

 

Die Sitzkuhle ist eher straff ausgelegt und lässt nur wenig Bewegungsspielraum zu. Die Knie finden sich im Wellness-Modus wieder, und auch der Tankschluss passt. Sprich, es gibt keine störenden Kanten, und bei Bedarf kann man sich gut mit den Oberschenkeln abstützen. Als ausgesprochen gelungen resultiert das Windschild der Super Scout. Das Bauteil macht einen richtig wertigen und soliden Eindruck, die Schutzwirkung überzeugt, und der Arretiermechanismus ist schlicht perfekt. Tatsächlich ist die Scheibe in nur wenigen Sekunden entfernt und wieder angebracht.

 

Indian Scout Bobber: Das Show-Bike

Als nächstes steht die Bobber für mich bereit. Im Vergleich zur Super Scout liegt hier eine komplett andere, definitiv minimalistischere Welt vor. Die Bobber wirkt kleiner und kompakter, der Lenker ist deutlich weiter vorn angeordnet, was mich in eine Klappmesser-artige Körperhaltung bringt. Tatsächlich ist der Oberkörper sportlich über den Tank geneigt, ähnlich wie bei einem Sporttourer, was ab einer gewissen Fahrzeit zu einem Ziehen in den Oberarmen führt. Nichtsdestotrotz wirkt alles harmonisch und macht Sinn – wie sich ein cooler Bobber halt anzufühlen hat. Der Sitz ist vergleichbar straff gepolstert wie bei der Super Scout, baut sich hinten allerdings weniger weit auf, was beim harten Beschleunigen beim Gesäss zu etwas weniger Support führt.

 

Die Bobber ist aufgrund der kürzeren Federwege auch straffer zu fahren, und Unebenheiten kommen direkter durch. Was nicht heisst, dass die Fahrwerkskomponenten nicht kompetent mit dieser Herausforderung umgehen könnten. Auch die Schräglagenfreiheit – bei der Bobber am knappsten bemessen – geht für einen Cruiser absolut in Ordnung. Die Königsdisziplin Kurvenfahren lässt sich im Sattel der Bobber entsprechend mit Garantie spassbringend zelebrieren. Bei den anderen Scouts sowieso. Eine Spezialität der Scout ist übrigens, dass man in Fahrt praktisch nichts von ihr sieht. Dies und die Tatsache, dass man eine Etage weiter unten zu sitzen scheint, erzeugt ein noch dynamischeres Fahrgefühl.

 

Indian Scout Bobber

Indian Scout Bobber

 

Generell ist es eine Freude, wie satt alle Scouts – bei überraschend luftigem Handling – im Eck liegen. Egal, ob zügig oder in Zeitlupentempo gefahren. Hier haben die Ingenieure und Entwicklungsfahrer echt ganze Arbeit geleistet – Hut ab! Gebremst wird übrigens vornehmlich hinten, auch wenn die vordere Anlage bei den Nicht-101-Scouts den Job beim Cruisen und in der City problemlos erledigt. Die Ansprache vorn fällt Cruiser-typisch eher mild aus, die Verzögerungswerte sind bei entsprechender Handkraft okay. Hinten bleiben keine Wünsche offen, sprich klarer Druckpunkt, gute Dosierbarkeit, bärige Verzögerungskraft.

 

Indian Scout: Ein Motor, zwei Gesichter

So weit so gut. Doch wie schlägt sich eigentlich der neue 1250er-V2? Immerhin ist er ein Hauptdarsteller. Bereits knapp unter 2000/min hängt er vorbildlich-sanft am Gas und kurbelt sauber vor sich hin. Erstaunlich übrigens, dass dieser Vierventiler kaum zu untertouren ist. Gas aufziehen, und er schiebt ohne sich zu schütteln bei nachbarschaftsfreundlicher aber dennoch wuchtiger Klangkulisse mit Elan aus dem Drehzahlkeller. So richtig spielt die Musik zwischen 3000 und 6000 min. Hier mutiert die Scout zum Dampfkatapult, und die Ohrläppchen bekommen immer wieder stationären Besuch von den Mundwinkeln. Über diesem Bereich – die Power wird generell sehr linear und damit berechenbar abgegeben – wird’s dann schnell illegal.

 

Die Kupplung ist butterweich, allerdings fällt der Dosierweg verhältnismässig kurz aus. Dies gestaltet das Anfahren nicht etwa schwierig, aber es ist schon etwas Konzentration gefragt, damit beim Anfahren genügend Gas ansteht, sodass die V2 nicht abrupt den Dienst quittiert. Dafür gibt sich das Getriebe knackig bzw. kommunikativ, und es arbeitet immerzu präzis. Kommt hinzu, dass sich das Auffinden der Neutralstufe als Kinderspiel herausstellt. Keine Selbstverständlichkeit in diesem Segment.

