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Zero DSR/X – vollelektrisch jetzt auch im Adventure-Segment

Die nagelneue Zero DSR/X steht ab sofort ab 28’165 Franken bei den Händlern. Die erste echte rein elektrische Reiseenduro! Erste Kontaktaufnahme auf Sizilien.

Tatsächlich geht es mit der brandneuen Zero DSR/X nach einer kurzen Warmfahrrunde gleich ins Gelände. Nein, nicht bloss auf einen Feldweg mit plattgefahrenem Kies, sondern direkt ins Unterholz des Ätna-Regionalparks auf Sizilien. Ständig wechselt hier der Untergrund von weichem Sand, zu grobem Lavageröll und zu festen Steinbrocken. Und das mit knapp 250 Kilo unterm Hintern und auf Pirelli Scorpion Trail II, also Sporttouring-Reifen (19 Zoll vorn, 17 Zoll hinten), die lediglich über „Dirt-Road-Fähigkeiten“ verfügen?

Offroad-Modus

Dank absoluter Trockenheit geht das ohne Probleme. Wir stoppen nach dem Verlassen der Strasse kurz, wechseln vom Canyon-Modus in den Standardmodus und setzen dann die Traktionskontrolle auf «Offroad». Dabei wechselt das ABS automatisch auch auf «Offroad». Und so geht es mit der DSR/X wirklich extrem geschmeidig durch das abenteuerliche, vom Vulkan geprägte Gelände.

Nahezu lautlos fahren wir auf dem Waldpfad zwischen den Stämmen der hochgewachsenen Kiefern durch. Die breiten, gezackten Fussrasten bieten einen sehr guten Halt, selbst mit gewöhnlichen Touringstiefeln. Wir hatten auf grobe Endurostiefel verzichtet – wer hätte denn mit so etwas gerechnet?

 

 

Drehmoment wie Triumph Rocket III

Neben dem Stand passt auch der Griff zum relativ breiten Lenker. Am Gasgriff drehe ich auf diesem Untergrund zunächst eher zögerlich, schliesslich könnte das monströse Drehmoment von 225 Nm, das praktisch jederzeit anliegt, für Überraschungen sorgen. Zum Vergleich: Nur die aktuelle Triumph Rocket III kann der DSR/X beim Rehmoment das Wasser reichen, mit 220 Nm zwischen 3500 und 5000 Umdrehungen pro Minute (Peak: 221 bei 4000/min). Allerdings bringt das Muscle Bike mit dem gewaltigen 2,5-Liter-Dreizylinder vollgetankt gleich mal 73 Kilogramm mehr auf die Waage (R-Version: 320 kg).

Doch es scheint halb so wild: Auch im Stehen lässt sich der Gasgriff gut ergreifen und präzise bewegen. Nach kurzer Eingewöhnung wage ich es bereits, den Gasgriff forscher aufzudrehen. Ja, die Kraft ist tatsächlich brachial, aber die Steuerung entsprechend gut dosierbar und, wenn man es doch einmal zu sehr provoziert, dann schaltet sich die Traktionskontrolle rechtzeitig dazwischen.

 

 

Grösste serienmässige Akkukapazität

Die DSR/X verfügt über einen völlig neuen Z-Force 75-10X-Motor und ein Z-Force 17,3 kWh Power Pack, die beide neue Leistungsstandards für Zero setzen. Der Z-Force 75-10X-Motor erzeugt nicht nur ein Drehmoment von 225 Nm, sondern auch eine Maximalleistung von 75 kW bzw. 102 PS (bei 3650/min). Beim Akku handelt es sich um die grösste serienmässige Kapazität, die es je bei einem Zero-Modell gab.

Bremsen im Gelände

Auch der bewusste, kontrollierte Speedabbau im Gelände funktioniert über die Hinterradbremse mit deaktiviertem ABS im Offroad-Modus sehr gut. Zudem ist der Fussbremshebel im Stehen sehr gut zu erreichen.

