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Test mit Video: Yamaha MT-10 für 2022

Yamaha MT-10

Yamaha ist seit 2013 ungebremst im Höhenflug. Der Grund: Die durch alle Altersklassen hindurch extrem populäre, nackte MT-Familie. Und nach sechs Jahren bringt Iwata nun endlich ein Update des Familienoberhaupts – der MT-10.

 

Yamaha MT-10 – Valencia: Yamaha Motor baut als Unternehmen sein Fundament seit knapp 10 Jahren auf einem Hauptpfeiler auf – der MT-Serie. Sie feierte 2005 mit der seligen MT-01 ihre Geburtsstunde, startete aber erst ab 2013 mit der Lancierung der ersten MT-09 so richtig durch. Wobei MT bekanntlich für «Master of torque», also Meister des Drehmoments steht. 430‘000 MT-Einheiten wurden seither an den Mann bzw. die Frau gebracht. Das ist knapp die Hälfte des Gesamtabsatzes der Marke mit den drei gekreuzten Stimmgabeln im Emblem.

 

 

Bestseller ist dabei klar das versierte Mittelklasse-Naked-Bike MT-07. Doch heute geht es nicht um den Bestseller, sondern um das Flaggschiff – das Familienoberhaupt MT-10. 2016 lanciert erfreute sich das von der YZF-R1 abgeleitete Hyper-Naked-Bike auf Anhieb einer grossen Beliebtheit. Rund 300 Einheiten wurden im Lancierungsjahr in der Schweiz abgesetzt. Und der Verkauf ist – wenngleich mit leicht rückläufiger Tendenz – konstant auf hohem Niveau geblieben. Dennoch wurde es still um die MT-Gallionsfigur; die Mittelklasse genoss den Vorrang. Jetzt aber hat Iwata reagiert und für 2022 ein Update aufgegleist.

 

Vorweg: die Yamaha MT-10, deren noch sportlichere SP-Schwester ebenfalls überarbeitet wurde und in wenigen Monaten folgen wird, ist in der Schweiz ab sofort ab 15’990 Franken verfügbar.

 

Nicht nur Euro 5

Wichtigster Aspekt des 2022er-Updates war das Überwinden der Euro-5-Hürde. Wobei die Ingenieure gleich in zweifacher Hinsicht geglänzt haben: Euro 5 brachte erstens keine Leistungsreduktion, sondern – im Gegenteil – ein Plus um 5,5 auf neu 165,9 PS. Und zweitens wurde die Yamaha MT-10 zwei Kilo (212 kg fahrfertig) und damit nur unwesentlich schwerer.

 

Zentral ist bei der Yamaha MT-10 das Drehmoment. Es beträgt wuchtige 112 Nm, blieb damit unverändert, soll neu aber schöner auszukosten sein. Wie das? Zum einen wurde die Endübersetzung am Kettenblatt um einen Zahn verlängert, was die Ansprache etwas sanfter gestaltet. Dann wurde ein echtes Ride-by-wire implementiert. Das digitale Signal für die Einspritzung wird neu also direkt am Gasgriff erzeugt. Mehr Effizienz im Bereich zwischen 4000 und 8000/min verspricht Yamaha bei der komplett neu gestalteten Airbox. Sie verfügt über drei Ansaugkanäle mit jeweils individuellem Resonanzvermögen. Apropos Sound: Die Auspuffanlage ist neu aus Titan gefertigt, und der Dämpfer wurde – auch im Interesse der Massenzentralisierung – verkürzt. Das Ensemble bringt es dennoch auf einen Maximalpegel von Tirol-freundlichen 94 dB. Und wenn wir schon bei der Reduktion von Emissionen sind: Mit 6,83 l auf 100 km soll der CP4-Motor um 15 Prozent effizienter geworden sein.

 

Yamaha MT-10

Der 998-ccm-Reihenvierzylinder mit unregelmässiger Zündfolge wurde trotz Euro 5 stärker.

