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KTM 1390 Super Duke R im Track-Test

KTM 1390 Super Duke R Evo Test dreiviertel web

Mehr Hubraum, Leistung sowie Drehmoment und trotzdem einfacher zu fahren – diesen Spagat will die KTM 1390 Super Duke R im heutigen Test schaffen. Auf der Rennstrecke konnten wir dieses Versprechen schon mal auf die Probe stellen.

Wer schonmal auf dem Circuito de Almeria in Südspanien unterwegs war und Erfahrung mit enorm drehmomentstarken Motorrädern hat, kann sich vorstellen, warum vor dem Test der neuen KTM 1390 Super Duke R eine gewisse Nervosität in der andalusischen Luft zu spüren war.

 

Denn mit der Super Duke haben wir es hier nicht nur mit einem enorm starken Naked Bike zu tun, sondern mit dem Circuito de Almeria auch mit einer der anspruchsvollsten Rennstrecken Europas. Vor allem die blinden Kuppen, die allesamt mit diffizil zu navigierenden Kurven gespickt sind, machen sie extrem technisch und mutintensiv.

 

Mutig also auch von KTM, die neue 1390 Super Duke R gerade hier zum Test bereit zu stellen. Man könnte diese Entscheidung der Kategorie High-Risk, High-Reward zuordnen. Funktioniert die Super Duke hier, sollte sie praktisch überall funktionieren, klappt das aber nicht, hat man den Launch in den Sand gesetzt.

 

KTM 1390 Super Duke R Track Test Beschleunigung

In Almeria wird oft über blinde Kuppen beschleunigt.

Variable Steuerzeiten

Kommen wir aber erstmal kurz zur Technik und zu den Neuerungen der KTM 1390 Super Duke R – ab 22’090 Franken – sowie ihrer Evo-Schwester – ab 23’990 Franken – gegenüber der Vorgängerin 1290 Super Duke R.

 

Insgesamt rund 60% der Teile an der Super Duke, sollen im Vergleich zur Vorgängerin neu sein. Dazu gehört ein Grossteil des Motors. Der wurde für 2024 grösser, stärker und erhielt variable Ventilsteuerzeiten mit einem sogenannten «Camshift»-System. Ziel: Euro5+ sowie bessere Ansprache und Fahrbarkeit in tiefen Drehzahlen bei maximaler Power im höhertourigen Bereich.

 

KTM 1390 Super Duke R

Mehr Hubraum, mehr Leistung und variable Steuerzeiten – der Motor der Super Duke wurde umfassend überarbeitet.

 

Der Hubraum steigt dabei auf 1350 ccm, das maximale Drehmoment auf mächtige 145 Nm bei 8000/min und die Maximalleistung auf 190 PS bei 10’000/min. Damit steht letztere nun 500 Umdrehungen später an als bis anhin. Warum das gerade auf der Strecke mehr ausmacht, als man annehmen könnte, sehen wir gleich.

Factory Start

Auch die Federlemente wurden für 2024 angepasst. Wobei hier vor allem die Evo-Version mit dem semiaktiven Fahrwerk von umfassenden Verbesserungen profitiert haben soll. Ganz neu ist dabei bei der Evo der sogenannte Factory Start. Dabei wird das Heck übers E-Fahrwerk vor dem Start abgesenkt, damit es unter harter Beschleunigung weniger abtaucht, was schlussendlich mehr Vortrieb generieren soll. Für Racer spannend, für alle anderen zumindest eine nette Spielerei.

 

Praktisch identisch zur Vorgängerin ist indes der Rahmen der KTM 1390 Super Duke R im heutigen Test. Die einzigen Veränderungen dienen hier dazu, den neuen Motor sowie den ebenfalls angepassten Tank passend aufzunehmen respektive zu integrieren.

 

Dafür wurde die Elektronik der verschiedenen Assistenzsysteme – Traktions-, Wheelie- und Motorbremskontrolle sowie Kurven-ABS und Motorschleppmomentregelung – weiter verfeinert. Was das genau bedeutet, bleibt zwar unklar, wäre für Nicht-Techniker aber wohl eh unverständlich. Schlussendlich soll’s jetzt einfach noch besser und feiner agieren.

