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Aprilia RS 457 im Test – klein und sportlich

Aprilia RS 457 Test

Die Aprilia RS 457 im heutigen Test richtet sich an junge Töfffahrerinnen und Töfffahrer in der Kategorie A2. Damit ist sie klar ein Einsteigerbike. Aber eines, das auch sehr erfahrenen Piloten sogar auf der Rennstrecke massenhaft Spass bereiten kann.

6‘795 Franken kostet die neue Aprilia RS 457 im heutigen Test zur Markteinführung in der Schweiz. Ein Kampfpreis, der vor allem der jüngeren Zielgruppe den Auf- respektive Einstieg in die Aprilia-Sportlerwelt ermöglichen soll. Mit der RS 457 schliesst Aprilia dabei die Lücke zwischen der kleinen RS 125 für die Führerscheinklasse A1 und der beliebten RS 660, die in der 35-kW-Version zwar auf A2 gedrosselt werden kann, standardmässig offen jedoch satte 100 PS liefert und auch über 10‘000 Franken kostet.

 

 

Die Neue kann also klar den Einsteigerbikes zugeordnet werden. Und doch fand der Test der Aprilia RS 457 auf der Rennstrecke und nicht im Pendelverkehr statt. Das unterstreicht die Ambitionen der Italiener für die neueste RS. Und es ermöglicht uns, die Grenzen des Nachwuchs-Sportlers auszuloten.

Ausgereizt

Aber zuerst kurz zu den Eckdaten. Für den Vortrieb der RS 457 sorgt ein neuer Reihenzweizylinder mit – welch Überraschung – 457 ccm Hubraum. Der generiert maximal 35 kW oder 48 PS bei 9400/min und drückt 43,5 Nm Drehmoment bei 6700/min.

 

Damit schöpft Aprilia die zulässige Maximalleistung der A2-Klasse aus. Gleiches gilt auch fürs zulässige Leistungsgewicht von 0,2 kW pro Kilo fahrfertigem Gewicht, welches nach Adam Riese bei 175 kg liegt (175 x 0,2 = 35).

 

Aprilia RS 457 Test

Der Reihenzweizylinder generiert die maximal zulässigen 48 PS bei 9400/min.

 

Gas nimmt der Twin via Ride by Wire an und so kann die RS 457 auch mit drei Fahrmodi – Rain, Eco und Sport – aufwarten. Ebenso gibt es eine dreistufig einstellbare Traktionskontrolle sowie ein ABS, das am Hinterrad ausgeschaltet werden kann. Eine IMU und somit schräglagensensible Systeme sind jedoch nicht an Bord.

Alu-Rahmen und Rutschkupplung

Speziell in dieser Klasse ist der Alu-Frontrahmen, den man sonst oft erst bei teureren Maschinen findet. Auch die verbaute Assist-Rutschkupplung ist in der Klasse eine willkommene Überraschung. Sie sorgt einerseits für eine extrem leichtgängige Kupplung und verhindert andererseits ein stempelndes Hinterrad bei unsauberen Schaltvorgängen. Nicht standardmässig mit dabei ist indes der tadellos funktionierende bidirektionale Quickshifter zum kupplungsfreien Hoch- und Runterschalten. Die Zubehörpreise sind hier noch nicht definiert.

 

Aprilia RS 457 Test

Der Quickshifter ist aufpreispflichtig.

 

Fahrwerksseitig gibt’s eine 41-mm-USD-Gabel und ein Zentralfederbein, die beide in der Vorspannung eingestellt werden können. Die Dämpfung ist – wie in der Klasse üblich – nicht einstellbar. Gebremst wird mit Zangen der Brembo-Tochtermarke ByBre. Vorne kommen dabei eine einzelne, schwimmend gelagerte 320-mm-Scheibe und eine Vierkolbenzange zum Einsatz.

Nicht ganz original

Nun aber genug der Theorie und auf in die Praxis. Aprilia stellt die neue RS 457 auf dem Autodromo die Modena zum Test bereit. Die Rennstrecke unweit der Sportwagen-Hochburg Italiens ist relativ kurz und eng, wartet mit vielen schnell aufeinanderfolgenden Kurven und zwei technischen Schikanen auf. Ideal also für ein flinkes Bike wie die Aprilia RS 457 im heutigen Test.

