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Triumph Bonneville T120

Die neue Bonneville-Generation von Triumph beseitigt frühere Kritikpunkte und eröffnet die Welt des klassisch angehauchten Motorradfahrens neu. Auch in Schwarz.

Wir cruisen durch die spätsommerliche Innenstadt und fühlen uns schlicht und einfach cool. Und dies mindestens aus zwei guten Gründen. Zum einen sitzen wir auf einer echten Ikone mit über Jahrzehnte gereifter, authentischer Geschichte – oder auf Neudeutsch: Heritage. Zum anderen ist die von Grund auf neue Triumph Bonneville T 120 zu einem Neoklassiker avanciert, der nicht nur in Sachen Optik Massstäbe setzt, sondern auch hinsichtlich Fahrbarkeit und Gesamtauftritt unbestritten in den vordersten Rängen mitmischt.

 

Der Sound der neuen Bonnie – wir fahren hier die T 120 Black in der glänzenden Farbvariante Jet Black (12 800 Franken) – fällt im Vergleich zur Vorgängerin sofort positiv auf. Ein deutlich wahrnehmbares, dumpfes Reihenzweizylinder-«Pot-Pot-Pot» dringt aus den sogenannten Peashooter-Töpfen. Endlich klingt die Legende so, wie wir uns das schon von der letzten Generation gewünscht hätten. Nie ist der Schall jedoch so laut, dass er nachts die Nachbarschaft aufwecken würde. Wer da trotzdem gerne noch etwas nachhelfen möchte, findet im 160 Teile umfassenden Originalzubehörangebot homologierte Edelstahldämpfer mit schwarzer Keramikbeschichtung von Vance & Hines …

1200 Kubik und Traktionskontrolle

Der neu entwickelte Reihenzweizylinder, der über 1200 (anstatt 865) ccm Hubraum verfügt und stramme 80 PS (anstatt 68) leistet, ist ein toller Motor, der die Bonnie in jeder Situation eindrucksvoll antreibt. Wer es, wie Steve McQueen im Film «The Great Escape», etwas eiliger hat, davonzukommen, bringt es notfalls im ersten Gang ruck-zuck auf 80 km/h und wem der Sinn nach einer flotten Kurvenhatz mit engen Wechselkurven steht, ist mit dem zweiten Gang gut bedient.

 

Oder anders ausgedrückt: Zwischen 2500 und 5000 Umdrehungen bietet der Achtventiler ein echtes Feuer­werk. Insbesondere drehmomentseitig hat der neue Antrieb nämlich um gewaltige 54 Prozent zugelegt: Bachtliche 105 Nm stehen nun maximal bei tiefen 3100/min an; zuvor waren es 68 Nm bei 5800 Nm. Wer scharf aus einem Bogen rausbeschleunigt, kann froh sein, verfügt die neue Bonnie auch über eine (bei Bedarf abschaltbare) Traktionskontrolle.

Herrliche Vibrationen

Zwei Motormodi (Road und Rain) sind dank Ride-by-wire ebenfalls an Bord, wobei die Maxi­malpower jeweils unverändert bleibt. Lediglich die Abgabe der Leistung erfolgt im Rain-Modus sanfter. Die Modi funktionieren, doch die Gasannahme könnte insgesamt noch etwas sanfter ausfallen. Sehr gut gefällt uns dagegen, dass wir das Leben des Twins mit 270 Grad Hubzapfenversatz (welcher die lineare Leistungsabgabe unterstützt) nun viel deutlicher wahrnehmen als auf der Vorgängerin. Die «good Vibrations» sind wieder da, alles «Weichgespülte» ist weg. Die gewonnene Kraft verleiht Bike und Fahrer eine neue Gelassenheit und Überlegenheit, die man nicht nur beim Angasen, sondern freilich auch beim entspannten Cruisen schätzt.

