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Kawasaki Ninja 7 Hybrid im Test mit Video

Kawasaki Ninja 7 Hybrid

70 PS soll die Kawasaki Ninja 7 Hybrid mit E-Boost generieren. Und auch die Dauerleistung von 58,5 PS ist für die Kombination aus 451-ccm-Reihenzweizylinder und 9-kW-Elektromotor absolut ansehnlich. Das Motorrad rund um den ersten Töff-Hybrid-Antrieb in der Grosserie nennt sich Kawasaki Ninja 7 Hybrid und soll bereits ab Januar 2024 verfügbar sein. Und wir konnten das neuartige Bike in Spanien bereits testen.

Die Vorurteile, welche die sportlich gezeichnete Kawasaki Ninja 7 Hybrid vom Motorradvolk einstecken muss, könnten nicht diverser sein. Von «Endlich bringt ein Töffhersteller zeitgemässe Technik zur Verbrauchsoptimierung», über das eher neutrale «Braucht es das wirklich?», bis zu «Was? Hybrid? Teufelszeug!», ist querbeet alles zu hören. Da kommt die Einladung von Kawasaki zur Präsentation nach Barcelona, samt ausgiebiger, zweitägiger Probefahrt, wie gerufen. ­Getreu unserem Motto: Zuerst testen, dann urteilen. Was sind wir gespannt!

 

Ausführliche Einweisung

Endlich ist es soweit, nichts wie aufsteigen und los geht’s … doch halt, ganz so intuitiv lässt sich diese Kawa dann doch nicht bewegen. Ein fehlender Kupplungs- sowie Schalthebel ist nicht ganz neu, denn dies kennen wir bereits von einem japanischen Mitbewerber mit Doppelkupplungstechnik. Doch die drei verschiedenen Fahrmodi, welche die Hybridtechnik samt Getriebeautomatik hier bereithält, brauchen ­unweigerlich eine kompetente Einführung.

 

Wir versuchen es mal so übersichtlich wie möglich zu Papier zu bringen. Bei jedem Neustart des Motorrades ist automatisch der Modus «Sport Hybrid» aktiviert. Da hat man die 59 PS des Verbrenners plus die volle Power des Elektromotors (via Boot-Button, aber dazu später mehr) zur Verfügung. Die sechs Gänge des sequenziellen Getriebes können ausschliesslich manuell per Knopfdruck an der linken Lenkerarmatur hoch- und runtergeschaltet werden.

 

Kawasaki Ninja 7 Hybrid

Der Walk-Modus (rechts in der Mitte) hilft beim Rangieren.

 

Beim Wechsel zum «Eco Hybrid»-Modus steht zusätzlich eine automatische Getriebefunktion zur Verfügung, welche zur Verbrauchsoptimierung jedoch sehr früh hochschaltet. Zudem macht der Verbrenner bei jedem Ampelstopp ein kurzes Nickerchen und kommt dann ab etwa 20 km/h wieder zu sich. Bis dahin schiebt allein der Elektromotor vorwärts. Als Drittes steht noch der «EV»-Modus zur Verfügung. Da hat der 450er komplett Pause und es kann rein elektrisch durch die City gestromert werden. Dabei schaltet das Getriebe auto­matisch die ersten vier Gänge durch.

 

Ach ja, fast vergessen: Es gibt bei der Kawasaki Ninja 7 Hybrid auch noch den «Walk»-Mode, und zwar vorwärts wie rückwärts mit 3 km/h. Wenn schon ein Elektromotor an Bord ist, hat diese Zusatzfunktion beim Rangieren durchaus einen Sinn und die Kawa mutiert zum grössten Laufrad der Welt. Soweit die Theorie, jetzt aber los!