 

Unsere Testmaschinen wurden dabei weitestgehend im Originalzustand belassen. Optisch unterscheiden sie sich jedoch durch die fehlenden Rückspiegel sowie den ebenfalls abmontierten Kennzeichenhalter von den Strassenmaschinen. Zubehörseitig sind der bereits erwähnte bidirektionale Quickshifter sowie die Soziusabdeckung verbaut, der Rest ist Serie.

 

Aprilia RS 457 Test

Die Pirelli Supercorsas auf den Testmaschinen sorgen für Grip bei jeder Schräglage.

 

Bis auf die Reifen. Denn unsere Test-Aprilias stehen auf hochwertigsten Pirelli Diablo Supercorsas, also einem der bewährtesten Supersportreifen mit Strassenzulassung. Ab Werk kommt die RS 457 hingegen mit eigens für diese Maschine in Zusammenarbeit mit TVS entwickelten Gummis.

 

TVS ist ein Reifenhersteller aus Indien, und bis anhin nicht wirklich für Performance-orientierte Reifen bekannt. Auch wenn uns die Aprilia-Verantwortlichen versichern, dass die Reifen vor allem auf der Strasse aber sogar auf dem Track super funktionieren, bleiben sie das grosse Fragezeichen beim Test der Aprilia RS 457. Mit den Supercorsas werden sie beim Rennstreckeneinsatz aber sicherlich nicht mithalten können, wie sie auf der Strasse funktionieren, wird sich in Zukunft zeigen müssen.

Drehmomentorientiert

Bereits in den ersten Runden, als es noch darum geht, die Strecke zu verinnerlichen, tut sich der Motor der RS hervor. Der kleine Reihenzweizylinder gibt sich deutlich elastischer, als dies von einem Sportmotor mit nur 457 ccm Hubraum zu erwarten wäre. Er generiert bereits ab 3000/min 80 % seines maximalen Drehmoments und liefert so über das gesamte Drehzahlband nutzbare Power. Damit lässt er sich extrem schaltfaul fahren. Ausser auf der Start-Ziel-Geraden braucht’s nie mehr als den dritten und vierten Gang.

 

Ja, oberhalb der Maximalleistung bei 9400/min lässt der Vortrieb spürbar nach, dennoch ist das «Sicherheitsfenster» bis hoch zur Maximaldrehzahl bei 11’000/min gerade auf der Rennstrecke durchaus angenehm. So rasselt man auch nicht in den Begrenzer, wenn man in Schräglage mal nicht genau den richtigen Gang gewählt hat.

 

Aprilia RS 457 Test

Wer wenig Leistung hat, muss in den Kurven Schwung mitnehmen.

 

Klar ist auch, dass mit 48 PS jetzt keine Beschleunigungs- und High-Speed-Orgien drin sind. Für 160 km/h Spitze auf der relativ kurzen Geraden reicht’s aber trotzdem. Mit mehr Anlauf liegen gemäss Aprilia sogar 190 km/h Spitze drin. Und weil der Zweizylinder eben nicht diese typisch spitze Leistungsentfaltung vieler kleiner Sportmotoren hat, ist er gerade auch für die anvisierten Einsteiger sehr einfach zu kontrollieren.

Zugängliches Wiesel

Fahrdynamisch gibt sich die Aprilia RS 457 beim Test in weiten Teilen wie erwartet. Die fahrfertig 175 kg leichte Italienerin lässt sich mühelos einlenken und folgt der Linie schon fast telepathisch. Aufgrund der niedrigen Sitzhöhe von nur 800 mm ist dabei auch das Knie in Windeseile am Boden.

 

Rennstrecke

Knieschleifen geht auf der RS wie von selbst.

 

Die niedrige Sitzhöhe führt übrigens nicht zu einem zu engen Kniewinkel. Dies hat Aprilia erreicht, indem die Fussrasten relativ tief, dafür sehr weit innen positioniert wurden. Damit bleibt der Kniewinkel verhältnismässig offen, während auch die Schräglagenfreiheit nicht merklich eingeschränkt wird.

 

Insgesamt gibt sich die RS sehr zugänglich und ist extrem einfach zu fahren. Bewegt man sie zügig, aber nicht am Limit, gibt sie sich sehr unauffällig, was in diesem Kontext durchaus positiv zu werten ist. Mit der RS 457 dürften auch absolute Töff-Neulinge gut zurechtkommen.