 

Indian Scout Bobber

Indian Scout Bobber

 

Prinzipiell handelt es sich bei diesem extrem druckvollen V2 um einen sportlich orientierten Motor. Und zwar insofern, als er untenrum und in der Mitte die klassische Cruiser-Tugend mit katapultartigem Druck mitbringt, ab der Mitte dann aber richtig durchspurtet. Der 1250er hat im Vergleich zu Mitbewerber-Antrieben im Segment entsprechend zwei Gesichter. Und die sind uns – gerade in Kombination – beide sehr sympathisch. Abgesehen davon sind störende Vibes jeglicher Art für diesen Topmotor, der auch in der Schweiz mitentwickelt wurde, ein Fremdwort. Und ja, die Traktionskontrolle macht bei diesem Leistungs- bzw. Drehmomentvermögen definitiv Sinn, wenngleich wir sie eigentlich nie gespürt haben.

 

Die Fahrmodi? Die sind passend austariert, wenngleich zwischen Standard und Sport sicher keine Welten liegen. Im Regenmodus geben sich die Scouts allerdings schon deutlich entschärfter: Die Ansprache ist noch eine Spur sanfter, der Power-Output klar reduziert.

 

Indian Sport Scout und 101 Scout: die beiden Sportlerinnen

Fahrtag zwei! Sowohl die Sport Scout wie die ebenfalls für heute anstehende 101 Scout rollen mit dem 19-Zoll-Vorderrad an (statt 16 Zoll; Dimensionen ansonsten ebenfalls 130 vorn und 150 hinten). Zudem sind anstelle der stolligen Pirelli MT60RS sportlichere Metzeler Cruisetec aufgezogen. Entsprechend gespannt sind wir auf die Unterschiede bei der Fahrdynamik, die sich folgendermassen zusammenfassen lassen: Die Sportlerinnen geben sich in kurvigem Geläuf generell ein bisschen handlicher als die am Vortag getesteten Scouts, und sie liegen auch einen Tick satter im Eck.

 

In Bezug auf die Ergonomie liegen sie irgendwo zwischen der «extremen» Bobber und der tiefenentspannten Super Scout. Sehr zu begrüssen ist dabei die Tatsache, dass 101 und Sport Scout serienmässig mit dem Sattel mit Lendenstütze ausgeliefert werden. Auch hier ist der Oberkörper leicht über den Tank nach vorn geneigt, die kleine Kopfschale spendet immerhin einen leichten Schutz vor den Elementen.

 

Wir starten mit dem Spitzenmodell: Die 101 Scout verfügt über straffer abgestimmte Federelemente, was auf der einen Seite zu einem noch klareren Feedback führt, anderseits jedoch leichten Komforteinbussen mit sich bringt. Wobei hier der prinzipiell nicht mit haufenweise Eigendämpfung gesegnete Metzeler Cruisetec sicher auch einen Teil dazu beiträgt. Ist das geschwungene Asphaltband jedoch von geschmeidiger Qualität, will man nur noch die 101. Denn bei keiner anderen ist das Flow-Erlebnis gleichermassen nachhaltig aufgetreten wie bei ihr.

 

Indian 101 Scout

Indian 101 Scout

 

In Bezug auf die Bremsen spielt die 101 mit der Brembo-Doppelscheibenanlage definitiv in einer anderen Liga. Dosierbarkeit und Verzögerungskraft liegen auf Rennstreckenniveau. Einzig der Druckpunkt fällt etwas schwammig aus, was auf die Standard-Bremspumpe zurückzuführen ist, die genau so auch bei den anderen Scouts verbaut ist. Schade…

 

Und dann sind da noch die sechs Zusatz-PS, die einen unerwartet signifikanten Unterschied ausmachen. Tatsächlich zieht die 101 spürbar kräftiger durch – insbesondere unten und in der Mitte, was ein Indiz dafür ist, dass nicht nur die Spitzenleistung höher ist, sondern die gesamte Leistungskurve eine Etage höher angesiedelt ist.

 

Indian Sport Scout

Indian Sport Scout

 

Bleibt die Sport Scout, deren Performance schnell erklärt ist: Ergonomisch ist sie – wie gesagt – identisch zur 101. Bei allen anderen Disziplinen liegt sie jeweils eine Stufe unter ihrer exakt 1300 Franken teureren Schwester – insbesondere bei der Performance der Vorderbremse. Sie ist entsprechend so etwas wie die Budget-Version der 101.

 

Indian Scout: das Fazit

Indian Motorcycle hat die Hausaufgaben bei der neuen Scout gewissenhaft erledigt. Die Neuen fünf sind – wenngleich nicht günstig – optisch, technisch wie auch fahrdynamisch definitiv echte Scouts geblieben und nun komfortabel für die nächsten 10 Jahre am Markt gewappnet. Der 1250er-V2 kann sowohl Cruising wie auch Sport, ebenso Fahrwerkskomponenten und Geometrie. Und es ist für jeden Geschmack – von Tourer, über Nostalgiker und Purist bin hin zu Sportlernatur – etwas dabei.

 

Indian Scout 2024

Die neuen Scout-Modelle von Indian sind so ausgelegt, dass sie die nächsten 10 Jahre am Markt sein werden.

 

Info: indianmotorcycle.ch

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