Neues Fahrerlebnis

Nach der vorgängig genannten Einweisung geht es als Erstes durch die spätsommerliche Hauptstadt Kataloniens, und zwar im vollelektrischen EV-Modus. Aufgrund der überschaubaren Leistung des Elektromotors sind keine Ampelduelle zu gewinnen, jedoch kann man gut im Verkehr mitschwimmen. Neu ist das Gefühl der Gangwechsel bei einem Elektroantrieb, denn durch das Fehlen des Motorengeräuschs nimmt man akustisch die Schaltmechanik des Getriebes deutlich wahr. Gefühlt könnte dieser Vorgang etwas geschmeidiger vonstattengehen. Sehr positiv fällt aber auf, wie stressfrei sich ein Elektromotorrad im Stadtverkehr bewegen lässt. Keine Kupplungs-, Gas- und Schaltakrobatik, keine Vibrationen, keine Hitzeabstrahlung, und wie schon erwähnt, ein sehr leiser Antrieb.

 

Das entlastet die Schaltzentrale im Kopf ­ungemein und lässt Raum, um deutlich entspannter durch die City zu «flanieren» oder zum Arbeitsplatz zu gelangen. Die 12 Kilometer Reichweite sind grundsätzlich ganz o.k., doch leider verfügt die Ninja 7 Hybrid (noch) nicht über eine externe Lademöglichkeit, auch «Plug In» genannt. Schön wäre, wenn man zu Hause oder am Zielort unkompliziert per Kabel Saft nachladen könnte und dem Akku nicht ausschliesslich über den Benzinmotor im Fahrbetrieb neues Leben eingehaucht würde. Wir hörten aber leise munkeln, dass da noch ein Update folgen könnte.

 

Kawasaki Ninja 7 Hybrid

Bi zu 12 Kilometer weit kommt man im rein elektrischen Modus.

 

So, erstmal genug durch die Gegend gesurrt. Jetzt ist es Zeit, den ECO-Modus kennenzulernen, welcher im Automatikbetrieb alle Gänge jeweils verbrauchsoptimiert sortiert. Will heissen, schon bei etwas unter 5000/min wird hochgeschaltet, egal, wie viel Gas man gibt. Dafür hilft der Elektromotor (bis 20 km/h autonom) jetzt spürbar mit, um zügig vorwärtszukommen.

 

Beschleunigungsorgien sind allerdings nicht drin, und spätestens wenn es bergauf geht, sollte per Knopfdruck runtergeschaltet werden. Da wäre eine Art «Kickdown-Funktion» wie bei den Autos wünschenswert. Doch für solch spontane Flexibilität bräuchte es sowieso eher ein Doppelkupplungs­getriebe. Andererseits ist der ECO-Modus eben extra auf Benzinsparen ausgelegt – von daher ergibt diese Abstimmung der Automatik schon Sinn. Apropos Treibstoff nicht sinnlos verbrennen: Die Start-Stopp-Automatik macht ihre Sache stets einwandfrei.

Ampelstart mit Wow-Effekt

Wir verabschieden uns jetzt mal vom Vernunftsdenken und aktivieren den SPORT-Modus. Kawasaki verspricht ja ein Beschleunigungsvermögen auf 1000erNiveau, und das möge die Ninja 7 Hybrid jetzt bitte beweisen. Auf einem abgesperrten Gelände können wir die Anfahrtkatapultfunktion, fachlich korrekt Launch Control genannt, ausführlich testen. Dazu muss vor dem Start im ersten Gang lediglich der Boost-Knopf gedrückt werden, dann heisst es: festhalten!

 

451 ccm plus 50,4 Volt treten einem ungeahnt in den Hintern, insbesondere auf den ersten 50 Metern macht dies gehörig Eindruck. Da kommt definitiv kein anderes Motorrad der Mittelklasse mit. Doch ehrlicherweise muss gesagt sein, dass eine sportliche Einliter-Maschine schon nochmals anders abdrückt. Spass machen diese hybridisierten Kavalierstarts aber ­ungemein!