 

So gut wie nichts Neues gibt es beim Cassis mit dem rekordverdächtig-kurzen Radstand von 1405 mm. Der Heckrahmen wurde im Schritt etwas schmaler gezeichnet, und das Federbein des voll einstellbaren Fahrwerks verfügt im Interesse eines besseren Grips am Kurvenausgang über eine um 3 mm verlängerte Feder.

 

An der Peripherie ist der taufrische, radiale Geberzylinder von Brembo zu erkennen. Ebenso das 4,2-Zoll-TFT-Display, das bis dato der SP-Version vorenthalten war, sowie der neue Sitz. Er liegt 10 mm weiter oben, ist straffer gepolstert und führt zu einer etwas Vorderrad-orientierteren Ergonomie.

 

Schräglagenaffine Helfer

Die zweite grosse technische Neuerung neben Euro 5 ist die Einführung der Sechsachsen-Inertialmesseinheit. Die Yamaha MT-10 verfügt neu also über schräglagensensitive Assistenzsysteme. Konkret: Traktions-, Slide-, Wheelie- und Motorbremskontrolle sowie Kurven-ABS.

 

Integriert sind sie wie gehabt in den vier Riding Modes, die jetzt endlich auch während der Fahrt umgestellt werden können. Sehr zu begrüssen ist abschliessend die Implementierung des «Speed Limiters». Hier wird (auch während der Fahrt) der gewünschte Topspeed vorgewählt, den die MT-10 dann nicht überschreiten wird.

 

Yamaha MT-10

 

Bleibt das Design, das bekanntlich Geschmackssache ist, weshalb wir auch nicht weiter drauf eingehen werden. Fakt ist sicher, dass die neue Yamaha MT-10 weniger kantig, moderner bzw. zeitgenössischer rüberkommt. Die Front mit Voll-LED-Scheinwerferelement ist deutlich kompakter gezeichnet. Ebenso das schlankere Heck mit neuer LED-Rückleuchte im pfiffigen Y-Design.

 

Ergonomie: Hier kommt der Chef

Auf uns wartet ein 240 Kilometer zählender Mix aus City, geschwungenen Landstrassen und verwinkelten Passstrassen im nördlichen Hinterland von Valencia. Der nach vorn nach wie vor leicht abfallende, neue Sitz gibt sich schon straffer. Straffer, aber nicht unkomfortabel. Bei langen Tagesetappen ab 250 km beginnt sich das Sitzfleisch aber dann schon zu melden.

 

Generell sitzt man aber nach wie vor gut im Fahrzeug integriert. Also nicht einfach nur obendrauf. Der Lenker ist breit ausgeführt und liefert beste Kontrolle. Allerdings zeigen die Rückspiegel primär die Ellbogen. Abstehen geht bei 174 cm Körpergrösse mit fast flach aufliegenden Stiefelsohlen so weit gut. Beim Rangieren sollte der Kopf aber schon bei der Sache sein.

 

Wheelie-Fabrik

Der extrem schaltfaul fahrbare CP4-Reihenvierzylinder mit unregelmässiger Zündfolge ist und bleibt eine Bombe! Ab 4500/min zieht er schon massiv an, und ab 6000/min wirds bis oben raus brachial, wobei die MT in den unteren Gängen freudvoll das Vorderrad lupft. Dann muss man den Kopf schon beisammen haben, denn der extrem kurze Radstand führt dazu, dass die MT-10 bei welligem Untergrund und unter starker Last reaktiv wird. Nur gut, dass der breite Lenker eine hervorragende Kontrolle bietet.

 

Yamaha MT-10

 

Summa summarum verfügt die Yamaha MT-10 über eine ausgeklügelte und durchdachte Balance. Der Mix aus Handling und Stabilität passt, gefällt durchs Band. Nicht extrem luftig, aber doch flink. Zu verspielt sollte es bei dieser Power und diesem knappen Radstand ohnehin nicht sein.

