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Rallye Dakar 2020: Nimm das Geld, dreh dich nicht um und frag nicht weiter nach… (Kommentar)

Die Rallye Dakar wird in diesem Jahr erstmals in Saudi-Arabien ausgetragen. Wüste hat das Königreich massig zu bieten. Die Menschenrechte dagegen werden mit Füssen getreten. Der soziale Grundgedanke Thierry Sabines – des Gründers der Rallye – ist mit dieser Wahl endgültig gestorben.

 

 

 

 

2020: Die traditionelle Dakar wurde endgültig um die Ecke gebracht und der wichtigste Grundgedanke ihres Gründers Thierry Sabines ebenfalls. Denn Sabine war ein Biker – er träumte davon, mit seiner Veranstaltung die Menschen zu verbinden, er wollte die Schönheit der Wüste und die Würde der Menschen einem breiten Publikum näherbringen. Und er wollte helfen: Mit Massnahmen, die für die Durchführung der Rallye ohnehin wichtig waren, wie z.B. Brunnenbauten, die danach der Bevölkerung das Leben erleichtern sollten. Nun ist die Dakar nur noch eine seelenlose Geldmaschine ohne jedweden Moral- und Ethik-Anspruch.

 

 

„Sportwashing“: Brot und Spiele statt Verantwortung

Mit der Entscheidung für Saudi Arabien als Austragungsort der Rallye Dakar, ist das legendäre Motorsportevent zur Cashcow und zur politischen Propaganda-Veranstaltung verkommen. Unermüdlich versucht das weltweit heftig kritisierte saudische Königreich, sein Image mit der Austragung bedeutender Sportevents reinzuwaschen. „Sportswashing“ wird diese kostenintensive Strategie genannt, die auch in Katar oder in den Vereinigten Arabischen Emiraten längst etabliert ist.

 

Das Prinzip „Brot und Spiele“ (Neudeutsch Sportswashing) diente übrigens bereits in der römischen Kaiserzeit zum Machterhalt. Kaiser Trajan war der Meinung, „dass das römische Volk insbesondere durch zwei Dinge, Getreide und Schauspiele, sich in Bann halten lasse“ (Wikipedia).

 

Die Veranstalter der Rallye Dakar sind sich dessen bewusst. „Wir haben ein wenig überlegt“, sagte Dakar-Chef David Castera der französischen Nachrichtenagentur AFP. Ob das genug ist? 2019 wurden in Saudi Arabien 187 Menschen hingerichtet. Und: Saudi-Arabien lehnt die von den Vereinten Nationen 1948 verabschiedete Allgemeine Erklärung der Menschenrechte grösstenteils als nicht mit dem Islam vereinbar ab. Saudi-Arabien belegte 2017 Rang 169 von 180 in der Rangliste der Pressefreiheit.

 

 

Nimm das Geld, dreh dich nicht um und frag nicht weiter nach

 

 

Würde? Für die Sportler ist die Sache schwierig. Sie unterliegen oftmals starken finanziellen Zwängen. Wenigstens der Fall der Frauenrechtlerin Loujain al-Hathloul, die unter anderem gegen das Autofahrverbot für Frauen in Saudi Arabien gekämpft hatte und derzeitnoch immer in Haft ist, sollte Motorsportler auf die Barrikaden treiben. Die Rennfahrer sollten einfordern, dass die Frauen, die für diese Rechte in Saudi-Arabien gekämpft haben, freigelassen werden. KTM-Pilot und 2018-Sieger Matthias Walkner macht sich darüber als Rennfahrer keine Gedanken, privat aber schon.

 

 

Träumer verändern die Welt! Und danach kommen die Erbsenzähler …

Cover von „Dakar – die härteste Motorradrallye der Welt“. Foto: Pantauro-Verlag

1977 hatte der Franzose Thierry Sabine die Idee, einen unglaublichen Wettbewerb ins Leben zu rufen. Er erdachte sich die härteste Langstreckenrallye der Welt – von Paris, der Hauptstadt Frankreichs, über Tausende von Kilometern und durch die unwegsamsten Gegenden der Sahara bis zur Hauptstadt des Senegal, nach Dakar. Ein Kilometermarathon, der Mann und Maschine an ihre Grenzen bringen sollte. Auch nach Sabines Unfalltod 1986 verlor die Rallye nichts vom Status, als eines der letzten Abenteuer unserer Zeit zu gelten.

 

2008 fiel die Rallye wegen Terrordrohungen aus und wurde aufgrund der sich immer weiter zuspitzenden Sicherheitslage ab 2009 nach Südamerika verlegt. Die traditionelle Dakar war damit endgültig gestorben und einer der sozialen Grundgedanken Sabines ebenfalls. Ab da geht es nur noch ums grosse Geld.

 

Der wahre Geist der Dakar ist also schon längst tot. Doch die Rallye jetzt in einem Staat durchzuführen, der auch noch tief verstrickt ist in die Entstehung und Finanzierung des islamistischen Terrorismus, zeigt eine neue Dimension des Denkens auf, die dem Faktum geschuldet ist, dass die Veranstalter nur noch geldgeil sind und alles verraten und verkauft haben, was die Rallye einst ausmachte.

 

Nichts sehen, nichts hören, nichts sagen?

Der Tanz ums goldene Kalb: Nimm das Geld, dreh dich nicht um und frag nicht weiter nach … ohne mich! Ein Aufschrei sollte durch die Lande gehen. Aber ich stehe wohl eher allein da. Dennoch: Als Motorrad-Extremreisender den die Rallye Dakar bereits früh inspirierte – und auch als überzeugter Demokrat und Journalist – kann ich diese Rahmenbedingungen der Dakar 2020 mit meinem Gewissen nicht vereinbaren. Ich habe keine Lust mehr auf die Dakar. Ich werde deshalb das Medienevent „Dakar“ boykottieren wo ich kann.

 

 

Michael Kutschke

Redaktor TÖFF-Magazin & moto.ch


 

 

P.S.: Paralellen in der Geschichte? Und wie werden künftige Generationen wohl urteilen? Darüber sollten sich die betroffenen Dakar-Sportler und auch wir TV-Zuschauer einmal Gedanken machen (Link)

Helden der Propaganda – Sportler in der NS Zeit

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