Suzuki betritt neues Terrain: Mit der GSX-S1000GX bringen die Japaner nicht nur erstmals einen Crossover, sondern rüsten die 1000er-Vierzylinder-Plattform auch mit einer IMU aus und haben sie als absolute Suzuki-Premiere mit einem elektronischen Fahrwerk versehen. Das Konzept überzeugt.

GX steht bei Suzuki für Grand Crossover. Nach dem Naked Bike GSX-S1000 und dem Sporttourer GSX-S1000GT stellte Suzuki an der EICMA anfangs November mit der GSX-S1000GX ein neues interessantes Motorrad auf der Vierzylinder-Plattform vor. Suzuki nennt es den „Supreme Sport Crossover“.

 

Suzuki GSX-S1000GX

Suzuki hat mit der GSX-S1000GX einen spannenden Crossover mit elektronischem Fahrwerk entwickelt. Er soll unter 18000 Franken (ohne Koffer) kosten.

 

Volles Elektronikpaket

Das „Supreme“, mit dem Suzuki ihren „Sport Crossover“ betitelt, kommt nicht von ungefähr, denn mit der GSX-S1000GX betritt Suzuki nicht nur vom Segment her Neuland. Erstmals kommt auf der GSX-S1000-Plattform auch eine IMU zum Einsatz, welche die Einführung schräglagenabhängiger Assistenzsysteme wie etwa dem Kurven-ABS oder einer zusätzlich auch präventiv agierenden Traktionskontrolle erst ermöglicht.

 

Eine absolute Suzuki-Premiere feiert in der GSX-S1000GX das elektronische Fahrwerk das sich ebenfalls auf die IMU-Daten stützt. Damit ist die GX für Suzuki ein sehr wichtiger Technologieträger.

 

Dass sie ein wesentlicher Meilenstein in der Suzuki-Historie ist, belegt auch die Tatsache, dass für die Pressepräsentation nahe Lissabon (P) sage und schreibe 17 in die GX-Entwicklung involvierte Japaner aus dem Werk in Hamamatsu (J) eingeflogen wurden. Sie stellten ihre neue GX vor und befragten uns bei jedem Stopp interessiert nach unseren Eindrücken.

 

Suzuki GSX-S1000GX

Die GX ist die erste Suzuki mit IMU und elektronischem Fahrwerk.

Einfache Einstellbarkeit

Die vielseitige Elektronik der GX lässt sich über Cursor- und eine OK-Taste an der linken Lenkerarmatur im übersichtlichen, entspiegelten 6,5-Zoll-Farb-TFT-Dysplay bestechend einfach einstellen. Mit der OK-Taste aktiviert man die Fahrmodi-Auswahl und kann dann mit der Cursor-Taste zwischen A für Aktiv, B für Basic und C für Comfort wechseln. Mit den drei Fahrmodi sind die entsprechenden Motor-Modi A, B und C gekoppelt. Sie unterscheiden sich in der Gasannahme von aggressiv bis zögerlich. C fordert speziell bei Regen oder in der Agglo etwa über Pflastersteine deutlich weniger Konzentration vom Fahrer. Zudem sind den drei Modi standardmässig eine passende Eingriffsstufe der Traktionskontrolle und die drei Dämpfungsstufen Hart, Medium und Soft des semiaktiven Fahrwerks zugeteilt.
Die drei Fahr- bzw. Motormodi (A, B, C) können aber jederzeit während der Fahrt bestehend einfach angepasst und individualisiert werden. Es kann also jeder Motormodus mit jeder der sieben zur Verfügung stehender Eingriffsstufen der schräglagenabhängigen Traktionskontrolle und jeder Fahrwerkseinstellung kombiniert werden.
In einem zusätzlichen User-Modus des elektronischen Fahrwerks können die drei Dämpfungsstufen auch um drei „Klicks“ +/-  separat sowohl an der USD-Gabel als auch am Federbein justiert werden. Am Federbein kann zudem die Vorspannung über das Display der jeweiligen Beladung angepasst werden. Alternativ kann auch der Automatic-Modus gewählt werden, in dem sich die Vorspannung selber der aktuellen Beladung anpasst.

Faszinierend variabel

Im Testbetrieb beeindruckte die Suzuki GSX-S1000GX nicht nur durch die einfache Bedienung der zahlreichen Einstellmöglichkeiten,  sondern auch das breite Spektrum, das mit den diversen Einstellungen abgedeckt wird. So reichen die Fahrwerkseinstellungen tatsächlich von sportlich hart bis zu komfortabel soft, die Motorcharakteristik von sportlich aggressiv bis zurückhaltend zahm und die Traktionskontrolle von präventiver Zurückhaltung bis zur auf Performance getrimmten Stufe 1, in der die Rutschgrenze auch mal durch leichtes Schmieren angezeigt wird. In ihr arbeitet auch die Antiwheelie-Kontrolle zurückhaltender und lässt ein leichtes Abheben der Front zu.

 

Suzuki GSX-S1000GX

Die GX taugt zum sportlichen Angasen, aber auch zum touristischen Bummeln.

