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Kommt jetzt eine Schweizer Rennstrecke?

Das Schweizer Parlament streicht das 67 Jahre alte Verbot von Rundstreckenrennen. Die Hürden für solche Rennen aber bleiben, und für eine Schweizer Rundstrecke sind sie noch höher.

Thierry Burkart, Aargauer Ständerat und Schweizer FDP-Präsident, zeigte sich realistisch: «Niemand in der Kommission geht davon aus, dass in der Schweiz ein klassisches Formel-1-Rennen stattfinden wird.» Er sagte dies in der abschliessenden Runde der Revision des Strassenverkehrsgesetzes (SVG) des Ständerates. Er hätte als Beispiel auch MotoGP-Rennen nehmen können: Nur weil das im SVG verankerte Verbot von «öffentlichen Rundstreckenrennen mit Motorfahrzeugen» nun gestrichen wird, sollten Schweizer Rennsportfans nicht allzu grosse Erwartungen hegen. Denn die Aufhebung eines Verbots verändert die Wirklichkeit nicht. Jedenfalls nicht sofort.

 

Dennoch ist es bemerkenswert, dass sich nach mehreren vergeblichen Anläufen nun eine politische Mehrheit in National- und Ständerat gefunden hat, den 1955 nach dem dramatischen Rennunfall in Le Mans eingeführten Artikel 52 des SVG zu streichen.

 

Neue Schwerpunkte

Ging es im letzten Jahrhundert um ungenügende Sicherheit für die Zuschauenden, stehen heute Umwelt- und Klimaschutz im Vordergrund oder werden zumindest vorgeschoben. Bundesrätin Simonetta Sommaruga im Ständerat: «Rundstreckenrennen für Fahrzeuge mit Verbrennungsmotor stehen in dieser Zeit ziemlich quer in der Landschaft.» Allerdings hilft auch der Verzicht auf Verbrenner gegen die Rennsport-Aversion hierzulande wenig, wie der heftige Widerstand gegen die Formel-E-Rennen in Zürich und Bern zeigte – auch wenn diese von einer Ausnahmebewilligung des Bundesrats profitiert hatten.

 

Auch Walter Wobmann, SVP-Nationalrat und Präsident des Schweizerischen Motorradfahrer-Verbandes (FMS), dämpft die Erwartungen. Er freut sich über den Parlamentsentscheid, den er mit Engagement vorangetrieben hat, weiss aber, dass Geduld und kleine Schritte gefordert sind. «Die wichtigste Auswirkung ist erst mal, dass es nun für ein allfälliges Rundstreckenrennen keiner Ausnahmebewilligung des Bundesrats, sondern einer Bewilligung des Standortkantons bedarf.»

 

Deshalb bestehe die Hoffnung, so Wobmann, dass es künftig leichterfallen dürfte, einen Anlass auf einem Flugfeld oder Ähnlichem durchzuführen. Gewissermassen als umgekehrtes Beispiel nennt er Ambrì, wo der Kanton vor Jahren das Gesuch für einen Supermoto-SM-Lauf mit Verweis auf das Verbot von Rundstreckenrennen abgelehnt hatte.

 

Einen Sprint durch die Instanzen wird es aber nicht geben. Zwar scheinen die im SVG formulierten Bedingungen für motorsportliche Anlässe (wie bisher schon für Bergrennen) erfüllbar, doch auch Kantonsregierungen werden auf den Zeitgeist Rücksicht nehmen müssen. Da kann schon ein Klimaartikel in der Kantonsverfassung zum Killerargument werden.

 

Schweizer Rennstrecke realistisch?

Wer «Rundstreckenrennen» liest, denkt auch an «Rennstrecke». Eine solche besteht bekanntlich in der Schweiz nicht. Der Circuit de Lignières im Neuenburger Jura verfügte einst über eine Ausnahmebewilligung des Bundesrates. Entsprechend wurden in den 1970er- bis 1990er-Jahren dort auch Rennen gefahren, diverse SM-Läufe auf zwei und vier Rädern ebenso wie das legendäre Frauenrennen von Moto Sport Schweiz. Diese Bewilligung besteht nicht mehr; der TCS betreibt den kleinen Rundkurs als Fahrsicherheitszentrum mit Auflagen der Gemeinde bezüglich Lautstärken.

 

Der Bau einer neuen, «ausgewachsenen» Rennstrecke scheint aus heutiger Sicht chancenlos. Walter Wobmann bevorzugt denn auch, von einem Mobilitätszentrum zu sprechen. Ob sich allerdings angesichts absehbarer Widerstände Investoren für ein solches Vorhaben finden lassen, scheint heute wenig wahrscheinlich.

 

Ein bisschen Mut könnte vielleicht ein Projekt im Kanton Jura geben. Ein junger Unternehmer hatte die Bewilligung für sein Mobilitätszentrum Safetycar Jura in der Tasche. Es hätte u.a. einen 2,7 km langen Rundkurs beinhaltet. Laut Bundesgericht hätte nicht die Regierung die Bewilligung erteilen dürfen, sondern das Kantonsparlament. Der Initiant warf danach das Handtuch. So nahe an die Realisierung einer «Rennstrecke» war vorher und nachher in der Schweiz niemand gekommen. Walter Wobmann: «Es gibt auch heute Leute mit Ideen und genügend Mitteln, doch die Suche nach einem geeigneten Gelände wird schwierig, keine Frage.»

 

Noch nicht in trockenen Tüchern

Im Übrigen ist die Aufhebung des Verbots von Rundstreckenrennen noch nicht ganz definitiv. Denn in der erwähnten SVG-Revision mit einem ganzen Paket von Änderungen bestehen derzeit in zwei Punkten Differenzen zwischen National- und Ständerat, die voraussichtlich erst im September bereinigt werden können. Zusätzlich steht ein Referendum im Raum, angedroht von Road Cross, weil sich diese Vereinigung gegen jegliche Flexibilisierung des Strafmasses für Raser wehrt.

 

Text: Daniel Riesen

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