KTM 1390 Super Duke im Test – viele Variablen

Nun aber genug der Technik – wer noch mehr dazu erfahren möchte, findet unseren ausführlichen Technik-Artikel hier – und ab auf die Strecke. Und ja, wir konnten die KTM 1390 Super Duke R bei diesem ersten Test nur auf der Rennstrecke bewegen. Wie die Performance auf der Strasse aussieht, lässt sich also höchstens erahnen, wobei Track-Eindrücke wirklich nur sehr bedingt auf die Strasse übertragen werden können. Zu hoch sind dabei nicht nur die Drehzahlen, sondern auch die Geschwindigkeiten und Schräglagen auf der Strecke.

 

Für unsere Ausfahrten auf den Circuito de Almeria stehen uns dabei drei Versionen der Super Duke sowie drei Reifenoptionen zur Verfügung. Die Standardversion Super Duke R steht auf den Serienreifen Michelin Power GP, die Evo steht auf dem Nachfolgemodell Michelin Power GP2, der in Zukunft als Serienreifen dienen dürfte, und die mit Zubehör ausgestatteten Track-Bikes stehen auf Slicks des Typs Michelin Power Slick 2.

 

Zusammen mit den diversen Einstellmöglichkeiten der Elektronik sowie der Fahrwerke ergibt dies so viele Variablen, dass ein abschliessendes Urteil auch nach mehreren Fahrtagen schwierig zu fällen wäre – geschweige denn nach fünf Turns à 20 Minuten. Nachfolgend handelt es sich also um erste Eindrücke und Tendenzen, nicht um harte Fakten.

 

KTM 1390 Super Duke R Evo Test dreiviertel Option

Die Super Duke R Evo präsentiert sich hier in Schwarz.

Motor mit neuen Stärken

Den Anfang macht die Standard-Version im Standard-Setup und mit der Standard-Bereifung. Die ersten Kurven fühlen sich ungemein schwammig an – dann sind die Reifen warm und es stellt sich Vertrauen und auch so etwas wie Speed ein. Drei Dinge fallen dabei schnell positiv auf. Und alle haben mit dem Motor zu tun.

 

Erstens ist dieser trotz der sogar gestiegenen Power in tiefen Drehzahlen jetzt einfacher sanft ans Gas zu nehmen. Vor allem wenn die Gasannahme von Track auf Sport gewechselt wird. Die verschiedenen Einstellungen der Gaskennlinie beeinflussen dabei übrigens nicht die maximale Drosselklappenöffnung, sondern nur das «Übersetzungsverhältnis» von Gasgriff zu Drosselklappe.

 

Zweitens lande ich den ganzem Tag nie im Begrenzer. Etwas, das mir mit der Vorgängerin oft passierte, weil ich auf der Rennstrecke hochdrehendere Motoren gewohnt bin. Dabei spielt das gute Gefühl, das der Motor für die Drehzahl habtisch und auditiv vermittelt ebenso eine Rolle wie der Fakt, dass der 1350er-V2 schlicht höher gedreht werden kann. Auf der Rennstrecke ist das ein klarer Gewinn.

 

Beschleunigung Rennstrecke

Auch beim harten Beschleunigen landet man jetzt weniger schnell im Begrenzer.

 

Drittens scheint das vielkritisierte «Nachschieben» bei fallenden Drehzahlen nun endlich Geschichte zu sein. Zur Erklärung: Bei der 1290 Super Duke kam es vor, dass der Motor im Schiebebetrieb aus scheinbar unerklärlichen Gründen die Motorbremse stark verringerte, was sich fast anfühlte, wie ein viel zu hoch eingestelltes Standgas, in Realität aber wohl der Motorschleppmomentregelung (MSR) zuzuschreiben war. So oder so konnte ich dieses Phänomen in Almeria mit der 1390er bei mittlerer Einstellung der EBC (Motorbremskontrolle) nicht replizieren.

 

Mächtig anschieben tut die KTM 1390 Super Duke R im Test übrigens auch 2024 noch genauso wie vorher. Zu sagen, hier auf der Strecke den Unterschied bei der Maximalleistung im Fernvergleich spüren zu können, wäre reine Angeberei. Aber ab geht’s.

Alte Schwächen?

Aber auch einige Schwächen scheinen ihren Weg – zumindest mit diesem Setup – von der 1290 zur 1390 gefunden zu haben. Einerseits wird die Front extrem leicht leicht. Am Gas durch schnelle Kurven sowie beim Rausbeschleunigen wird’s vorne darum ab und an etwas unruhig. Eine sehr aktive Fahrweise mit Gewichtsverlagerung nach vorne schafft hier Abhilfe.