Potenz und Potenzial

Was aber nicht heissen soll, dass man die RS nicht auch fordern kann. Spätestens nachdem ich nicht kapiere, dass der Typ, der mich im ersten Turn gerade überholt hat, nicht einfach ein Journalistenkollege ist, der die Strecke etwas besser kennt und dessen Linie ich folgen kann, sondern MotoGP-Star Maverick Viñales, dem ich anschliessend – für meine Verhältnisse – mit deutlich zu viel Speed in die Schikane folge, zeigt die RS 457 dass sie auch funktioniert, wenn man sie ans Limit treibt.

 

Der grobe Rutscher über beide Reifen ist für mich dann aber Aufforderung genug, meine Ambitionen zu begraben, den Profi ziehen zu lassen und mich auf meine Runden zu fokussieren. Dabei zeigt die Aprilia im Basissetup ihr Potenzial, wird gerade bei den zackigen Richtungswechseln in den Schikanen sowie beim harten Anbremsen über Unebenheiten jedoch etwas nervös.

 

Federbein

Federbein und Gabel können in der Vorspannung eingestellt werden.

 

Das liegt einerseits sicher am relativ kurzen Radstand sowie der flinken Geometrie, andererseits aber sicher auch am Fahrwerk. Letzteres lässt sich zwar nicht in der Dämpfung einstellen, aber bereits die Anpassung der Vorspannung ans Gewicht und den Einsatz auf der Rennstrecke für den zweiten Turn bringt hier eine deutlich spürbare Verbesserung.

Erstaunliche Performance

So abgestimmt bleibt die RS 457 über die Bodenwellen klar ruhiger, gibt mir mehr Vertrauen und trumpft – aufgrund der nun etwas höheren Bodenfreiheit – mit höherer Schräglagenfreiheit auf. So lässt sie sich jetzt auch ohne MotoGP-Erfahrung präzise bis zum Scheitel in die Kurve Bremsen, was auch den Grip am und das Feedback des Vorderrads verstärkt.

 

ByBre Bremse

Die Einzelscheibenbremse mit Vierkolbenzange macht eine gute Figur.

 

Auch die Bremse macht dabei eine erstaunlich solide Figur. Natürlich kann sie in Punkto Druckpunkt nicht mit einer Supersport-Bremse mithalten, sorgt aber dennoch für anständig Verzögerung und lässt sich vor allem auch gut dosieren. Gerade Zweiteres ist für Einsteiger sehr wichtig, da unsanfte Bremsmanöver unnötige Unruhe ins Fahrzeug bringen. Gegen Ende der 20-minütigen Turns, zwischen welchen die Maschinen immer nur knapp fünf Minuten Pause haben, wandert der Druckpunkt teils leicht, das hält sich aber in sehr engen Grenzen, womit die ByBre-Stopper insgesamt sehr positiv auffallen.

Unauffällig gut

Werfen wir zum Schluss noch kurz einen Blick auf die Elektronik. Die funktioniert in den sportorientieren Modi – Fahrmodus Sport, ABS Stufe 1 (nur vorne aktiv) und Traktionskontrolle Stufe 1 – sehr unauffällig und damit gut.

 

Einzig beim Rausbeschleunigen auf die Start-Ziel-Gerade bei relativ hohen Schräglagen greift die TC leicht spürbar ein, ansonsten arbeiten alle System absolut unauffällig. Das ABS greift indes gar nie störend ein, oder öffnet die Bremse in Situationen, in denen dies nicht nötig gewesen wäre.

 

Aprilia RS 457 Test

Die Einstellungen werden im TFT-Display angezeigt.

 

Wobei hier natürlich auch zu erwähnen ist, dass die vorgeheizten Supercorsas bei trockenen und warmen Bedingungen auf der Rennstrecke schlicht sehr viel Grip bieten, und die Assistenzsysteme somit leichtes Spiel haben.

Fazit

Mit der Aprilia RS 457 haben selbst erfahrene Piloten auf der Rennstrecke jede Menge Spass. Gerade das Leistungsmanko sorgte dabei für unglaublich spassige Positionskämpfe auf der technischen Strecke in Modena. Natürlich läge mit einem hochwertigeren Fahrwerk und mehr Leistung noch deutlich mehr drin, aber für den Preis ist das Gebotene durchaus beeindruckend.

 

Natürlich lässt sich von der Rennstrecke immer schwierig auf die Strasse schliessen. Aber der elastische Motor, die einfache Fahrbarkeit und das sportliche Potenzial sind durchaus vielversprechend. Bleibt zu hoffen, dass dann auch die Standardreifen in dieses positive Bild passen.

 

Aprilia RS 457 Test

Auf der Rennstrecke bereitete uns die RS 457 jede Menge Spass.

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