 

Weder Fisch noch Vogel

Als Crossover positioniert sich die Suzuki GSX-S1000GX ergonomisch irgendwo zwischen ihren Schwestern GSX-S1000GT und der V-Strom 1050. Mit immerhin 150 mm Federweg vorne wie hinten sitzt man deutlich weiter oben als auf der Gran Turismo (GT) und weniger nach vorn gebeugt. Die Haltung fällt bequem mit offenem Kniewinkel aus, fast wie auf der grossen V-Strom, allerdings liegt der Lenker etwas tiefer als bei der strassenorientierten Reiseenduro, woraus eine leicht nach vorne geneigte, fahraktivere aber dennoch sehr bequeme Haltung resultiert.

 

Das Fahrwerk hinterliess auf unserem ausgedehnten zweitägigen Trip einen überzeugenden Eindruck, verwöhnte einerseits mit angenehmem Komfort, liess bei der entsprechenden Einstellung aber auch eine sehr sportliche Herangehensweise zu. Vom straffen Sportfahrwerk bis zum eher komfortablen Touring-Setting liess sich alles abdecken.

 

Eine bei den langen Federwegen besonders angenehme Funktion bietet die SDDC (Suzuki Deceleration Damping Control), die beim Bremsen blitzartig die Einwärtsdämpfung an der Front verhärtet. Greift man also in die Bremsen, packen die Brembo Monoblocs gut dosierbar und bei Bedarf vehement zu. Dabei taucht die Front aber nicht übermässig ein und sorgt so für ein stabiles Fahrverhalten. Das funktioniert sehr gut, sorgt für Ruhe und zusätzliche Sicherheit, auch bei zügiger Fahrt.

Der 1000er Vierzylinder der GX hat schon einige Jahre auf dem Buckel, wurde aber ständig weiterentwickelt. Mit seinen 152 PS und sattem Drehmoment aus dem Keller begeistert er auch heute noch mit seinem vielseitig nutzbaren Charakter.

 

Vielseitiger Vierzylinder

Den Reihenvierzylinder der Suzuki GSX-S1000GX, der 2005 erstmals in der GSX-R 1000 zum Einsatz kam und seither kontinuierlich weiterentwickelt wurde, kennen wir als bärigen Antrieb. Mit seinen 152 PS und sattem Drehmoment bereits aus der Mitte besitzt er ein sehr breites nutzbares Drehzahlband. Bei 3000/min drückt er bereits 70 % seines maximalen Drehmoments von 106 Nm ab. So lässt er sich auch sehr angenehm und schalfaul im grossen Gang fahren, wobei er dennoch beachtlichen Vortrieb liefert. Dreht man den Vierzylinder hoch, legt er kontinuierlich und gut berechenbar Leistung nach. Im oberen Bereich wird er zum kräftigen Sportler. Will man die volle Leistung auskosten, werden die Gänge häufiger geschaltet, was mit dem bidirektionalen Quickshifter sehr sanft geht und dabei auch noch richtig Spass macht.

 

Fast konnte man dabei vergessen, dass man sich auf einen Reisemotorrad befindet. Unsere Testbikes waren mit den optionalen, direkt am Stahl-Gitterrohr-Heck montierten Seitenkoffern versehen, was uns immer wieder an das breite Einsatzspektrum der GX erinnerte.

Mit der GX lässt sich locker-flockig aber auch sehr zügig durchs Kurvenrevier ziehen. Auf der letzten Rille liess der Dunlop Sportmax Roadsport 2 allerdings das vertrauenerweckend klare Feedback vermissen.

 

Unbekümmertes Handling

Die GX macht ihren Job auch im Kurvenrevier ausgezeichnet. Sie zeigt sich handlich aber nie überagil. Gibt man den entsprechenden Impuls, lenkt sie aber sauber ein und lässt sich dann aber sehr einfach dirigieren. Der 190er Dunlop Sportmax Roadsport 2 ist dem sportlich-agilen Handling nicht unbedingt zuträglich. Auch geizte er bei zügiger Fahrt mit dem gewünschten Feedback. Etwas mehr Rückmeldung hätte die GX definitiv noch vertrauenerweckender machen können. Aber das ist Jammern auf hohem Niveau. Denn es gilt zu unterstreichen, dass wir nicht auf einem Hypersportler oder einem flinken Streetfighter unterwegs waren, sondern auf einem Crossover. Die GX ist auch ein sportlicher Tourer für die Fernreise, auch wenn uns seine Performance auf der Testfahrt immer in andere Sphären hievte.

 

Sportliches Reisemotorrad

Natürlich kann ein Crossover nicht nur das Beste aus zwei Welten vereinen. Ein Sportler bleibt sportlicher und ein Tourenbike bleibt komfortabler. Doch was die GX auszeichnet ist ihr extrem breiter Einsatzbereich. Sie kann sehr sportlich gefahren werden, taugt aber dennoch auch zum gemütlichen Touren. Genauso vielseitig ist auch ihr Vierzylinder einsetzbar. Die GX ist bequem und bietet einen guten, verwirbelungsfreien Wind- und Wetterschutz. Schade nur dass die Windschildhöhe nur mit Werkzeug angepasst werden kann. Doch wir haben das Werkzeug ausgepackt und kamen zum Schluss, dass man sich da durchaus nur mit minimen Abstrichen etwa auf die mittlere Stufe festlegen kann.

Der extrem breite Einsatzbereich, der Fahrkomfort, der vielseitige Motor und die simple Einstellbarkeit von Fahrwerk und Assistenzsystemen zeichnen die GX aus. Sie wird damit zu einem einmaligen Crossover. Ab Januar wird die GX in die Schweiz kommen. Der Preis ist noch nicht definiert, dürfte aber unter 18000 Franken liegen.