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RINGKÄMPFER – Energica Ego – E-Töff gegen Verbrenner auf dem Nürburgring

Elektromotorrad gegen Verbrenner? Auf der Rennstrecke? Voilà: Energica Ego versus Yamaha YZF-R6 im Speed-Duell in der Grünen Hölle – der Nürburgring-Nordschleife.

 

«Klack», der Seitenständer schnappt hoch. Ansonsten – eine geradezu skandalöse Stille! Kein Geräusch gibt das 136-PS-Hochleistungs-Elektromotorrad Energica Ego im Stand von sich … Seit Jahren führt TÖFF auf der Nürburgring-Nordschleife Härtetests durch. Denn die Isle of Man der Eifel ist auch ein heiliger Gral für Fahrzeugtests (Kasten «Unsere Location»). Und nun ist es so weit. Zum ersten Mal überhaupt führt die TÖFF-Redaktion einen Rennstreckentest mit einem Elektromotorrad durch. Wir wollen wissen: Welche Vor- und Nachteile gibt es? Kann man mit einem Elektromotorrad angemessen an einem Trackday teilnehmen? Und es interessiert uns, wie viel Fahrspass so ein E-Motorrad wirklich macht und ob es in der Praxis überhaupt möglich ist, die Turns zu fahren und in den Pausen dazwischen aufzuladen. Eine Yamaha YZF-R6 begleitet den Selbstversuch als Referenzmotorrad.

 

Unter Strom …

Sie ist ein E-Töff und doch versprüht sie Sportsgeist: Geduckte Haltung – Rasten, Lenker und Bedienelemente sind genau so arrangiert, wo sie bei einem Sporttöff hingehören. Die Ego spielt in einer ganz anderen Liga als andere Serien-E-Bikes. Sie will mit ihrem permanent erregten Synchronmotor für den materialisierten Traum eines supersportlichen Öko-Motorrades stehen, das den Sprint von 0 auf 100 km/h in 2,8 Sekunden erledigt – und sie ist so schnell wie sie aussieht: pralle 240 km/h! Brembo-Radialbremsen, ein Bosch-ABS, eine Marzocchi-USD-Gabel, ein Öhlins-Federbein und ein TFT-Cockpitdisplay … Die Ego ist auf der Höhe der Zeit. Und die Energica bietet sogar vier Fahrmodi (Sport, Standard, Eco, Wet). Rekuperiert wird dreistufig (beim Schliessen des Gasgriffs kann der Antriebsmotor als Generator fungieren, die Motorbremse lädt dann den Akku), zudem gibt es eine «Segel»-Funktion ohne Energie-Rückgewinnung. Vorhanden ist auch eine Rückwärtsfahrhilfe, angesichts des doch immensen Gewichts von 258 kg durchaus willkommen. Für ein Sportbike ist das ein krasses Übergewicht. Aber mit 11,7 kWh ist der Akku für ein Motorrad auch echt gross dimensioniert. Einmal «volltanken» entspricht dem Benzinäquivalent von etwa 1,4 Liter. Die reichen beim ersten Proberitt im heimischen Langsamverkehr rund um Stans für etwa 120 km. Beeindruckend! Mit diesem Aktionsradius lässt sich also durchaus auf grosse Tour gehen. Man muss halt anders planen und mittels App auf dem Smartphone bereits vor dem Start feststellen, wo es entsprechende Schnellladesäulen gibt. Dafür ist es ein absolut erhabenes Gefühl, mit der surrenden Ego an einem lauen Sommertag chillig unterwegs zu sein. Man hört die Vögel zwitschern und hat fast den Eindruck, über die Strassen zu segeln.