Selbstverständlich hilft beim Verlangsamen auch die Vorderradbremse, an der zudem immer noch das ABS für Sicherheit sorgt. Ihr Initialbiss ist nicht zu giftig, so dass sie auch auf sandigem Untergrund nicht gleich in den ABS-Regelbereich reingeht.

Was wir nicht wirklich testen konnten, waren längere bzw. steilere Abfahrten, da unsere Offroadpassage im Grunde nur einen Anstieg mit einigen flachen Abschnitten umfasste und die Abfahrt im Anschluss wieder auf asphaltierten Strassen erfolgte. Gerade die Frage nach der Motorbremswirkung abwärts können wir so fürs Gelände leider nicht beantworten. Getestet haben wir hingegen die Vehicle Hold Control, welche die Hinterradbremse für drei Minuten aktiviert. Erneutes Betätigen der Bremse oder Gasgeben löst die Bremse.

Taugliche Ergonomie

Was sich aber sagen lässt: der Standardsattel befindet sich mit 828 Millimetern in einer sehr moderaten Höhe, umso mehr, als die Zero DSR/X ein sehr schlankes Schrittbogemass bietet. Insbesondere im Gelände kann dies auch für Sicherheit sorgen, wenn man seinen Halt grade mal nicht optimal planen konnte und überraschenderweise stehen bleiben muss.

Die Kontur des Sattels ist zudem angenehm. Störende, ausgeprägte Kanten sind uns weder im Stehen noch im Sitzen aufgefallen. Auch die Form des recht wuchtigen Vorbaus bzw. der Tankattrappe ist so geschnitten, dass man im Stehen wie auch im Sitzen auf angenehme Tuchfühlung gehen, also auch mal Druck ausüben kann. Ausserdem ist das Bike sehr gut ausbalanciert.

 

 

190 mm Federweg

Zwischendurch rumpelt es ziemlich, es geht über Absätze und auch kleinere Sprünge kommen vor. Die Gabel und das hintere Federbein (beide von Showa) arbeiten dabei sehr gut und sorgen dafür, dass die Räder immer schnell wieder Bodenkontakt haben. Sie filtern dank je 190 Millimetern Federweg grobe Schläge gut weg und schlagen trotz des hohen Gewichts von 249 Kilo auch nie durch. Vorne arbeitet eine volleinstellbare 47-mm-Big-Piston-Gabel (Seperate Function). Hinten ein volleinstellbares 46-mm-Federbein mit Piggy-Back-Reservoir. Beim Rahmen handelt es sich um einen komplett neu gestalteten Stahl-Gitterrohrrahmen.

Auf der Strasse

Nach einem kurzen Kaffeestopp im Wald-Rifugio Casa die Calabresi nicht weit unterhalb des Ätna-Kraters geht’s aus dem Wald nochmals mitten durch Lavagestein hinauf auf die neue Landstrasse. Und damit nochmals zum engagierten Kurvenwetzen. Hier wechseln wir in den Canyon-Modus, der speziell für kurvige Landstrassen ausgelegt ist und neben vollem Antritt auch die stärkste Motorbremse bietet. Die Traktionskontrolle und das ABS wechseln dabei auf Street bzw. Road. Neben dem Standard- und dem Canyon-Modus sind ferner ein Ecomodus, ein Sportmodus, ein Rain-Modus sowie ein Custom-Modus an Bord.

 

 

Quasi lautlos

Aus dem Stand prescht die Zero DSR/X bei voll geöffnetem Gasgriff fast lautlos davon. Festhalten bzw. Druck in die Rasten geben ist angesagt, denn der Punch ist gehörig. Umso überraschender ist die Wirkung jedes Mal aufs Neue, da die Kraftentfaltung von keinem Motorgeräusch begleitet wird, das bei Verbrennern die subjektiv empfundene Kraft in der Regel noch deutlich verstärkt.