 

Andererseits kämpft auch die 1390er beim Einlenken auf der Bremse mit einem relativ starken Aufstellmoment, das sich beim Lösen der Bremse in ein Kippmoment verwandelt. Das schmälert das Vertrauen und die Präzision. Ist aber im Grunde nichts, das nicht durch einige Einstellungen am Fahrwerk optimiert werden können sollte.

 

Das ginge natürlich auch bei der Standard-Version mit ihrem konventionell einstellbaren Fahrwerk. Aufgrund der knappen Zeit, muss ich jedoch bereits jetzt auf die elektronisch einstellbare Super Duke R Evo wechseln, und drehe darum auf ihr – natürlich digital am Display – die Anpassungen ein, die ich für sinnvoll halte.

Fahrwerk, Reifen oder beides?

Heisst konkret: mehr Vorspannung hinten für mehr Gewicht auf dem Vorderrad und verringerte Wheelie-Tendenz und mehr Stabilität unter Last in schnellen Kurven sowie mehr Druckstufe an der Gabel gegen Eintauchen und Aufstellmoment auf der Bremse. Zudem kommt bei der Evo auch das Anti-Dive-System zum Einsatz, das die Druckstufe auf der Bremse automatisch verhärtet, um das Wegtauchen einzugrenzen, diese aber anschliessend für möglichst optimalen Gripp wieder öffnet.

 

Viel besser! Vor allem das Einlenken auf der Bremse geht jetzt deutlich präziser von der Hand, und auch das Aufstellmoment wurde deutlich verringert. Somit lassen sich die in Almeria enorm wichtigen Scheitelpunkte genauer treffen und der Speed steigt. Auch das Erhöhen der Vorspannung zeigt Wirkung. Das Vorderrad wird jetzt nicht mehr ganz so leicht leicht, am Kurvenausgang will es angesichts der Power aber natürlich nach wie vor in die Höhe.

 

Almeria Rennstrecke

Das Fahrwerk ist auch bei der Standard-Version (hier im Bild) voll einstellbar.

 

So macht die 1390er gefühlt einen riesigen Sprung im Vergleich zu ihrer Vorgängerin. Wobei wir hier nochmal auf die Variablen zurückkommen müssen. Denn beim Umstieg von Standard-Version auf Evo, bin ich auch vom Michelin Power GP auf den Michelin Power GP2 umgestiegen. Eine der grössten Neuerungen des Nachfolgereifens ist dabei die Karkasse des Vorderreifens, die nun deutlich stabiler und identisch mit jener des Slicks ist, was natürlich mit zur erhöhten Präzision und Stabilität in der Bremszone beiträgt. Und auf der 1290er, die ich zuletzt letzten Juni an unserem Trackday bewegt hatte, waren ja nochmal ganz andere Reifen montiert.

Nahe dran

Punkto Slicks: auf die begebe ich mich für den letzten Turn mit dem mit KTM Powerparts aufgemotzten Track-Bike inklusive Akrapovic-Komplettanlage mit brachialem Sound und nochmal 5 PS mehr Spitzenleistung. Und – wie zu erwarten – ist mit dieser Maschine nochmal etwas mehr Speed drin als mit den Standard-Dukes. Wenn auch diese unglaublich nahe an die Performance des Track-Biestes herankommen.

 

Den grössten Unterschied machen dabei sicherlich die Reifen aus. Mit vorgeheitzten Slicks geht schlicht nochmal deutlich mehr als mit den Strassenreifen. Obwohl diese – vor allem wenn man bedenkt, dass bei ihnen keine Reifenwärmer zum Einsatz kamen – doch auch erstaunlich gut mit der geballten Power der KTM 1390 Super Duke R im Test zurechtkommen.

 

KTM 1390 Super Duke R Track Test lef side

Die Track-Bikes mit Slicks machen nochmal etwas mehr möglich.

Fazit

Auf der Strecke hat KTM mit der 1390 Super Duke R / Evo auf den ersten Blick also durchaus spürbare Fortschritte gemacht. Vor allem der nun gutmütigere Motor, der dabei nichts von seiner beachtlichen Topleistung verloren hat, ist ein grosser Gewinn. Bleibt zu hoffen, dass die 1390er auf der Strasse eine ähnlich gute Figur macht, wo wir sie dann auch zum direkten Vergleich mit der Konkurrenz bitten werden.

 

Noch mehr Infos gibt’s unter ktm.com

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