… durch die Hölle

Auf der Nordschleife hat das Chillen ein Ende: ESportler gegen Verbrenner – Energica Ego gegen Yamaha YZF-R6. Ein knallharter Showdown – 258 kg, 11,7 kWh Batteriekapazität, 136 elektrische PS und 195 Nm aus dem Stand stehen 190 Kilo, 599 ccm, 118 PS und 61,7 Nm bei 10 500 Touren gegenüber. Ohne Umschweife geht es aus dem Stand gleich mit Vollgas los Richtung Tiergarten. Die Energica geht fürchterlich vorwärts – Kupplung oder Schaltung? Fehlanzeige. 195 Nm ziehen ohne Kraftunterbruch die Arme lang. Die R6 hat keine Chance. Die Ego beschleunigt gefühlt wie ein 200-PS-Töff. Mit Vollgas braten wir weiter in den Tiergarten. Der geradeverzahnte Primärantrieb produziert ein unüberhörbares Pfeifen, das fast an das Heulen einer Flugzeug-Düse erinnert. Als Fahrer empfindet man das durchaus als sportlich antörnend. 220 km/h. Jetzt wird voll der Anker geschmissen – es herrscht sofort wieder Gleichstand: Fünf Zentner Ego schieben beim Bremsen wie ein Güterzug … Hatzenbach, Adenauer Forst, Wehrseifen … dank der Schikanen der Eifelrennstrecke mit ihren schnellen Wechselkurven zieht die R6 vorbei. Der Schwerpunkt des Elektrorenners liegt halt konstruktionsbedingt recht hoch. Der Kraftaufwand fürs schnelle Umlegen fühlt sich deshalb etwa so an wie bei einer fetten 1200er Grossenduro. Lang gestreckte schnelle Bögen, wie am Metzgesfeld mag die Ego aber schon, denn die Balance des E-Supersportlers ist für ein derartiges Kampfgewicht hervorragend.

 

Der Gegner ist eine Knacknuss

Die Yamaha YZF-R6 weist ein ausgewogenes Fahrverhalten auf und lässt sich von Beginn an spielend fahren. Die R6 spielt ihren Gewichtsvorteil gnadenlos aus. Und ab 7500 U/min geht blitzartig die Post ab, schon fast explosionsartig. Die Gänge knallen nur so durch, die Yami kreischt 16 000 Touren auf den Drehzahlmesser. Beim Angasen in Schräglage ist mit der Ego Baujahr 2018 viel mehr Feingefühl und höchste Konzentration angesagt. Denn die prallen 195 Nm Drehmoment des Elektro-Kraftprotzes können mangels Traktionskontrolle zum Problem werden. Das hat auch der Hersteller realisiert und lässt dem Modelljahr 2019 zahlreiche Verbesserungen angedeihen – unter anderem auch eine Schlupfregelung (Kasten S. 122), die heute fast jeder Töff bereits an Bord hat.

Döttinger Höhe, Topspeed 240 km/h!

Die 22 Kilometer sind durch. Feuer frei: Elektrisch hurtig geht es weiter in die zweite Runde. Meine Speed-Exzesse quittiert die Ego nun aber mit deutlichen Einbussen: Zuerst sinkt die Leistung dramatisch. Die Ego regelt die Power herunter, weil die Batterie zu überhitzen droht, sodass es kaum noch möglich ist, Tempi über 180 km/h zu erreichen und damit der R6 zu folgen. Und Runde drei fällt ganz aus: Der Bordcomputer zeigt noch eine Kapazität von 21 Prozent an, was einer Restreichweite von 14,7 Kilometern entspricht. Jetzt heisst es laden. Wenn man nun eine CCSGleichstrom- Ladestation findet, lässt sich die Ego jetzt mit 22 kW «druckbetanken». In nur 15 bis 20 Minuten an einem öffentlichen Schnelllader sollte der E-Sportler dann wieder zu 80 Prozent geladen sein. So eine kurze Zwangspause wäre bei einem Trackday kein grosses Problem. Doch die einzig freie Schnellladestation an der Nordschleife erweist sich als Wechselstrom- Lader (AC). Leider habe wohl nicht nur ich vergessen, über die Ladestation hinaus zu denken. Die ordinäre Haushaltssteckdose, die ich jetzt benutzen muss, lädt den E-Ringkämpfer hingegen einphasig mit nur 3,6 kW. Und damit dauert der «Tankvorgang » der Ego dreieinhalb Stunden. Auf einem Renntraining ein No-Go. Aber Bertha Benz musste bei ihren Pionierfahrten mit dem Motorwagen den Sprit ja auch in der Apotheke kaufen.

