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KTM 890 Adventure 2023 – grosses Update

Die KTM 890 Adventure wurde für 2023 gehörig überarbeitet. Insbesondere optisch. Aber auch technisch. Erster On- und Offroad-Test in Portugal.

„Wagst du es?“ So lautet die offizielle Frage zur KTM 890 Adventure des Modelljahrs 2023. Und gemeint ist damit das Abenteuer. Je nach Definition beginnt ein Abenteuer da, wo die eigene Komfortzone aufhört. Du fährst zum Beispiel auf einer kleinen Nebenstrasse, geniesst die herrliche Gegend und die Abgeschiedenheit. Und dann blockiert da plötzlich ein quer über den Weg stehender Traktor samt Anhänger die Durchfahrt. Jetzt gibt es drei Möglichkeiten. Erstens: Stehenbleiben und warten, bis der Landwirt seine Arbeit vor Ort beendet und weiterfährt. Zweitens: Umdrehen und einen womöglich langweiligen Umweg fahren. Oder drittens: Den kleinen Trampelpfad gleich am Bord einschlagen und es darauf ankommen lassen…

„Do you dare?“

Natürlich wählt der Fahrer im Original-Werbetrailer zur KTM 890 Adventure 2023 die letzte Möglichkeit. Und natürlich eröffnen sich ihm so viele neue Wege, die ohne Enduro unerkundbar wären. OK. Das ist der Werbefilm. Jetzt zur Realität. Kürzlich in Portugal, rund anderthalb Fahrstunden nördlich von Lissabon. Morgens um 8 Uhr gehts los zur ersten Testfahrt mit der geupdateten 890er. Die Temperaturanzeige am neuen 5 Zoll grossen TFT-Farbdisplay mit USB-Buchse zeigt 5 Grad. Kühl genug, sich über die optional erhältliche und an unseren Testbikes auch installierte Griffheizung zu freuen. Stufe 2 von drei sorgt in Kombination mit den Handschützern für angenehm temperierte Finger in den wintertauglichen Handschuhen.

 

Neue Verkleidung

Doch das konnte schon das bisherige Modell. Die 890 Adventure 2023 trumpft umso mehr mit ihrer völlig neuen Frontverkleidung und zwar optisch wie auch in Sachen Schutz vor den Elementen. Bisher stand die Einheit aus Scheinwerfer, Blinkern, Windschutzscheibe und Cockpit quasi frei über dem Vorderrad und die Verkleidungsteile liefen vom Tankdeckel ausgehend mit der Gabel nach unten. Neu erweitert sich die seitliche Verkleidung unter dem Sattel beginnend bis hin zum unteren Bereich des Scheinwerfers. Und von dort zieht sich die Linie nach unten richtung Tank bzw. Tank-Schutzblechen im Sturzbereich. Letztere sind nun nicht mehr nur in Kunststoff sondern als Erweiterung des Motorschutzes auch in Alu gehalten.

Neue Scheibe ohne Verwirbelungen

Auch die Scheibe ist absolut neu. Inspiriert von der KTM 450 Rally Replica steht sie viel steiler und ragt etwas höher hinauf. Zudem verfügt sie über einen grosszügigen Luftdurchlass im oberen Drittel sowie seitliche Deflektoren zu den Blinkern hin. Die neue Front sorgt nicht nur für einen absolut neuen Auftritt, der insgesamt wohl als gefälliger bezeichnet werden dürfte. Sie bietet auch einen grossen Schritt nach vorn, was die Schutzwirkung angeht. Rumpfabwärts ist man gut geschützt und ebenso am Oberkörper. Obenrum spürt man zwar immer ein angenehmes Lüftchen, doch nie den Sturm, der sonst bei 80 oder 120 km/h an Brust und Kopf bliese. Und: Verwirbelungen gibt es keine.

Schwungvoll dem Abenteuer entgegen

Und so düsen wir lustvoll über die kurvigen Landstrassen, deren Beschaffenheit immer wieder ändert. Die aufgezogenen Pirelli Scorpion Rally STR wirken rein optisch ziemlich grob, doch funktionieren sie auf dem sich vor uns trocken ausbreitenden Asphalt tadellos und selbst ohne laute Abrollgesräusche. Auch in zügig genommenen Kurven ist der Grip immer da und ebenso ein gutes Gefühl für die Verbindung zur Strasse. Dasselbe gilt beim Anbremsen. Selbst bei starken Verzögerungen vor oder in die Kurve hinein bleibt die 890 Adventure 2023 stabil. Freilich taucht die Gabel ein, doch erfolgt das Einfedern  wie das Ausfedern beim Lösen der Bremse sehr linear. Zudem liesse sich die neue USD-Gabel jetzt sogar noch in Zugstufe und Druckstufe einstellen. Das hintere Federbein in Zugstufe und Vorspannung. Die Federwege betragen hinten und vorne wie gehabt 200 mm.