 

Kawasaki Ninja 7 Hybrid

Unser Lieblingsknopf an der Kawasaki Ninja 7 Hybrid: Boooooost.

Verblüffende Agilität

Bleiben wir gleich im SPORT-Modus, denn im herrlichen Hinterland von Barcelona wird es jetzt hügelig und entsprechend kurvig. Unsere Skepsis bezüglich den einfach gehaltenen Fahrwerkskomponenten, in Verbindung mit dem stattlichen Gewicht von 227 kg, verfliegt mit jedem gefahrenen Kilometer immer mehr. Da haben die Entwickler eine sehr neutrale und gleichzeitig agile Grundabstimmung gefunden. Der Mix aus Handlichkeit und Stabilität lässt auch bei ernsthaftem Angasen keine Wünsche offen, und es macht richtig Spass, die Kawa hin- und herzuwerfen. Dazu passt die grosszügige Schräglagenfreiheit ­sowie die unnachgiebige Bremsanlage bestens. Durch die zentralisierte Massenverteilung fühlt sich dieser Töff im Handling deutlich leichter an, als er ­tatsächlich ist.

 

Hybridmotor

Benzin- und Elektromotor verschmelzen praktisch in einem.

 

Einzig der Zweizylinder mit relativ wenig Hubraum müht sich bergauf an den Pfunden ein wenig ab. ­Dagegen gibt es zwei Rezepte: Entweder klassisch hochdrehen, denn obenrum wird der 450er richtig munter, oder man drückt mit dem rechten Daumen den magischen Boost-Button. Für maximal fünf Sekunden zieht es die Ninja dann wie an einem Bungeeseil kompromisslos nach vorne. Da kommen nicht nur die zusätzlichen Pferde, sondern auch stramme 36 Nm des Elektromotors beeindruckend zur Geltung.

 

Diese Extraschippe hat nicht nur Sinn beispielsweise beim Überholen oder wenn am Kurvenausgang zu wenig Drehzahl anliegt, sondern kitzelt den Spieltrieb ungemein … was für ein Spass! Fünf Sekunden tönt nach wenig, doch in der Praxis reicht dies in den allermeisten Fällen locker aus. Aufgrund der leider fehlenden Traktionskontrolle ist diese Funktion in tiefer Schräglage jedoch nicht abrufbar, da wäre die «Abwurfgefahr» dann doch zu gross.

 

Einen weiteren Wunsch hätten wir noch, und dies wäre eine dynamisch abgestimmte Getriebeautomatik im SPORT-Modus. Denn beim zügigen Kurvenwetzen ist Finger-Flick-Flack angesagt. Linker Zeigefinger hochschalten, linker Daumen runterschalten, rechter Daumen boosten, rechter Zeige- und Mittelfinger bremsen – das braucht Eingewöhnungszeit, bis alles intuitiv flutscht.

Alltagsqualitäten

Zurück zu den Vernunftsfaktoren, und da besticht die Kawa mit ausgeprägten Alltagsqualitäten. Die tiefe Sitzposition ist viel bequemer, als es auf den ersten Blick den Anschein macht, und auch der Windschutz überrascht positiv.

 

Zum Schluss kommen wir noch zur Gretchenfrage: Generiert der hohe technische Aufwand auch einen entsprechend geringen Verbrauch? Ein ganz klares Jein! Offiziell gibt Kawasaki im ECO-Mode 3,7 l/100 km an, was für die gebotene Fahrdynamik wirklich sehr wenig ist. Andererseits verbrauchen leichtere Motorräder in dieser Leistungsklasse nicht mal einen Liter mehr. Aber der Reiz dieses einzigartigen Konzepts besteht nicht nur darin, so wenig Benzin wie möglich zu verbrauchen, sondern beinhaltet all die bereits beschriebenen Einzigartigkeiten in der Motorradwelt.

 

Kawasaki Ninja 7 Hybrid

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