Der Elektromotor gibt lediglich sein typisches «Uuiiiiiiiiiiiiii…»-Geräusch von sich, das aber auch bei höheren Geschwindigkeiten nie laut wird. Steht man am Strassenrand hört man insbesondere auch herannahende Maschinen erst, wenn sie schon sehr nahe sind. Da kein Getriebe verbaut ist und keine Umlenkwellen etc. zum Einsatz kommen, gibt es auch hier keine weiteren Einflussgrössen beim Thema Sound. Einzig der 25 mm breite Zahnriemen (Gates Carbon Drive Moto X9) bleibt noch, der aber, wenn die Hinterachse richtig ausgerichtet ist, ebenfalls praktisch lautlos läuft. Und auch Vibrationen gibt es rein antriebsseitig keine.

Strassenlage

Die Strassenlage auf Asphalt ist tadellos, so dass die Zero DSRX auch bei Schlaglöchern oder Bodenwellen satt in der Spur bleibt. Trotz ihres hohen Gewichts lässt sie sich absolut easy in Kurven legen. Auch Wechselkurven sind dank des breiten Lenkers und ihrer ausgereiften Ergonomie mit gutem Knieschluss in sitzender Position eine leichte Sache. Einmal in Action ist das Gewicht nicht mehr zu spüren.

Und die Bremsen (vorn: 2×320 mm, radiale Vierkolbenzangen von J-Juan) verzögern auf Asphalt genau so verlässlich und ohne hohe Handkraft. Die Dosierbarkeit passt auch hier. Während der Handbremshebel vorbildlich einstellbar ist, ist es der Fussbremshebel nicht. Gerade bei Dual Sports Bikes bietet diese Option – z. B. in Form eines um 180 Grad drehbaren Bremshebelauftritts – den Vorteil, dass man den Hebel sowohl fürs Stehendfahren als auch fürs Fahren im Sitzen im Handumdrehen angepasst hat. So ist der Fussbremshebel zwar fürs Fahren im Stehen optimal, im Sitzen etwas hoch.

Bosch eCBS und Stabilitätskontrolle

Allerdings relativiert sich dieses kleine Manko sofort, denn die Zero DSR/X ist mit dem kombinierten Bosch-Bremssystem eCBS (electronic Combined Brake System) versehen. Dabei handelt es sich um eine Verbundbremse, bei welcher das ABS-System automatisch beide Bremsen aktiviert, auch wenn etwa nur der Handbremshebel für die Vorderradbremse betätigt wird. Das erfolgt derart sanft, dass man davon kaum Notiz nimmt.

Ferner verfügt das Adventure Bike über die Motorcycle Stability Control MSC von Bosch. Mithilfe von Sensoren überwacht das System den fahrdynamischen Zustand des Zweirads kontinuierlich. Auf diese Daten stütz sich sowohl die ABS-Regelung bzw. Bremsverteilung als auch die Traktionskontrolle (Motorcycle Traction Control MTC).

Rangieren und Parken

Nicht nur die moderate Sitzhöhe hilft beim Rangieren und Parken, sondern auch der sogenannte „Parking-Modus“. Dieser erlaubt es, das Motorrad im Schritttempo rückwärts, aber auch vorwärts zu bewegen. Dank grossem Lenkeinschlag ist zudem das Wenden auf engem Raum kein Problem. Hat man seine Parkposition gefunden, ist der Seitenständer spielend zu erreichen. Sein breiter Fuss erlaubt es zudem ein bedenkenloses Abstellen selbst auf nicht ganz festen Untergründen.

 

 

TFT, Griffheizung

Leider dauerte unsere erste Kontaktaufnahme mit der neuen Zero DSR/X lediglich einen Vormittag lang. Die dabei gemachten 60 bis 70 Kilometer lassen keine Aussagen über Langstreckentauglichkeit zu. Aber zumindest während unserer Fahrzeit habe ich mich im Sattel sehr wohl gefühlt. Zur Serienausstattung gehört denn auch ein TFT-Farbdisplay, das einem gut ablesbar alle wichtigen Infos anzeigt. Dazu zählen neben der Geschwindigkeit und dem Kilometerstand natürlich auch Akku-Ladestand und Reichweite. Das Display passt die Helligkeit automatisch dem Umgebungslicht an. Ferner gehören eine Griffheizung, zwei Helm-Sicherungshaken unter der Sitzbank sowie ein Tempomat (zwischen 30 und 144 km/h aktivierbar) zum Serienumfang. Schade bei letzterem ist, dass es keine Beschleunigungs- und Verlangsamungsfunktion gibt. Auch eine Wiederaufnahme einer zuvor eingestellten Geschwindigkeit ist nicht per Knopfdruck möglich. Dafür sind die Blinker selbstrückstellend.