 

Der lässige Kurvenswing über die Landstrasse ist ohnehin die Lieblingsdisziplin der Bonnie. Die vordere 41-mm-Telegabel und die hinteren Stereo­federbeine (jeweils Kayaba) lassen die Bonneville auf ihren schönen Speichenrädern stets ausreichend satt – und erwartungsgemäss komfortabel – auf der Strasse liegen. Auch die Schräglagenfreiheit passt zum Motorrad, und wenn, dann setzen zuerst die hochklappenden Fussrasten auf.Die T 120 bietet ein gut abgestuftes, sich knackig schaltendes Sechsganggetriebe, das ebenfalls nicht nur zu Fluchtfahrten taugt, sondern auch zum gemütlichen Touren, wo die beiden letzten Gänge die Motordrehzahl angenehm tief halten. Die Kupplung (Handhebel einstellbar) gibt sich unauffällig, ist gut dosierbar und verlangt keine hohen Handkräfte.

Wirksame ABS-Bremsen

Ob in der City oder auf der Passabfahrt gilt: Auch die Bremsen verrichten gute Dienste. Am Vorderrad werkt eine Doppelscheibenbremse (310 mm Durchmesser) mit Doppelkolbensätteln und am Hinterrad eine Einzelscheibe (255 mm Durchmesser), ebenso mit Doppelkolbensattel. Nur unter sportlichen Gesichtspunkten sprechen die essenziellen vorderen Stopper etwas stumpf an. Und für starken Tempoabbau braucht es auch etwas Handkraft. Bringt man sie am einstellbaren Handhebel auf, verzögert die T 120 dann aber ordentlich, und wohldosierte Bremsmanöver sind keine Kunst. Dazu trägt im Wesentlichen auch der wirkungsvolle Hinterradstopper bei. Im Gegensatz zur Vorgängerin verfügt die T 120­ nun ausserdem über ABS.

 

Völlig unverändert geblieben ist die klassische Touring-Sitzhaltung, die man schon immer auf einer Bonneville genossen hat: mit nicht zu engem Kniewinkel, ziemlich aufrechtem Rücken und einem Lenker, der gut in der Hand liegt und den die Arme locker erreichen. Die schlichten und wie alles andere (bis auf die Speichen) schwarz lackierten, runden Rückspiegel bieten eine gute Sicht nach hinten und die nach wie vor zwei Rundinstrumente liegen genau im Sichtfeld.

Coolness schliesst Komfort nicht aus

Im Gegensatz zum sportlicher ausgelegten Schwestermodell Thruxton sind die Anzeigen auf der Bonnie jederzeit und bei allen Lichtverhältnissen trotz teils spiegelndem Glas gut ablesbar. Dies, da sie über eine weisse, helle Hintergrundbeleuchtung verfügen und die Skalen für Geschwindigkeit und Drehzahl nicht mit einer Silberschicht versehen sind, die zwar durchaus cool aussieht, aber auch stark reflektiert. In den digitalen Displays werden neben den Gesamt- und Tageskilometern (doppelt) auch Benzinstand und Reichweite, Verbrauch, der eingelegte Gang und die Uhrzeit angezeigt. Umgestellt wird über einen gut erreichbaren Knopf am linken Lenkergriff.

 

Positiv überrascht sind wir von den serienmässigen Heizgriffen, deren Stufe ebenso in den Displays angezeigt wird. Toll, dass die dafür notwendigen Kabel und der Druckschalter so verlegt und angebracht wurden, dass sie kaum auffallen.Prima und zeitgemäss finden wir auch, dass dieser moderne Klassiker mit einer USB-Ladebuchse sowie LED-Tagfahrlicht ausgerüstet wurde. Nur: Wenn schon Tagfahrlicht vorgesehen ist, warum gibt es hierfür keinen Sensor, der bei Dunkelheit automatisch auf das Abblendlicht wechselt? Anderseits: So bestimmt man selbst, wann Zeit für welche Beleuchtung ist. Die Wahl hat man auch beim Abstellen: Seiten- und Hauptständer sind dabei. Das Aufbocken geht leicht, das Rumschieben dagegen weniger. Auch, weil dabei der relativ hohe Schwerpunkt der trocken 224 kg wiegenden Maschine spürbar wird. Aber welches Motorrad kauft man schon zum Schieben?

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