 

Querfeldein

Und dann kommt sie endlich, nicht eine böse Überraschung in Form einer versperrten Weiterfahrt. Dafür aber eine reguläre Abzweigung hinein ins … Abenteuer! So facettenreich wie die Strassen gibt sich auch das Gelände, in das wir uns begeben. Vom gewöhnlichen Kiesweg über grobschottrige Pisten und Waldwege mit grossen Pfützen vom kürzilchen Niederschlag bis hin zu sandigen Passagen ist alles dabei. Immer mal wieder wechseln wir auf Asphalt und dann tauchen wir an einer Ecke wieder ins Dickicht ein. Beim ersten Abzweiger halten wir an, um in aller Ruhe den Moduswechsel von „Street“ zu „Offroad“ vorzunehmen. Hurra: Endlich ist jetzt die ABS-Steuerung an diese Modi geknüpft. Im Offroad-Modus hüpft also das ABS automatisch ins „Offroad-ABS“. Das bedeutet, dass es am Hinterrad deaktiviert wird und am Vorderrad weniger invasiv eingreift. Ausserdem verzichtet das Offroad-ABS auf seine sonst vorhandene Schräglagensensibilität.

Präzision und Komfort

Wie auf der Strasse gibt sich die Adventure der oberen Mittelklasse auch im Gelände sehr zugänglich, handlich und berechenbar. Die Pneu können auf den unterschiedlichen Untergründen, die nur ganz vereinzelt leicht feucht sind, guten Grip aufbauen. Und die Federelemente bieten auch hier das richtige Mass zwischen Komfort und Straffheit. Kleine Löcher oder Hubbel schlucken sie im zügigen Tempo locker weg und bei Wandertempo hat man ein gutes Gefühl für den sich ab und an auch spontan ändernden Booden. Ein Durchschlagen der Federelemente hatten wir nie, doch sind wir es insgesamt auch eher touristisch denn wettkämpferisch angegangen.

 

Motor, Modi, Getriebe

An der Antriebseinheit wurde, ausser der überarbeiteten Airbox, nichts geändert und das passt auch so. Die 105 PS (77 kW) bei 8000/min und die 100 Nm bei 6500/min sorgen auf der Landstrasse für einen sehr schönen Vortrieb der vollgetankt 215 kg wiegenden Maschine. Im Gelände freilich auch. Hier sorgt der Offroad-Modus zudem für eine feinere Gasannahme (obwohl auch im Street-Modus kein harter Schlag vernehmbar ist) und eine etwas zurückhaltendere Kraftentfaltung. Ans Hinterrad bringt die Kraft ein Sechsganggetriebe, das sich einwandfrei schalten lässt. Die Seilzug-Rutschkupplung erfordert keine sonderliche Handkraft und ist auch beim Anfahren oder im Schrittempo gut zu dosieren.

 

Das mit der Dosierung gilt ausserdem für die verbauten Bremsen. Vorne packen wie bisher zwei radial montierte Vierkolbenzangen in je eine 320er Scheibe. Bei Bedarf energisch und ohne grosse Handkraft effektiv. Der Initialbiss ist dabei nicht zu heftig, so dass man auch im Gelände sauber übers Vorderrad Speed abbauen kann, ohne zu riskieren, dass die Bremse immer gleich blockiert oder in den ABS-Regelbereich hineingeht.

Ergonomie

Nach wie vor passt die Ergonomie, sowohl sitzend wie stehend. Für die Strassen bzw. Sitz-Etappen wurde das Polster des Sattels überarbeitet. Eine neue Schaumzusammensetzung und 10 mm mehr Schaum sorgen für ein komfortableres Sitzgefühl. Die Sitzhöhe stieg dabei geringfügig um 10 mm auf 840 mm (tiefe Stellung) bzw. 860 mm (hohe Stellung) an. Zumindest mit Crossboots ist das Erreichen des Bodens so selbst im Gelände (bei 173 cm Körpergrösse) gut möglich. Das Umstellen der Sitzhöhe ist dabei ein Kinderspiel.

 

 

Der Lenker ist laut KTM bewusst tief gehalten – der Sportlichkeit wegen. In unserem Fall hat auch das sowohl on- wie offroad ziemlich gut gepasst. Ebenso seine Breite. Schalthebel und Fussbremshebel liessen sich mit den Crossboots ebenfalls gut bedienen.

 

Demo Mode

Plus-Minus? Die 890 Adventure 2023 ist ein wirklich gelungenes Motorrad für Menschen, die sowohl gerne ums Hauseck einen flotten Enduro-Reifen fahren, aber auch eine weitere Tour mit Ausflug ins Gelände in Erwägung ziehen. Negative Punkte? Kritik lässt sich ja immer anbringen, so auch an diesem neuen Wurf. Wir wünschten uns zum Beispiel einen eigenen Modi-Knopf – oder zumindest einen, der zwischen Offroad und Street wechseln kann. Denn je nach Land oder Gebiet können solche Wechsel – wie auf unserer Testfahrt – ja häufig stattfinden. Dasselbe gilt für die Griffheizung.

 

Zur Diskussion ob  gut oder schlecht, steht die neue Erfindung von KTM, einen „Demo Mode“ zu implementieren. Das bedeuetet, dass man die ersten 1500 km das Bike voll ausgestattet erhält, also u. a. mit dem bidirektionalen Quickshifter, der übrigens hervorragend funktioniert, dem Rally-Modus, der Offroadprofis Drifts bis zur Unendlichkeit erlaubt, oder dem Tempomaten. Hat man die ersten 1500 km abgespult, muss man sich entscheiden: auf diese Dinge verzichten oder nochmals bezahlen und behalten?

Ab Frühjahr 2023

Die neue 890 Adventure wird im Laufe des Frühjahrs 2023 bei den Händlern sein. Der Preis wurde noch nicht kommuniziert.

 

www.ktm.com/de-ch.html

Abenteuer-Enduros im Vergleichstest (mit der KTM 890 Adventure R, 2022)

 

 

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