Connectivity

Eine Connectivity gehört ebenfalls zum Umfang. Sie kann über die Zero Motorcycles App am Smartphone genutzt werden. Die App ermöglicht es u. a., die Darstellungen im TFT-Display zu ändern, den Custom-Riding-Mode anzupassen oder den Ladezustand zu prüfen.

Drahtspeichenräder und Gepäcklösungen

Selbstverständlich gibt es für die Zero DSR/X bereits originales Touringzubehör. Dazu zählen insbesondere Seitentaschen, ein Topcase, Motorschutz, verschiedene Windschutzscheiben und Drahtspeichenräder. Doch bereits ohne diese verfügt dieser Töff über Stauraum. In der Tankattrappe befindet sich ein abschliessbares Fach und links und rechts gibt es weiteren Platz unter den Seitenpanelen. Letztere müssen allerdings mit je zwei Torx-Schrauben entsichert werden. Eine Sitzheizung soll übrigens in der Entwicklung sein.

 

Die Zero DSR/X gibt es in grün und weiss. Zudem mit diversem Zubehör.

Die Zero DSR/X gibt es in grün und weiss. Zudem mit diversem Zubehör.

 

Fazit

Das Motorradfahren macht mit der DSR/X richtig Spass. Sie gibt ein gutes Gefühl für die Strasse performt auch im Gelände gut und dürfte es dank guter Ausbalanciertheit, moderater Sitzhöhe und feiner Gasregulierung selbst weniger Geübten nicht allzu schwer machen, sicher über Stock und Stein zu kommen. Kein Getriebe, kein Schalten, kein Abwürgen. Auf der Strasse passt die Schräglagenfreiheit auch bei forschem Angasen, die Rasten kommen erst spät auf, wenn man schon richtig zügig unterwegs ist. Und hier trügt der Schein öfter, da die Soundkulisse fehlt. Ein gelegentlicher Blick auf den Tacho in den Kurven schafft Klarheit. Das grösste Manko der DSR/X ist wohl ihr Preis. Denn 28’165 Franken sind kein Pappenstiel.

Plus-Minus

+ Scheibenverstellung stufenlos, mit einer hand möglich
+ Luftgekühlte Antriebseinheit
+ Insgesamt sehr leises Fahren (für Fahrer und Umgebung)

– Keine „Standvibrationen“, die eine „Laufen des Motors“ simulieren und mahnen: Vorsicht: Nicht unbedacht am Gas drehen
– Keine Feststellbremse fürs Parken am Hang
– Kein fixer Stauraum (z. B. unter dem Sattel) fürs Ladekabel

 

Zero DXR/X – Technische Daten

Motor: Z-Force 75-10X
Batterie: Z-Force 17,3 kWh Power Pack
Optionaler Powertank: +3.6 kWh = total 20,9 kWh (Reichweite Stadt: 350 km)
Drehmoment: 225 Nm
Leistung: 75 kW (102 PS)
Höchstgeschwindigkeit: 180 km/h

Betriebssystem: Cypher III+
Ausweiskategorie: A
Reichweite (Standard): Stadt 290 km, Landstrasse 137 km, kombiniert 185 km
Akkuladezeit (bis 95 %), Level 1-Charger: 10 Std., Level 2-Charger: 2 Std., 6 kW-Schnelllader: 1 Std.
Gewicht: 247 kg
Sitzhöhe: 828 mm
Batterie-Garantie: 5 Jahre, unbegrenzte Kilometer

Farben: Grün und Weiss, Preis: 28’165 Franken

 

www.zeromotorcycles.com/de-ch/model/zero-dsrx

Weitere Zero-Modelle in der Übersicht / im Test: www.moto.ch/?s=zero

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