 

Fazit:

Das Vergleichen ist das Ende des Glücks und der Anfang der Unzufriedenheit. Denn die Energica Ego hat die Statur einer 750er, das Gewicht einer 1300er und das Drehmoment eines 2,5-Liter-Benziners. Wenn man den E-Renner jedoch stattdessen als ein eigenständiges Pionierkonzept erfasst, kommt man aus dem Staunen nicht mehr heraus, welche Performance bei einer genialen Energieeffizienz so ein E-Renner bereits heute bietet.

 

Bei Energica geht es weiter voran: Änderungen und Verbesserungen für das Modelljahr 2019

Neuer Racing-Kit «Corsa Clienti» für die Energica Ego 2019 startet die Elektrorennserie MotoE. Nach der grossen Resonanz auf das E-Rennbike Ego Corsa hat sich Energica dank Motorrad-Legenden wie Colin Edwards, Tetsuya Harada, Max Biaggi, Mick Doohan und anderen entschlossen, seine anspruchsvollsten Kunden mit einem neuen, von Ego Corsa inspirierten Rennsport-Kit zu überzeugen. Energica hat ein neues Kit in petto, das ausschliesslich für den Rennstreckeneinsatz entwickelt wurde und den Namen «Kit Corsa Clienti» trägt. Das Konzept Corsa Clienti ist von der gleichen leistungssteigernden Philosophie inspiriert, die auch die Entwicklung der Ego-Corsa-Rennmotorräder begleitet hat, die an der ersten MotoE-Weltmeisterschaft teilnehmen werden. Dieses neue Kit bringt das Elektro-Fahrerlebnis auf eine neue Ebene und gibt jedem Kunden die Möglichkeit, das volle Potenzial seiner Energica Ego auf der Rennstrecke auszuschöpfen. Das Kit Corsa Clienti ist nur auf Anfrage erhältlich. Neue Software Alle neuen und bestehenden Energica erhalten eine neue Software, die unter anderem den Ladestrom während des CCS-Schnellladevorgangs erhöht und damit die Ladezeit um weitere 15% reduziert. Neue Elektronik – Ein ausgeklügeltes Traktionskontrollsystem, das für sechs Interventionsebenen konfigurierbar ist, wird die vorhandenen eABS und das Bosch ABS zu einem noch aufregenderen und sichereren Fahrerlebnis kombinieren. – Jedes Energica-Bike wird mit einem ausgeklügelten Geschwindigkeitsregelsystem ausgestattet sein. Der neue Tempomat wird die elektronische Bremse nicht nur nutzen, um die vorgewählte Geschwindigkeit aufrechtzuerhalten, sondern auch um die Rekuperation der Bremsenergie zu erhöhen. – Das neue Drive-by-Wire erhöht die Sicherheitsstandards der Energica-Motorräder Baujahr 2019 und die Linearität und Präzision der Drehmomentregelung. Das neue System wird in der Lage sein, Gasgriffumdrehungen unter einem Hundertstel Grad zu erkennen. – Die 2019-Energica-Modelle sind mit dem leuchtenden «Electric Beat» (leuchtendes Logo auf der Tankattrappe) ausgestattet. Das «Electric Beat» verfügt nun jedoch über eine neue Funktion, die den Fortschritt während des Ladevorgangs anzeigt. Neue Messnormen Die neuen Modelle haben aufgrund der geänderten Messnormen 107 kWh (statt 100 kWh) Leistung und 200 Nm (statt 195 Nm) Drehmomen

 

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