 

Digitalisierung geglückt

Jeglichen Wunsch erfüllt das IMU-Elektronikpaket. Die Traktionskontrolle interveniert sehr sanft, sie arbeitet zuverlässig und schafft so viel Vertrauen. Die Wheelie-Control sorgt nachhaltig dafür, dass das Vorderrad keine übertriebenen Flughöhen anstrebt. Und auch beim Bremsen an den Kurvenscheitel kann man vieles der MT überlassen. Sehr zu begrüssen ist, dass sich die Riding-Modes neu endlich auch während der Fahrt zappen lassen. Hierfür muss man den Gaszug allerdings zwei Sekunden lang schliessen. Andere Hersteller haben hier unkompliziertere und vor allem schnellere Wege gefunden.

 

Yamaha MT-10

Sämtliche Einstellungen werden vom Lenker aus vorgenommen. Und das funktioniert prima!

 

Der A-Modus ist mit seiner knackigen, aber nun doch etwas entschärften Ansprache nach wie vor nur für den superheissen Ritt auf bestem Asphalt zu empfehlen. Wir haben den Modus B favorisiert. Die Ansprache ist hier deutlich sanfter, und die Entfaltung der Power wirkt identisch wie beim A-Mode.

 

Der bidirektionale Quickshifter funktioniert gut, je nach Gang und Last am CP4 fällt der Zugkraftunterbruch mal länger, mal kürzer aus. Bzw. geht der Gangwechsel sanft oder mit einem Ruck vonstatten.

 

Sound-Engineering oder Marketing?

Ein bisschen enttäuschend fällt der Sound aus. Nicht falsch verstehen, was akustisch den Ansaugtrichtern und der Auspuffanlage der MT-10 entweicht, ist definitiv zutiefst wohltuende und Gänsehaut erzeugende Musik. Gentleman-like zurückhaltend bei Innerortstempi und brunftig-röhrend wenn’s zur Sache geht. Aber nie aufdringlich oder penetrant. Nun hatte Yamaha so etwas wie einen komplett neuen, für den Fahrer aufpeitschenden Sound versprochen. Faktisch – oder zumindest für die Ohren des Schreibenden – hat sich aber nichts verändert. Und das ist eigentlich ganz okay so.

 

 

Die Bremsen dürften für einen sportlichen Piloten in puncto Ansprache ruhig knackiger zu Werk gehen. Die Dosierbarkeit ist makellos, aber für wiederholtes, vehementes Verzögern am Pass braucht es durchtrainierte Unterarme.

 

Yamaha MT-10

4,2-Zoll-TFT-Display: Gut ablesbar, in puncto Grösse aber an der unteren Grenze.

 

Abschliessend noch ein Wort zur Performance des TFT-Displays: Kontrast und Ablesbarkeit sind makellos. Eine Diagonale von 4,2 Zoll darf inzwischen aber schon als etwas klein gelten. Da wünschten wir uns einen grösseren Screen. Platz wäre im Gehäuse ja zu Genüge vorhanden. Bedienbarkeit der Menüs? Intuitiv, unkompliziert, logisch.

 

Fazit

Auch wenn die Yamaha MT-10 optisch etwas an Eigenständigkeit eingebüsst hat, ist und bleibt sie eine echte Charaktermaschine für erfahrene Fahrer:innen. Ohne Zweifel ist ihre USP der geniale Mix aus diesem unendlich-druckvollen Prachtsantrieb und der gelungenen Geometrie. Wer MT-10 fährt, kontrolliert pure Energie – muss wissen, was er bzw. sie tut. Wobei die Implementierung des neuen IMU-Elektronikpakets goldrichtig war und unter dem Strich in einem fantastischen Preis-Leistungsverhältnis mündet.

 

Info: www.yamaha-motor.eu/ch/de

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